W:O:A Metal Battle 2006 - Berlin
13.02.2006 | 20:3411.02.2006, Kato
Einmal in Wacken auf der Hauptbühne zu spielen ist wohl der Traum jeder Metal-Band. Das garantiert der W:O:A Metal Battle zwar nicht, aber die Finalisten haben immerhin die Chance, zu nachmittäglicher Stunde auf der Zeltbühne ihr Können vor einem internationalen Festival-Publikum unter Beweis zu stellen und mit ein wenig Glück einen Plattenvertrag mit Armageddon Music einzusacken. Entsprechend groß ist die Bewerberflut, aus der die Dörpstädter Veranstalter die Kandidaten für die regionalen Vorausscheidungen herauspicken.
Auch in Berlin treten sechs Bands an, um den Einzug ins Semi-Finale zu schaffen. In der Jury tummelt sich die örtliche Halb-Prominenz, angefangen vom Mitarbeiter eines Konzertveranstalters über diverse Szene-Urgesteine bis hin zu einem Radio-Moderator, und man munkelt, dass die Herren nicht ganz unvoreingenommen an ihren Job herangehen. Im letzten Jahr haben "überraschenderweise" SINNERS BLEED das Rennen gemacht, angeblich einfach deswegen, weil über die Hälfte der Jury-Mitglieder erklärte SINNERS-Fans waren. Dieses Jahr gelten DESILENCE als haushohe Favoriten. Aber dabei sein ist bekanntlich alles, und (fast) jede der durch die Bank sehr talentierten Bands gibt in den ihnen zugestandenen 20 Minuten Spielzeit ihr Bestes.
ORPHAN HATE eröffnen den langen Abend vor bereits gut gefüllten Reihen. Das Quintett um die zierliche Sängerin Sina nennt ihren Sound "Metalfusion" und kredenzt eine gelungene Mischung aus Death, Thrash und Progressive Metal, verbunden mit modernen Elementen. Vor allem die Frontdame weiß zu gefallen, zumal ihr stimmgewaltiges und abwechslungsreiches Organ so gar nicht "engelsgleich" klingt, sondern von tiefem klaren Gesang über brutale Shouts die ganze Palette dessen auffährt, was man sonst eher von ihren männlichen Kollegen kennt, und dabei trotzdem noch durch und durch weiblich bleibt. Ein klasse Einstand, der die Messlatte für die folgenden Bands ziemlich hoch legt.
Generationswechsel! Man muss sich eigentlich nur die bangfreudigen Fans in der ersten Reihe anschauen, um zu wissen, was einen erwartet. RAPID FIRE sind true als hell und setzen mit ihrem klassischen Heavy Metal einen Gegenpol zur "trendverseuchten Nu-Metal-Mucke und unerträglichen Pseudo-Superstar-Kasperei", wie man auf der Bandhomepage selbstbewusst verkündet. Die "früher war alles besser"-Verfechter im Publikum geben den spielfreudigen Jungs Recht. Allerdings kann man mit dieser Art von Musik vor allem in Berlin keinen Blumentopf mehr gewinnen, weshalb RAPID FIRE wohl als absolute Außenseiter ohne nennenswerte Gewinnchancen an den Start gehen. Scheint ihnen aber herzlich egal zu sein, und die Kuttenträger im Publikum genießen diese kleine musikalische Zeitreise zurück in die 80er sichtlich.
"Außenseiter" kann man RESPAWN nicht unbedingt nennen - zumindest wurde im Vorfeld vereinzelt spekuliert, dass sie die größte Konkurrenz für die als Favoriten gehandelten DESILENCE bilden dürften. Allerdings leiden die Mannen um Sänger Roland Peters noch mehr als ihre Vorgänger unter den eher suboptimalen Soundverhältnissen, bei denen sich sogar ein Mikrophon kurzzeitig verabschiedet. Überhaupt habe ich die Power-Thrasher wesentlich besser in Erinnerung. Vor allem Rolands Stimme kommt kaum zur Geltung, und auch seine Bühnenpräsenz erscheint mir nicht so locker wie gewohnt. Trotzdem sind RESPAWN eine Band mit großem Potential, die man im Auge behalten sollte - auch wenn mich eines ihrer Riffs frappierend an einen Song von DARK TRANQUILLITY erinnert ...
Ihre energiegeladene Bühnenshow ist in Berliner Szenekreisen fast schon legendär, und DESILENCE-Fronter Hagen Hirschmann beweist eindrucksvoll, dass man auch ohne Matte eine amtliche Performance an den Tag legen kann. Die Fans fressen den Thrashern aus der Hand und verwandeln das Kato in einen bangenden Hexenkessel. Spätestens jetzt ist klar, warum das Quintett als Favorit gehandelt wird. Äußerst professionell und druckvoll zahlt sich die große Live-Erfahrung der Berliner (die 2005 sogar auf dem Metalcamp in Slowenien anzutreffen waren) aus. Wenn sie auch musikalisch gesehen meiner bescheidenen Meinung nach nicht die abwechslungsreichste Formation des Abends sind, so liefern sie dennoch solide Qualitätsarbeit ab.
Etwas übersichtlicher auf der Bühne wird es bei SCORNED, eigentlich einem Duo, das sich live mit wechselnden Gast-Bassisten behilft, und wenn es auf dem Metal Battle eine Publikumsstimme gäbe, wären sie wohl ganz weit vorn. Denn immerhin können sie den ersten und einzigen Crowd-Surfer des Abends verbuchen, der über eine erstaunliche Distanz bis zum hinteren Drittel der Halle von vielen, vielen Händen getragen wird. So viel Bewegung wie im Publikum ist auf der Bühne logischerweise nicht zu verzeichnen, aber die Songreihenfolge hat es dafür in sich: Ist der erste der drei innerhalb der 20-minütigen Spielzeit vorgetragenen Songs bestenfalls "ganz nett", dreht Gitarrist und Sänger Benni danach immer mehr auf und zaubert ein spannendes und abwechslungsreiches Soundgebilde aus melodischem Death Metal mit progressiven Elementen, klarem Gesang und Growls und für nur eine Gitarre sehr facettenreichem Klampfensound. Fast könnte man glauben, hier die Berliner DISILLUSION vor sich zu sehen. Nicht schlecht, Herr Specht!
Die undankbare Schlussposition bestreiten die Progressive Deather UNSOUL, denen ich trotz aller Sympathien keinerlei Gewinnchancen einräume. Vertrackte Death-Metal-Songs mit frickligen Gitarrensoli und poppigen Keyboardparts sind einfach nicht jedermanns Sache - die einen lieben sie gerade dafür, die anderen eben nicht und ziehen sich konsequenterweise in eine ruhigere Ecke des Clubs zurück. Ganz nach dem Motto "und jetzt erst recht" spielt der sympathische Fünfer um Front-Grunzer Dennis Schröder neben dem smashigen Titeltrack ihres letzten Demos "Welcome to Annexia" zwei bislang unveröffentlichte Songs, die vor abrupten Breaks nur so stotzen und in denen sich Tastenmann Konstantin Frick nach Herzenslust austoben darf. Typisch UNSOUL eben.
Die Zeit bis zur Bekanntgabe des Gewinners vertreiben uns - wie übrigens auch auf allen anderen Vorrunden - die Vorjahres-Sieger GORILLA MONSOON. Nach so viel Hauptstadt-typischem Geschrammel bietet ihr Stoner-Rock mit Doom-Schlagseite eine erfrischende Abwechslung. Der hinter einem gehörnten Mikroständer sehr effektvoll platzierte jack sabbath und seine Mitstreiter huldigen ihren Vorbildern voller Inbrunst, und auch ohne Kenntnis der letztjährigen Konkurrenz ist offensichtlich, warum die Dresdner den Metal Battle 2005 ganz klar für sich entscheiden konnten. Wuchtig, intensiv und mit einem gewissen Show-Element versehen (neben dem gehörnten jack vor allem Gitarrist und Spargeltarzan phil - gibt's eigentlich 'ne Einstellungsvoraussetzung für Stoner Rocker, dass mindest ein Mitglied dürre Beine bis knapp unter die Achselhöhlen haben muss?) bieten sie eine halbstündige Hommage an ihre großen 70er-Helden. Allerdings tritt ein Teil des nach einem solch langen Abend merklich erschöpften Publikums die Flucht ins Café an - ist schon irgendwo skurril, wenn der Opener ORPHAN HATE vor etwas dichteren Reihen auftritt als der eigentliche "Headliner" ...
Ein imaginärer Trommelwirbel, die Spannung steigt - die Jury betritt die Bühne. Gewinner der Berliner Vorrunde sind: UNSOUL! Wenn das mal nicht sämtlichen Lästerern das Maul stopft, die das ganze von vornherein für ein abgekartetes Spiel gehalten haben. Auch ich bin immer noch überrascht von diesem Ergebnis - ganz zu schweigen von der Band, die fassungslos taumelnd und mit seligem Grinsen vermutlich erst Tage später verinnerlichen wird, dass sie in Kürze in Hamburg im Semi-Finale antritt. Viel Glück, Jungs - das habt ihr euch verdient!
- Redakteur:
- Elke Huber