Wacken Open Air 2008 - Wacken

20.08.2008 | 13:07

31.07.2008, Festivalgelände

Last day of Wacken-Hölle

Ein Tagesbeginn mit Überraschungen ist schön. Als völlig grandiose Neuentdeckung erweisen sich NYNE auf der W.E.T. Stage. Die Gewinner der griechischen Metal-Battle funktionieren als Black-Metal-Geschoss mit satten Industrial-Vibes, vielen sinfonischen Elementen und einem äußerst androgyn wirkenden Sänger, der so rasend schreit, als hätte er seine französischen Kollegen von ANOREXIA NERVOSA gern und oft gehört. Nur das Ambiente des Zeltes mag gar nicht so recht zu dem modernen und durchdachten Sound passen: Der Boden ist inzwischen nur noch eine übel riechende Matschwüste, die Pfützen schwarz vor Dreck. Lecker.
[Henri Kramer]

MACHINE MEN sind eine ambitionierte Metalband aus Finnland. Bei dem Sänger gilt die Devise: "Klein, aber oho". Er ist stimmgewaltig und weiß sich zu inszenieren. Und auch seine Mitstreiter wissen auf der Party Stage, wie sie mit ihren Instrumenten umzugehen haben. Sie spielen ein abwechslungsreiches Set mit zum Beispiel 'No Talk Without The Giant' oder 'Ghost Of The Seasons'. Sänger Antony führt gekonnt durchs Programm und hat das Publikum schnell auf seiner Seite. Der Sound ist sehr gut, und alles in allem präsentiert sich diese junge Band eindrucksvoll.
[Yvonne Daseking]

Dass HOLY MOSES bei der starken Konkurrenz am heutigen Tage einen Platz auf der Hauptbühne bekommen haben, scheint ein wenig kontrovers und auch unverständlich. Immerhin wurden namhafte Gruppen wie OBITUARY auf die Party Stage verbannt. Mag da die Angehörigkeit zum hauseigenen Label eine Rolle spielen? Sei's drum. Die Erwartungen sind daher auch ganz klar ein wenig größer. Also müssen sie schon was reißen, die eher weniger erfolgreichen Urgesteine um Frontlady Sabina Classen. Und in der Tat ist die Performance gar nicht mal so übel. Die Band spielt einen guten Querschnitt durch ihr älteres Material, präsentiert aber auch schon mal einige Songs vom in Kürze erscheinenden neuen Werk "Agony Of Death“, die überraschenderweise richtig stark klingen. Und dennoch: Obschon die Zusammenspiel wirklich ordentlich funktioniert und gerade in Sachen Rhythmusarbeit eine Menge Wucht im Spiel ist, können HOLY MOSES mal wieder nur bedingt überzeugen. Der Makel, wenn man einfach keine herausragenden Songs im Repertoire hat.
[Christoph Jansen]

Ganz anders MERCENARY: Sie sind nach wie vor die Senkrechtstarter der Power-Metal-Szene und gehören weiterhin zu den fleißigsten Acts im gesamten Genre. Warum also nur die Party Stage? Antworten hierauf liefert die Show der innovativen Dänen nicht. Ganz im Gegenteil: Die Band zieht ihre stark angewachsene Fangemeinde mit den melodischen Songs von “The Hours That Remain“ und “Architect Of Lies“ in ihren Bann, traut sich auch an einige epischere Songs heran und genießt spürbar den gehörigen Zuspruch, den sie aus der Menge erfährt. Beifall gibt’s reichlich, und hinter vorgehaltener Hand schmunzelt man sogar über die qualitativen Differenzen zwischen MERCENARY und dem gleichzeitigen Gerumpel auf der Black Stage (HOLY MOSES). Aber derlei Politika verschwinden schließlich in der feinen Mischung aus kraftvollen NEVERMORE-Ingredienzien und dezenten Göteborg-Anleihen. Mit dem Verklingen einer souverän improvisierten Variante ihres “11 Dreams“-Übersongs ’Firesoul’ verabschieden sich MERCENARY am Ende nicht nur mit einer berauschenden musikalischen Performance, sondern auch mit dem ganz klaren Ziel, bei einer der kommenden Ausgaben auf der großen Bühne aufzutrumpfen.

