WHITE RABBIT DYNAMITE - Leipzig
23.10.2015 | 09:1209.10.2015, KulturLounge
Nur wer sich richtig in der Musik fallen lässt, sieht weiße Kaninchen explodieren...
Es gibt Touren der so genannten Megaacts, bei denen man für eine Show ordentlich was hinlegen muss, unsere Freunde von MANOWAR nehmen beispielsweise über 80 Steine für die Konzerte Anfang des nächsten Jahres, bei IRON MAIDEN kann es an bestimmten Orten schon mal dreistellig werden. Und die Leute rennen dennoch in Scharen dorthin. Kann man machen. Oder man hält Ausschau nach den kleinen lohnenswerten Gigs, den Insidertipps (danke dafür, Benno!). Zu letzterem zählt ganz sicher auch der Auftritt der Berliner WHITE RABBIT DYNAMITE in der Leipziger KulturLounge, übrigens bei freiem Eintritt, doch dazu später mehr.
Freitagabend. Schön versteckt ist er, der Konzertschuppen der KulturLounge. Am Gebrauchtwagenhändler vorbei, Massen an Fahrrädern stehen angeschlossen an Mauern und Hauswänden, und da ist es - ein Kabüffchen im Hinterhof, das mit Sesseln und Couch wie ein Wohnzimmer eingerichtet ist und auch gleich selbiges Flair versprüht. Und zum Verrichten der Notdurft darf man ein Bad benutzen, das tatsächlich eines ist - mit Badewanne, wie es sich gehört.
Gemütlich ist also gar kein Ausdruck, nun muss nur noch die Musik zum Ambiente passen. Da ist Psychedelic Rock sicherlich nicht verkehrt und mit WHITE RABBIT DYNAMITE (was für ein cooler Name!) haben wir auch einen sehr guten Protagonisten dieser Spielart am Start. So sind sie einigen Musikfreunden bereits auf dem letztjährigen Blue Moon Festival in Cottbus positiv aufgefallen, auch in Spanien waren sie im letzten Jahr unterwegs. Der Vierer (zwei Alben bislang) macht sich zu bereits etwas fortgeschrittener Stunde ans Werk, aber hier stört das eh niemanden, wenn die Beschallung länger andauert.
Schrabbgniedeldäng - mit diesem wohligen Klangbild fühlt man sich doch sofort bestens abgeholt. Das hat stellenweise was von SIENA ROOT, auch an BLUES PILLS fühle ich mich angesichts der stimmgewaltigen Sängerin erinnert. Dabei tobt sich die Band in weiten Teilen in schwelgerischen, trippigen und jam-artigen Passagen aus (hin und wieder auch mal Stoner- oder Bluesgeschwängert) und erzeugt damit eine sehr entspannte Atmosphäre. So erinnert mich beispielsweise 'Try' an PEARL JAMs 'Yellow Ledbetter' (bei der Gitarrenmelodie sogar sehr deutlich), was ja ebenfalls eine sehr relaxte Grundstimmung innehat. Ein angenehm warmer, knuffiger Gitarrenklang rundet das Ganze ab und wie bereits erwähnt, die Vocals von Frontfrau Chrissi setzen das Tüpfelchen auf's i - so gefühlvoll und kraftvoll zugleich singen nur echte Könner(innen).
Und doch muss man eines ganz klar sagen: Wo das auf Platte sehr gediegen und beschwingt rüberkommt, entfalten auch die eher ausschweifenden Songs im Livegewand augen- und ohrenscheinlich deutlich mehr Schmackes und Punch, sodass alsbald etliche Zuschauer zu tanzen beginnen, oder eben mit sonstigen nicht näher definierbaren, zappeligen Bewegungen. Ein herrlicher Kontrast dazu sind der Gitarrist und der Bassist, beide wie auch die Sängerin unbeschuht auf der Bühne, die häufig die Augen geschlossen haben und sich offenbar einfach treiben lassen im entrückten Klangkosmos. Ob ihnen dabei explodierende weiße Kaninchen an ihrem inneren Auge vorbeiziehen, ist nicht überliefert. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Musik der "Karnickelsprenger" hat etwas so wunderbar Mitreißendes an sich, dass die anderthalb Stunden Spielzeit (vielleicht ist es auch etwas mehr) wie im Flug vergehen. Was hier bereits Zugabe ist und was noch nicht, weiß eh kein Mensch und interessiert auch niemanden. Dass der letzte Song nun wirklich der letzte sein muss, wird dann mit der Ansage "wir haben dann nichts mehr" begründet. So sei es, denn dieser wunderbare Gig bleibt sicherlich noch eine ganze Weile in Erinnerung.
Was man doch in so einem winzigen Konzertschuppen für tolle Livemucke geboten bekommen kann. Am Ende mögen es knapp 50 Zuschauer sein - und das Ding ist voll! Wie erwähnt wurde kein Eintritt eingesammelt, dafür geht man zweimal mit dem Hut durch das Publikum - ich vermute mal, das hat am Ende mehr eingebracht, als wenn man zu Beginn wie geplant 'nen Fünfer abkassiert hätte. Wie auch immer - ein Highlight im Konzertjahr 2015 war das allemal.
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer