Volbeat/Der W - Dresden

07.09.2009 | 18:53

30.08.2009, Alter Schlachthof

Der Sonntagabend gehört uns. Mit DER W und VOLBEAT stehen gleich zwei Hochkaräter auf den Brettern in der sächsischen Hauptstadt. Und ab dafür!

Das doppelte D steht für Dresden. Klar, oder? Doch ob all die Nichtmotorisierten unter uns das auch wussten, sei mal dahingestellt, denn anders kann ich es mir nicht erklären, warum ein Abend mit den Doppelheadlinern DER W und VOLBEAT nicht ausverkauft ist. Sowohl Stephan Weidner als auch unsere Überflieger von VOLBEAT haben bei ihrer letzten Tour jeden Stuhl besetzen können. Doch das Double-D-Banner zieht seltsamerweise nicht, so dass leider einige Tage vor Showbeginn der Konzertabend von der Jungen Garde in den etwas kühlen Alten Schlachthof umzieht. Schade Banane.

Als wir in der sächsischen Hauptstadt eintreffen, sind die Wahllokale bereits geschlossen, und dicke Limousinen durchqueren die Straßen, als ob es bei der CDU Freibier gäbe. Endlich im Alten Schlachthof angekommen, treffen wir zunächst Thomas Hess, der früher bereits brav auf die ONKELZ aufpasste, seit Jahren das Wacken Open Air schützt und nun auch die gute Seele hinter Stephan Weidner mimt.

Nachdem wir leider die V 8 WANKERS verpasst haben, können wir uns zunächst noch ein wenig an HANK III & ASSJACK erfreuen. Oder doch eher nicht? Welcher Irre hat denn diesen - Entschuldigung! - bekloppten Typen Assjack auf die Bühne gelassen. Während der singende Gitarrist Hank III brav wie ein Schuljunge auf seiner Klampfe spielt und dann und wann ein paar Brocken singt, wütet der anscheinend tollwütige Assjack über die Bühne. Er faucht, rotzt (aus Nase und Mund) und benimmt sich wie ein gehirnamputierter Elefant. Da flüchte ich lieber aus dem Fotograben, denn Körperflüssigkeiten brauche ich nicht an meiner Kamera. Einsperren!

Nachdem ich mich aus der Hölle des Löwen retten konnte, fällt mir auf, dass auch der Alte Schlachthof nicht übermäßig voll ist. Seltsam. Mag es am ungewöhnlichen Sonntag liegen, dass hier so viele zu Hause geblieben sind?

Egal, bei VOLBEAT geht immer was, also rein. Als die ersten Takte des Intros 'End Of The Road' erklingen, scheint Dresden endlich aufzuwachen. Die Meute schreit und keift und verlangt nach ihren Helden. Die lassen sich nicht zweimal bitten und entern mit 'Guitar Gangsters & Cadillac Blood' die Bühne. Sofort sind die Fans mittendrin und singen jede Textzeile mit. Der Schweiß läuft bereits nach Sekunden die Stirn hinab – wir würden wohl alle verdampfen, wenn diese Halle richtig voll wäre.

Trotz eines nicht ausverkauften Hauses ziehen VOLBEAT blank und trumpfen mit alten Hits der Marke 'Radio Girl' oder neuen Krachern wie 'Hallelujah Goat' auf. Wer nicht hüpft, ist entweder schon zu besoffen oder gar nicht erst hier. Die Spielfreude dieser Band ist einfach göttlich. Da haben sie die letzten Wochen auf den größten Festivals Europas spielen dürfen, kehren nun erstmalig in eine stickige Halle zurück und finden trotzdem sofort wieder in die richtige Spur, um die Fans mitzureißen. Gebt den Jungs einfach eine Flasche Jack Daniel's, ihre Gitarren und eine Bühne. Mehr brauchen sie offenbar nicht.

Michael freut sich über die rege Beteiligung an diesem Sonntagabend und ist ein wenig verwundert, dass so viele hier sind. Anscheinend haben die Leute hier keine Jobs und können sich Sonntagabend draußen rumtreiben. Autsch, aber lustig. Doch keiner nimmt Michael diesen Spruch böse, erst recht nicht, als er einem jungen Mädel zehn Euro in die Hand drückt, damit sie sich mal ein ordentliches VOLBEAT-Shirt holen kann. Köstlich.