Ähnlich cool verläuft der Gig von EXODUS. Im Vorfeld bereits mussten die Herren ein wenig schmunzeln, immerhin war ihre Nettospielzeit im Programmheft mit gerade mal zehn Minuten angegeben. "Oh, we just play the intro and wave goodbye", meint ein gut aufgelegter Frontmann Rob Dukes noch am Vortag. Heute jedoch ist von derlei Differenzen nichts mehr zu spüren. Stattdessen jagen die Mannen aus der Bay Area die Bühne förmlich in die Luft und initiieren die ersten Circle Pits des Tages. Dukes fordert Action, und die soll er auch bekommen, was angesichts von Klassikern wie ’Bonded By Blood’ (gleich als Opener verschossen), ’A Lesson In Violence’ und ’Strike Of The Beast’ aber auch keine große Schwierigkeit ist. Aber auch das Material der beiden letzten Alben wird super aufgenommen und sorgt für mächtig Bewegung in den vordersten Abschnitten. Schade ist lediglich, dass die Band ziemlich schlecht abgemischt ist. Gary Holt zaubert die feinsten Riffs, verschwimmt aber mit seinem versierten Spiel oftmals in der wuchtigen Melange aus Bass und Schlagzeug - ein Problem, das irgendwie den gesamten Tag auf den Hauptbühnen bestehen bleibt. Der Stimmung tut es aber keinen Abbruch. Denn als EXODUS nach einer knappen Stunde die Bühne verlassen, sind laute Sprechchöre fällig. Da spielt es auch keine Rolle, dass Nummern wie ’And Then There Were None’ und ’Toxic Waltz’ aus dem Programm verschwunden sind und Brüllwürfel Dukes nicht jeden höheren Ton richtig trifft.
[Björn Backes]

Ungewohnt leise beginnt im Anschluss der Auftritt von OBITUARY. Die Death-Metal-Band aus Florida hat anfänglich mit dem Sound zu kämpfen, doch dann kann es mit angepasster Lautstärke endlich richtig losgehen. Neben neueren Songs der aktuellen "Left To Die“-EP werden Songs wie 'Turned Inside Out’ intoniert. Die coolen Gitarrenriffs, das schnelle Schlagzeug und der Gesang von John Tardy bringen das Publikum immer mehr in Schwung. Gegen Ende wird noch 'Slowly We Rot’ gespielt. Ein toller Auftritt, der leider nach einer Stunde schon wieder vorbei ist.
[Franziska Böhl]

HATEBREED in Wacken? Vor Jahren sicherlich noch ein Unding, heuer eine Selbstverständlichkeit, schließlich bietet das Billing doch so manchen genreübergreifenden, modernen Act. Allerdings passen sich Jamey Jasta und seine Mannen auch prima dem heutigen, eher rauen Line-up an und bolzen mit ungebändigter Wut voraus. Die Reaktionen sind zwar zunächst noch verhalten, doch schon nach zwei Songs haben die amerikanischen Metalcore-Pioniere ihr Publikum fest im Griff und dirigieren die Action an vorderster Front souverän. Lediglich eines bekommen sie nicht wirklich gehandlet, nämlich den Sound, der auch hier arg basslastig ist und manches Detail begräbt. Der Menge macht's aber nicht sonderlich viel aus, denn mit den Abrissbirnen von “The Rise Of Brutality“ und “Supremacy“ gerät der Pit immer wieder in Bewegung. Ergo: souveräner Auftritt einer unerwartet gut platzierten Band.
[Christoph Jansen]

