W.A.S.P. - Köln

14.04.2023 | 20:23

30.03.2023, Carlswerk Victoria

Großer, kurzer Abend!

Seit über 40 Jahren gibt sich der Gesetzlose mit W.A.S.P. bereits die Ehre, seit über vier Dekaden ist die Stimme Blackie Lawless' für mich stellvertretend für den nostalgischen Sound der 1980er Jahre, seit dem selbstbetitelten Debüt hat dieser Mann Evergreens geschrieben, bahnbrechende Alben veröffentlicht und mit "The Crimson Idol" 1992 ein Werk an den Mann gebracht, das bei mir auf ewig einen Treppchenplatz sicher hat. Nun zündet W.A.S.P. die "40 Years Live World Tour"-Rakete und das lassen wir uns selbstverständlich nicht zweimal sagen und statten den Amis einen Besuch ab.

Komischerweise bin ich in diesen Wochen ob wirklich toller Konzerte häufiger in der Domstadt als noch zu jener Zeit, als ich an der Universität zu Köln eingeschrieben war. Doch großartige Live-Musik zieht mich immer wieder ins Rheinland und heute ist die Vorfreude auf kommende Gänsehautmomente noch größer als zuletzt. An diesem Donnerstag gibt sich W.A.S.P. im Carlswerk Victoria die Ehre, um 40 Jahre US-amerikanischen Schwerstahl zu feiern. Zuletzt sah ich die Band im November 2017, als in Form vom "ReIDOLized"-Thema die Geschichte Jonathans nochmal erzählt wurde und mir W.A.S.P. in der Turbinenhalle zu Oberhausen einen unvergesslichen Abend bescherte. Nun sind für den heutigen Abend die Erwartungen nicht geringer geworden, aber zumindest die Verkehrssituation sorgt für den ersten Dämpfer.

Das ist leider auch der Grund, weshalb ich die Rocker von SNAKEBITE nur mit ihren letzten beiden Songs mitbekomme. Die allerdings gehen gut ins Ohr, und während ich die mit den Füßen wippenden und zustimmend im Takt nickende Meute in dieser tatsächlich mir bis dato unbekannten Location sehe, machen die Jungs auf der Bühne einen spielfreudigen und quirligen Eindruck. Bevor ich allerdings selbst in Fahrt komme, neigt sich das Treiben von SNAKEBITE dem Ende zu und wir werfen einen ersten Blick zum Merchandise-Stand. Auch wenn ich leider nichts anderes erwartet habe, jagt es mir dennoch einen Schauer über den Rücken, sich an Konzertshirt-Preise in Höhe von 40€ zu gewöhnen. Und aufgrund meines recht ausgeblichenen "The Crimson Idol"-Shirts hadere ich lange mit mir, das "30 Anniversary – 1992 – 2023"-Shirt mein Eigen zu nennen, doch da irgendwann auch mein Verständnis aufhört, winke ich dankend ab und mache mich in Gedanken bereit für den heutigen Hauptact.

Und der betritt in Form von W.A.S.P. nach dem THE DOORS-Intro auch die Bühne: Der großgewachsene, aber, im Vergleich zu erschreckenden Auftritten, wieder etwas agiler, vitaler und fitter wirkende Blackie positioniert sich hinter seinem extrovertierten Wirbelsäulen-Mikrofonständer, Doug Blair nimmt an der Klampfe Haltung an und mit Volldampf wird das Anfangstrio bestehend aus 'On Your Knees', 'The Flame' und 'The Torture Never Stops' in die Menge gefeuert, um nur im Anschluss gleich mit dem grandiosen 'Inside The Electric Circus' nachzulegen. Die Stimmung im Carlswerk Victoria ist wahnsinnig gut, ist die Hütte doch sehr gut besucht – wenngleich auch nicht ausverkauft – und der Sound sowohl von vorne als auch von hinten und der Seite eine absolute Wucht. Und wie schon angemerkt, macht der Gesetzlose gleich von Beginn an eine sehr gute Figur und überlässt ab und an auch gerne seinen Mitmusikern das Rampenlicht. Zwar werde ich das Gefühl nicht los, als kommen die Chöre vom Band, doch das tut der Stimmung keinen Abbruch, im Gegenteil: Die Menge, ob groß ob klein, ob jung ob alt, grölt gleich zu Beginn lautstark mit und fühlt sich auch nach dem anfänglichen Medley im weiteren Verlauf dank des grandiosen 'L.O.V.E. Machine' – interessanterweise meinem ersten W.A.S.P.-Berührungspunkt - und dem nicht minder genialen 'Wild Child' zurück in die 1980er Jahre versetzt. Genau das habe ich mir im Vorfeld erhofft, eine kleine Zeitreise, die vor Nostalgie, Hymnen und diesem positiv kratzigen Gesang Blackies dominiert wird.