Des Weiteren grüßt Michael alle Rockabilly-Fans, kämmt sich die Haare, ruft zur "Wall Of Love" auf und meint, dass zwar Michael Jackson tot sei, aber dennoch alles in Ordnung wäre, da Lemmy Kilmister ja noch lebe. Genau. Michael spendiert den Fans eine kleine Runde 'Ace Of Spades' und sich einen Schluck Whiskey. Prost!

Im Laufe des Konzertes kann sich die Stimmung sogar noch weiter steigern, weil selbst diejenigen, die nur für DER W hergekommen sind, sich dieser Band nicht entziehen können. Ein riesengroßer Moshpit wühlt Löcher in den Alten Schlachthof, und auch die Jungs von HANK III bevölkern mittlerweile die Seite neben der Bühne, wo sie sich einen Drink nach dem nächsten reinschütten.

Den Höhepunkt der Orgie bildet das abschließende 'We', bei dem die Bengel von HANK III & ASSJACK sogar auf die Bühne dürfen und zusammen mit allen Fans um die Wette grölen. Meine Fresse, was für eine Stimmung! Als die Dänen noch 'Raining Blood' anspielen, wird es Assjack viel zu bunt. Er nimmt einen langen Anlauf und springt kopfüber in die tobende Masse. Wie geil ist das denn? So was sieht man bei Bands dieser Größenordnung heute kaum noch. Minutenlang währt der Applaus im Alten Schlachthof zu Dresden, und Stephan Weidner sollte sich jetzt schon bewusst sein, dass er an solch einen Gig nicht herankommen kann.

Setlist VOLBEAT:
01.    End Of The Road
02.    Guitar Gangsters & Cadillac Blood
03.    Radio Girl
04.    Hallelujah Goat
05.    Sad Man's Tongue
06.    Mr. & Ms. Ness
07.    Pool Of Booze, Booze, Booza
08.    Mary Ann's Place
09.    Angel Fuck
10.    The Human Instrument
11.    The Garden's Tale
12.    Caroline Leaving
13.    Still Counting
14.    A Moment Forever
15.    River Queen
16.    We

Doch wer Stephan Weidner aka DER W kennt, der weiß, dass "klein beigeben", nicht in seinem Wortschatz existiert. Also stürmt er nach der erholsamen Pause samt Megafon auf die Bühne, um den Dresdnern mit 'Der W zwo drei' einen stürmischen Auftakt zu liefern. Diese fressen dem charismatischen Neufrontmann sofort aus der Hand, kleben an seinen Lippen und zelebrieren jedes Wort dieses Gassenhauers. Stephan lässt erst gar keine Verschnaufpausen zu und pfeffert mit 'Liebesbrief' und 'Waffen und Neurosen' gleich die nächsten Brecher aus der Hüfte. Nachdem ich mich aus dem Fotograben verabschiede, fällt mir zugleich auf, dass der FOH-Bereich bei VOLBEAT um einiges voller war. Dafür hat sich der hintere, erhöhte Teil (wo man auch mal sitzen kann) merklich gefüllt. Sind die DER W-Fans in die Jahre gekommen, oder warum schmeißt man sich nicht in die tobenden Massen, wenn 'Schatten' und 'Mein bester Feind' aus den Boxen kommen?

Stephan rückt ganz nah an die Fans, schreit ihnen direkt ins Gesicht und verströmt eine dennoch sehr herzliche Atmosphäre. 'Angst' kündigt er mit den Worten an, dass es dabei vor allem um die Angst vor sich selbst geht. Als dann die fast schon hypnotische Musik erklingt, gibt es bei mir auch kein Halten mehr. Gemeinsam mit den singwütigen Fans werden die Zeilen "Eine endlose Zeit liegt zwischen zwei Träumen" zelebriert. Es ist schon erstaunlich, wie sich Stephan trotz seiner immer noch markanten Handschrift musikalisch und lyrisch weiterentwickelt hat. Ganz großes Kino!