Als EVOCATION die Bühne betreten, haben sich nur ein paar Leute vor der W.E.T. Stage eingefunden. Wie es scheint, hat sich die Mehrheit der Death-Metal-Fans lieber für OBITUARY entschieden, die zeitgleich die Party Stage zerlegen. Dessen ungeachtet zeigen EVOCATION mit Songs wie 'The Dead' und 'Feed The Fire', dass sie mit ihrem Album “Tales From The Tomb” wortwörtlich ihrem Grab entstiegen sind und dass sie mit ihrem im Oktober 2008 erscheinenden Album noch einige Leichen aus dem Keller holen können.
[Marko Seppä]

Wahnsinnig groß sind sie während der letzten Jahre geworden, die Jungs von AS I LAY DYING, daher scheint der vergleichsweise optimale Platz im Billing zumindest vom Erfolgsstatus her betrachtet auch gerechtfertigt. In der Wacken-Draufsicht schaut's allerdings ein wenig anders aus, denn zumindest der Bereich hinter dem ständig agilen Pit lichtet sich vor dem Gig der Metalcore-Hopefuls ein klein wenig. Die Band lässt sich davon aber nicht irritieren und zieht ihren brachialen, teilweise auch melodischen Stoff kompromisslos durch, leidet aber unter dem gleichen Problem wie so viele andere Bands heute: dem Sound. Vor allem das detailreiche Programm der Lead-Gitarren verschwindet in den schnelleren Parts immer wieder im derben Gesamtgeböller und lässt die tatsächlichen Qualitäten der Band teilweise nur erahnen. Allerdings punktet die Truppe beim Publikum mit einer immensen Brachialität, die das gerade heute sehr rege Circle-Pit-Treiben weiter in Gang hält. Nichtsdestotrotz hat man AS I LAY DYING auch schon besser erlebt.
[Christoph Jansen]

Ohne viel Wirbel beginnen ENEMY OF THE SUN ihren kurzen Gig auf der W.E.T. Stage. Erst 2006 formierte sich die Thrash- und Progressive-Metal-Band. Im Dezember letzten Jahres veröffentlichten sie ihr Debütalbum "Shadows“. Acht Songs spielen sie heute: Darunter 'Weak’ und 'Twenty Tree Feet’. Sänger Jules Neväri wechselt dabei oft zwischen Gegröle und melodiösem Gesang. Dem Publikum - auch wenn das Zelt maximal zu einem Viertel gefüllt ist - gefällt das, was ENEMY OF THE SUN machen, mehr als gut. Vom ersten Moment an machen die Metalheads mit. Es herrscht eine ungewöhnlich gute Stimmung, kein Wunder, dass Jules auf der Bühne so abgeht. Die Vierer-Combo gehört mit zu den positiven Überraschungen der neueren Metalbands.
[Franziska Böhl]

Die Pathologen-Urgesteine schlechthin sind da! Lange war die CARCASS-Reunion angekündigt, und nun darf ich sie das zweite Mal (davor in Slowenien auf dem Metalcamp) miterleben. Und wie kann es da anders sein, als dass jene Kollegen nur Brecher raushauen, die die Fans zum Toben bringen? Jedenfalls habe ich hier meinen Spaß. Der weite Abstand zur Bühne ist dabei sehr angenehm. So komme ich wenigstens nicht in die Bereiche der kochenden Moshpits. So ziemlich jeder kommt bei diesem spielerisch und soundtechnisch hervorragenden Gig vollkommen auf seine Kosten. Die zufriedenen Gesichter und die fliegenden Haare bestätigen dies zumindest. Dies ist aber auch nicht verwunderlich, schließlich wird hier Old-School-Patho-Grind auf höchstem Niveau vorgetragen. Ein sehr toller Gig!
[Sebastian Schneider]

Das lässt sich laut sagen, weil Songs wie 'Buried Dreams' oder 'Keep On Rotting In The Free World' auch Jahre nach Entstehung keine Abnutzungserscheinungen zeigen. Außerdem kommt mit Angela Gossow die Growl-Queen von ARCH ENEMY für einen Song mit auf die Bühne; der Doppelgesang mit Jeff Walker funktioniert großartig. Wie der Nacken danach wehtut, harhar ...
[Henri Kramer]

