WISHBONE ASH - München

29.01.2023 | 22:15

20.01.2023, Ampere Club

Ein einflussreiches Album feiert sein Jubiläum (nach).

Verglichen mit den "großen Alten" wie URIAH HEEP, THIN LIZZY oder DEEP PURPLE flog WISHBONE ASH bei mir immer weit unter dem Radar. Doch "Argus" (1972), das wohl bekannteste Album der Briten, landete irgendwann auch mal in meiner Sammlung. Und das aktuelle Werk "Coat Of Arms" - vertreten im Februar-Soundcheck des Jahres 2020 - blieb mir so gut im Ohr, dass gesteigerte Lust aufkam, die Dinos mal live zu erleben. Zumal die "Phoenix Rising"-Tour ganz im Zeichen von "Argus" steht, das letztes Jahr sein Fünfzigjähriges feiern durfte.

Anders als die bekannten Heroen tingelt sich WISHBONE ASH durch eher kleine Clubs auf einer relativ langen Tour mit weit über fünfzig Gigs. Für München ist das Ampere aber deutlich zu klein. Ärgerlicherweise war auf der Homepage mal wieder eine falsche Startzeit angegeben, und so sind wir spät dran und die Band spielt schon, als wir ankommen. Also kein Bier zur Einstimmung. Das Publikum steht dicht gedrängt bis weit hinter die Eingangstür zur Halle, und es ist mühsam, einen einigermaßen guten Platz mit Sicht auf die Bühne zu ergattern.

WISHBONE ASH - München, AmpereNach diesem kleinen Downer ist dann aber schnell alles gut. Der Sound ist kristallklar, nicht zu laut, und die Musik ist wie ein Gedicht. Für die jungen Hüpfer: WISHBONE ASH ist nur selten Hard Rock oder Heavy Metal. Wir hören hier den warmen Sound des 70er-Jahre-Rock, mal mit bluesig-rockigen Elementen, mal romantisch-elegisch, mal progressiv und verspielt. Rhythmisch immer auf einem straighten Fundament, wird das künstlerische Element von den Gitarren und dem Bass belebt. Orgeln gibt es keine, WISHBONE ASH ist also handgemachte Gitarrenmusik pur.

Die Band demonstriert ein traumhaftes, dynamisches Zusammenspiel, die Mitglieder harmonieren perfekt miteinander. Zentral auf der Bühne ist Gründungsmitglied Andy Powell zu sehen, ein freundlicher, gut gelaunter Mann, kahlköpfig, grauer Bart und Brille. Rechts daneben mit blauer Baseballkappe Bassist Bob Skeat, und links der zweite Klampfenmann Mark Abrahams, im Vergleich zu den beiden anderen ja noch ein Youngster. Den neuen Schlagzeuger Mike Truscott bekomme ich von meiner Position aus allerdings nie zu sehen.

Zu meiner Freude werden in der ersten Hälfte des Gigs auch zwei Highlights von "Coat Of Arms", nämlich das gediegen rockende 'We Stand As One' und der epische Titelsong zum Besten gegeben. Danach geht es aber gleich in die Vergangenheit, nämlich zum Album "Wishbone Four" ein Jahr nach "Argus". Die zwei hier gewählten Songs zeigen die Band von der eher gemäßigt-rockenden, romantisch-lyrischen Seite. Schön. Bei 'Standing In The Rain' aus den Neunzigern wird es dann aber flott und rockig und das animiert das größtenteils schon schwer angegraute Publikum zur freudigen Bewegung.

Danach kommt das, worauf sich viele hier schon gefreut haben. Denn endlich ist "Argus"-Zeit. Das Album fängt ja gleich mit dem Epos 'Time Was' an, das erst nach ein paar ruhigen, cleanen Minuten richtig durchstartet. Dann kommen wilde Soli, etwas an RUSH erinnernde verschachtelte Passagen, mehrstimmiger Gesang. Ich denke, das ist einer der progressivsten Songs der WISHBONE ASH-Diskografie.

Doch es wird in der Folge aber auch klar, dass dieses Album auch ein großer Einfluss für bekannte Metal-Bands war und auch sicherlich noch ist. Denn die Briten waren mit die ersten, bei denen beide Gitarren gleichzeitig Soli spielen und somit ein Vorreiter der bei uns so beliebten doppelläufigen Leads. Es ist sicher kein Zufall, dass man sich bei 'Warrior' an 'Revelation' und bei 'Throw Down The Sword' an 'Afraid To Shoot Strangers' von den eisernen Jungfrauen erinnert fühlt. Und es kommt mir so vor, als würde ich bei vielen Epic-Metal-Bands auch Stimmungen und Vibes der "Argus"-Songs wahrnehmen.

WISHBONE ASH - München, AmpereAuch wenn der Gesang von Andy Powell vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist und die Band auf der Bühne relativ unscheinbar agiert, so spürt man doch, dass hier eine ganz große Band spielt, die die Würde ihrer Songs nach wie vor weitergeben und Begeisterung für ihre Musik auslösen kann. Davon inspiriert, genieße ich es sehr, mich im Nachgang noch einmal intensiv durch "Argus" zu hören. Doch zurück zum Konzert.

Die Zeit vergeht in der Tat wie im Fluge und schwupp, sind mal schnell zwei Stunden vorbei. Das begeisterte Publikum bekommt mit 'Jail Bait' nochmal eine satt rockende Zugabe, diesmal eher im CANNED HEAT/TEN YEARS AFTER-Stil; also einmal mehr Gitarre pur mit langen jammigen Improvisationsparts und dazu einen opulenten Schlusspunkt. Wer kann, sollte da mal hin!

Setliste: In The Skin; We Stand As One; Coat Of Arms; Rock 'n Roll Widow; Ballad Of The Beacon; Standing In The Rain; Time Was; Sometime World; Blowin' Free; The King Will Come; Leaf And Stream; Warrior; Throw Down The Sword; F.U.B.B.

Zugabe: Jail Bait / Phoenix

Fotos: Nives Ivic

Redakteur:
Thomas Becker
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