Bei 'Stille Tage im Klischee' schnappt er sich erneut das Megafon, welches seinem Herren aber nicht so wirklich gehorchen will. Dann weg damit.

Mit 'Und wer hasst dich' und 'Du kannst es' präsentiert uns DER W zwei exquisite Non-Album-Tracks, welche dennoch jedem wahren Fan bestens bekannt sein dürften. Nach 'Ein Lied für meinen Sohn' kommt mit 'Heiß' ein weiterer Song, der es nicht auf das Debütalbum geschafft hat, "dennoch aber stark genug ist, um es heute für euch zu spielen". Recht hat er.

Doch ein Weidner hat noch lange nicht genug und liefert mit 'Tränenmeer' einen meiner absoluten Favoriten. Zum Glück macht meine Stimme noch mit, immerhin will man den Nebenmann ja übertönen. Aber es wird noch schlimmer: 'Zwischen Traum und Paralyse' geht erneut richtig tief ins Herz ("Mögen Engel dich begleiten, beim Segeln durch seltsame Zeiten") und wird von der kompletten Anhängerschar lauthals intoniert. Wenn heute nicht Sonntag wäre und man morgen ins Büro müsste, wäre diese Nacht zum Abschuss freigegeben. Ich brauche Bier, viel Bier.

Stephan wendet sich dem Publikum wieder direkt zu und appelliert an jeden Menschen auf dieser Welt, doch einmal über sich selbst und all den gefühlten Hass nachzudenken. Den passenden Song liefert er mit dem für alle unbekannten 'Kommt schon, kommt schon', welcher ein gemeiner Arschtritt für alle intoleranten und von Hass zerfressenen Menschen darstellt. Dabei klatscht Stephan eifrig die Hände der Fans der ersten Reihe und reicht ihnen ganz textlike die Hand.

Das Publikum stimmt "Stephan Weidner!"-Sprechchöre an, was Weidner mit den bescheidenen Worten "Danke fürs Zuhören" beantwortet. Mit 'Asche zu Asche' folgt der Abschiedssong an die ONKELZ, bevor Stephan in die Runde fragt, wer von den Anwesenden genau um den Menschen trauert, der einen an meisten verletzt hat. Warum brülle ich da als Einziger? Egal. Und ab für 'Bitte töte mich'.

Stephan und seine Mitstreiter verlassen die Bühne, werden jedoch nur wenige Augenblicke später von den Fans zurückbeordert. Mit 'Geschichtenhasser' startet der Zugabeblock gleich mit einem echten Hit, bevor Stephan die Dresdner daran erinnert, dass auch er Fan eines Fußballclubs ist, der laufend im Tabellenkeller rumkrebst. Da kann natürlich nur 'Gewinnen kann jeder' folgen, welches in der rockigen Version noch viel intensiver rüberkommt. Mit 'Passt gut auf euch auf' (inklusive Drum-, Bass- und Gitarrensolo) verabschieden sich Stephan Weidner und seine tollkühne Crew von den Dresdner Fans, welche völlig kaputt und ausgelaugt in die finstere Sonntagnacht entlassen werden.

Fazit: Wer hier lieber vor der Glotze bleiben wollte, hat echt was verpasst. Die Kombination aus VOLBEAT und DER W hat tierisch Eier gekickt. Mehr davon. Die Entscheidung, wer heute als Sieger aus dem Ring stieg, überlasse ich jedem selbst. Gewonnen haben hier in Dresden einfach alle.

Setlist DER W:
01.    Der W zwo drei
02.    Liebesbrief
03.    Waffen & Neurosen
04.    Schatten
05.    Mein bester Feind
06.    Angst
07.    Stille Tage im Klischee
08.    Du kannst es
09.    Und wer hasst dich?
10.    Ein Lied für meinen Sohn
11.    Heiß
12.    Tränenmeer
13.    Zwischen Traum & Paralyse
14.    Kommt schon Kommt schon
15.    Asche zu Asche
16.    Bitte töte mich
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17.    Geschichtenhasser
18.    Gewinnen kann jeder
19.    Passt gut auf euch auf

Redakteur:
Enrico Ahlig

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