Nun ja, möglicherweise sind diese Schmerzen auch nur darauf zurückzuführen, dass man während der gesamten Show unmutig mit dem Kopf schütteln muss. Bei CARCASS stehen meines Erachtens die hohen Erwartungen und die tatsächliche Darbietung in einem krassen Gegensatz. Das Feuer solcher Bands wie OBITUARY oder AT THE GATES legen die Briten nämlich heute keinesfalls an den Tag und sorgen stattdessen für gepflegte Langeweile.
[Björn Backes]

Zum Gig von KRYPTERIA hat sich doch eine beachtliche Menge an Zuhörern eingefunden, obwohl gleichzeitig CARCASS alles niederwalzen. Mit 'Sweet Revenge' beginnt ein geiles Konzert, und die Besucher gehen von Beginn an mit. Nix da, von wegen "Erst mal sehen, was hier so passiert". Frontfrau Ji-In legt mit ihren Mannen ein ordentliches Tempo an den Tag. Neben der Begrüßung gibt es nicht viel Gesprächsstoff zwischen den Songs zu verkünden. Das ist auch gut so, denn schließlich wollen wir alle der Musik lauschen. Das Album "Bloodangel's Cry" wird ausgiebig beackert, wobei eher die schnellen Nummern vom Stapel gelassen werden. So reißt die ausgelassene Stimmung im Publikum nie ab, und die knappe Stunde Spielzeit vergeht wie im Fluge. Leider gibt es noch keinen musikalischen Vorgeschmack auf das neue Album, das Anfang 2009 erscheinen soll.
[Swen Reuter]

Zwischen den beiden Reunion-Shows von AT THE GATES und CARCASS ist es vor den beiden Hauptbühnen mit einem Mal recht ruhig geworden, weshalb die ersten Minuten des KILLSWITCH ENGAGE-Gigs auch nur verhalten aufgenommen werden. Dies ändert sich allerdings schlagartig, als Frontmann Howard die Menge zur Wall of Death bittet. Mit einem Mal rotiert der Pit ohne Unterlass, aber auch die Stimmung auf der Bühne erreicht schlagartig ein Niveau, das dem eines Headliners gleicht. Die KSE-Recken überzeugen dabei vor allem durch ein sympathisches, authentisches Auftreten, welches abseits der längeren Ansagen vor allem in den zahlreichen Highlights von “The End Of Heartache“ gipfelt. Der wohl beste Silberling der Band wird knapp zur Hälfte dargeboten und erstaunlicherweise auch lautstark begleitet. Nicht jeder konservative Metalhead scheint sich hier in den vergangenen Jahren der Moderne abgewandt zu haben.

Wie auch immer, mit Stücken wie ’A Bid Farewell’, ’The End Of Heartache’ und natürlich ’My Last Serenade’ lässt sich der Mob richtig schön lenken, so dass auch jedermann Jones’ wechselnden Aufforderungen an den Pit nachkommt. Action gibt’s vorne jederzeit, und als der Sänger dann auch noch ankündigt, für das letzte Video der aktuellen Platte (’Absolution’) an Ort und Stelle ein Video mitzuschneiden, gibt es kein Halten mehr. Doch KILLSWITCH ENGAGE wären nicht KILLSWITCH ENGAGE, könnten sie nicht trotzdem noch einen draufsetzen. So gibt es als Zugabe "for all the old school metalheads out there" eine heftigere Variante von DIOs ’Holy Diver’. Jawoll, Jungs, Ernte eingefahren, bitte bald wiederkommen!
[Björn Backes]