Es ist Faszination und Freude zugleich, Blackie in guter Verfassung seine unsterblichen Klassiker präsentieren zu sehen. Gemeinsam mit dem wuchtigen Klang in der Location, passenden Leinwanduntermalungen und den anderen Rampensäuen in den Reihen W.A.S.P.s könnten die ersten 20 Minuten nicht stimmungsvoller ausfallen, ehe dieses wunderschöne, zerbrechliche 'The Idol' und eine ganz eigene Atmosphäre dieser die Krone aufsetzt. Die Gänsehaut ist vorprogrammiert und Blackie legt unheimlich viel Gefühl in diesen Song, der wiederum die kleine "The Crimson Idol"-Rubrik öffnet: 'The Great Misconceptions Of Me' schlägt in eine ähnliche Kerbe und richtig gerockt, geheadbangt und gegrölt wird letztlich mit 'Chainsaw Charlie (Murders In The New Morgue)', ehe der "The Last Command"-Kracher 'Blind In Texas' auch die letzten Kölner aus der Reserve lockt. Eine tolle, bombensichere Setliste, eine sehr gut aufgelegte Band und eine Aura, die den so bitternötigen Eskapismus antreibt, einfach herrlich.

Doch zu meiner großen Überraschung und leider auch Ernüchterung läutet 'Animal (Fuck Like A Beast)' schon den Zugabenteil ein, der mit 'The Real Me' – im Original von THE WHO – sowie dem abschließenden 'I Wanna Be Somebody' ein viel zu jähes Ende findet. Was? Das war es schon? Nach knapp 70 Minuten ist der Zauber schon vorbei? Kein 'Arena Of Pleasure', 'The Headless Children' oder 'Sleeping (In The Fire)'? So gut es mir im Carlswerk Victoria gefällt und so wohl ich mich im Nostalgie-Schlaraffenland made by W.A.S.P. fühle, so dick ist das Haar in der Suppe, die die sehr abgespeckte und ernüchternde Länge der Setliste darstellt. Von der Qualität der Songs, der Performance gibt es überhaupt keinen Grund zum Meckern, doch bei den heutigen Ticket- und Merchandise-Preisen und dem Umstand, dass die Tour bereits einmal verschoben werden musste, hätten sich Blackie und W.A.S.P. doch noch etwas länger auf der Bühne präsentieren dürfen.

Setliste: On Your Knees/The Flame/The Torture Never Stops/Inside The Electric Circus; L.O.V.E. Machine; Wild Child; The Idol; The Great Misconceptions Of Me; Chainsaw Charlie (Murders In The New Morgue); Blind In Texas; Animal (Fuck Like A Beast); The Real Me; I Wanna Be Somebody

Das macht den abschließenden Applaus und die Rufe des Publikums allerdings nicht leiser, denn zumindest von dem, was es sah, war es äußerst angetan und wird mit allerlei Ohrwürmern des Gesetzlosen wieder nach Hause geschickt. Auch mir graut es davor, mich nach den Strapazen des Hinwegs wieder ins Auto zu setzen, doch erstens ist abends meine Heimstrecke halbwegs frei und zweitens hat mir der Abend und der Auftritt W.A.S.P.s doch ein breites, wenngleich auch viel zu kurzes Lächeln auf die Lippen gezaubert. Qualität hui, Quantität pfui, doch zumindest bleibt mir das Carlswerk Victoria in guter Erinnerung.


Redakteur:
Marcel Rapp

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