Jung, dynamisch und total war! WARBRINGER aus Kalifornien geben ihre Wacken-Premiere auf der W.E.T. Stage, und das mit einem Thrash-Metal-Inferno. WARBRINGER bolzen sich durch ihr Erstlingswerk "War Without End“ mit Songs wie 'Total War', 'At The Crack Of Doom' oder 'Shoot To Kill'. Im Circle Pit ist die Hölle los. Voll auf die Fresse gibt auch John Kevill am Mikro mit seinen knackigen Ansagen. Nachdem sämtliche Schmidts Katzen abgegangen sind und das Zelt in seine Einzelteile zerlegt ist, bleibt mir nur als Fazit: endlich mal eine junge Thrash-Band, die ass kickt!
[Stefanie Rudolph]

Nachdem CARCASS ihren Auftritt aus meiner Sicht zuvor ordentlich in den Sand gesetzt haben, ist es nun an der zweiten Pioniervereinigung für den heutigen Tag, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Ein gewisser Druck lastet dabei sicherlich auf den Schultern der Herren Jensen und Lindberg, jedoch folgt hier schon während des Auftakts der intensive Befreiungsschlag. Mit Stücken wie ’Slaughter Of The Soul’ und ’Terminal Spirit Disease’ behaupten AT THE GATES konsequent ihre Ausnahmestellung und zeigen sich auch ein knappes Jahrzehnt nach dem endgültigen Schwanengesang als dominanter Live-Act. Folgerichtig geht auch im mittlerweile recht schlammigen Pit einiges, wobei sich die Jungs und Mädels in den ersten Reihen trotz des anhaltenden Regens nicht wirklich schonen. Bei ’Nausea’ und ’Suicide Nation’ geht schließlich die Post ab, bevor dann mit dem standesgemäßen ’Blinded By Fear’ das denkwürdige Finale einer absolut legendären Show eingeleitet wird. Unverständlich also, dass die Reunion eine einmalige Sache bleiben soll. Wer sein Erbe nämlich so lebendig und engagiert weiterführt, ohne dabei das eigene Vermächtnis mit Schmutzflecken zu besudeln, der sollte auch zukünftig die Festival-Bühnen rocken. Dieser Auftritt ist zumindest die bisherige Krönung des heutigen Tages!
[Björn Backes]

Der Platz im Zelt ist leider nur spärlich gefüllt, als die vier Brasilianer von TORTURE SQUAD die Bühne entern. Die Gewinner der Metal-Battle aus dem vergangenen Jahr sind nun auch schon seit fünfzehn Jahren im Geschäft, überzeugen die Anwesenden voll und ganz. Ihre Mischung aus Death- und Thrash-Metal prügelt sich in die Gehörgänge, und in den ersten Reihen gibt es bald kein Halten mehr, so dass von weiter hinten nur noch fliegende Haare zu sehen sind. Musikalisch stehen natürlich die Songs aus dem im Januar erschienenen Album "Hellbound" im Vordergrund. Viel zu schnell ist's dann auch schon wieder vorbei. Fazit: eine rundum gelungene Show, die Lust auf mehr macht!
[Matthias Köppe]

Natürlich, die fast zeitgleich spielenden NIGHTWISH mit der neuen Stimme sind schon der ziemliche Horror, doch wer sich wirklich gelungen gruseln will, ist mit dem Geheimtipp des Festivals, DREAM OF AN OPIUM EATER, um einiges besser bedient. Das Projekt, bestehend aus Ben Calvert (KILLING JOKE), Ivar S. Peersen von ENSLAVED, Reuben Gotto (TWIN ZERO) sowie Johnny Truant und Julia Ruzicka von MILLION DEAD, liefert eine Show ab, die viele der Anwesenden noch nachhaltig beeinflussen wird. Ihre eingespielten kurzen Stummfilme spielen nämlich lieber mit subtilen Horror als mit großen Splattereffekten. Da es natürlich keine Worte gibt, darf sich der Zuschauer selber zusammenreimen, was da gerade vor seinen Augen abgeht. Egal, ob jetzt jemand sein Baby ertränkt (meine Interpretation), bei vollem Bewusstsein operiert wird (wie gesagt, das habe ich da rausgelesen) oder auf der Suche nach seinem Freund hingemeuchelt wird: Was da, unterstützt von dem immer stärker ansteigenden Gemisch aus Doom- und Death Metal, auf den Zuschauer losgelassen wird, ist nicht von Pappe (Gerüchte besagen, dass es einigen Leuten schwindlig wurde. Zu viel Bier?). Die intensive Mischung aus Musik und gutem subtilen Horror pflanzt sich perfekt in die Herzen der Zuschauer und lässt nur einen Wunsch offen: MEHR!!!
[Lars Strutz]

Langsam rückt mit dem Konzert von NIGHTWISH derweil das Ende eines gigantischen Festivals näher. Der Auftritt der Finnen lässt das Gelände noch einmal regelrecht überquellen. Laut unbestätigter Meldungen meiner sympathischen, aber leider nicht näher bekannten Nachbarin sollen sich noch mehr Menschen als bei IRON MAIDEN hier tummeln, und die Eingänge seien wohl auch dicht. Keine Ahnung, was davon stimmt. Nur eins weiß ich: Der Bierstand neben mir hat geöffnet.

Seit dem Rauswurf von Tarja sind die Lager gespalten. Einige meinen, dass es ohne Frau Turunen nicht mehr NIGHTWISH ist und Anette gesanglich ihr nicht das Wasser reichen kann, während andere einfach nur froh sind, dass es eine "Heulboje" weniger gibt. Aber eins muss jeder eingestehen: Anette wirkt auf der Bühne wesentlich sympathischer, sucht immer wieder die Nähe zum Publikum und albert mit den Jungs herum; das bestätigt sich auch heute Abend.

Gestartet wird fulminant mit 'Bye Bye Beautiful', was bei der Menge gleich gut ankommt: Der Band schlägt ein wahrer Begeisterungssturm entgegen. 'The Poet And The Pendulum' trifft die Hörer mit einer unglaublichen Härte, da hier zünftig Druck gemacht wird. Da fällt es auch nicht sehr ins Gewicht, dass einige Songs etwas übersteuert wirken. Etwas ruhiger wird es erst mit 'While Your Lips Are Still Red'. Anette überlässt den Jungs das Feld, damit sie die Ballade mit Gänsehaut-Feeling spielen können. Einfach klasse! Viel Sentimentalität ist aber nicht drin, denn es folgt 'Wishmaster'. Der Abschluss des Gigs wirkt etwas abrupt, und mit 'Wish I Had An Angel' verabschieden sich NIGHTWISH vom Publikum unter tosendem Applaus. Zugabe: Fehlanzeige. Da wäre zeitlich noch was drin gewesen; das hat den wunderbaren Auftritt ruiniert. Schade eigentlich, denn Anette hat einen super Job gemacht, wenn auch die alten Songs teilweise gewöhnungsbedürftig klingen.
[Swen Reuter]

Noch einmal wird nun die W.E.T. Stage zerlegt. Dieses Mal sind WATAIN an der Reihe, die als Black-Metal-Band wieder hunderte Fans anziehen, wodurch ein Teil sogar nur von draußen zuhören kann - und zumindest den Schluss von NIGHTWISH ertragen muss, deren trällernde Nervmusik das "böse" Feeling von WATAIN gehörig zerstört. Als die finnische Shampoo-Metal-Institution allerdings endlich vorbei ist, können die schwedischen Satansbraten aufdrehen. Das ist nicht schwer: Songs wie 'Satan's Hunger' gehören zum Besten, was die skandinavische Black-Metal-Szene derzeit bereithält. Beleuchtet von schummerigen Kerzen bereiten die schwarz-weiß geschminkten WATAIN-Musiker so ein wunderbares Massaker: kraftvoll, schnell, erfüllt von roher Kraft. Und noch etwas ist wichtig: Skandale wie erhobene rechte Arme bleiben aus. Denn trotz aller musikalischer Genialität stehen WATAIN immer noch unter Bewährung.
[Henri Kramer]

Am Samstagabend ist die W.E.T. Stage tatsächlich für zwei Stunden unter schwedischer Herrschaft. Nach WATAINs schwarzer Messe ist es nun an der Zeit für LORD BELIAL, ihre Beschwörungen über die wenigen verblieben Black-Metal-Maniacs hereinbrechen zu lassen, die WATAIN übrig gelassen haben. Die tiefschwarzen Herzen der anfangs ruhigen und erschöpften Masse werden mit melodischen und schnellen Black-Metal-Blasphemien lange gefügig geknetet, bis sich die vordersten Ränge geschlossen einer ekstatischen Headbangerorgie hingeben und LORD BELIAL somit trotz Publikumsschwunds einen gelungenen Gig attestieren.
[Marko Seppä]

Währenddessen: KREATOR! Es hat sich nichts verändert. Die deutschen Kult-Thrasher sind zwar ein wenig älter geworden, aber keineswegs leiser und langsamer. Das Live-Programm und die Songauswahl deckt sich mit der vom letzten Jahr. Und so ballern KREATOR 'Violent Revolution', 'Pleasure To Kill' sowie 'Enemy Of God' in die begeisterte Menge. In die Vollen geht's auch bei 'Extreme Aggression' und 'Reconquering The Throne'. Ein wenig verwirrt bin ich auf die Frage einer älteren Frau aus dem Publikum. Sie möchte wissen, ob KREATOR aus Amiland kommen? Schmunzelnd verwirrt bin ich auch bei den englischen Ansagen von Mille. Weniger ist manchmal eben wirklich mehr. Zur Zugabe ist es an der Zeit, die Hass-Flagge zu hissen und zwei abschließende Songs vom "Endless Pain“-Debüt rauszukloppen. Zu 'Flag Of Hate' und 'Tormentor' flimmern im Hintergrund Bilder aus der Bandhistorie von der Videowand im Wechsel mit der momentanen Liveübertragung. Mit Ankündigung des neuen Albums für den kommenden Januar verabschieden sich die Jungs getreu dem Motto: Thrash till death!
[Stefanie Rudolph]

Wer auf klassischen Power Metal oder Hardrock steht, ist bei AXXIS an der Party Stage genau richtig. Die außergewöhnliche Stimme des Frontmannes Bernhard Weiß zeichnet die Musik mit aus und gibt ihr einen charakteristischen Klang. Mit ihrer Show zeigt das Quartett, was noch in ihren alten Knochen steckt. Dabei präsentieren sie einen bunten Mix ihrer Hits von 1989 bis 2007 und schließen die Show mit dem GARY DE CARLOS-Cover 'Na Na Hey Hey Kiss Him Goodbye' ab. Die Stimmung im Zuschauerraum wird auch durch das Wetter nicht getrübt, der Auftritt ist ein sehenswertes Ereignis.
[Svenja Kriegel]

Pünktlich mit dem einsetzenden Regen erstürmen die fünf Mutanten von LORDI die Bühne. Vermutlich sind doch Menschen hinter den aufwändigen Masken, aber das ist nur ein Gerücht. Die Arockalypse startet, und spätestens beim dritten Song 'Who's Your Daddy' ist die Party in vollem Gange. Allein die Kostüme sind eine Augenweide. Eine spektakuläre Show nimmt ihren Lauf, und alles, was kann, versprüht Feuerwerk, wie die Drumsticks, die Streitaxt oder das Riesenzepter. Ein rauchender Totenkopf, ein Bündel mit Armen, Beinen und einem noch blutigen Kopf oder auch ein Eimer mit Blut und Fleisch (??) verschönern das Ganze noch optisch. Kleine Spielchen mit dem Publikum heizen die Stimmung weiter an. 'Would You Love A Monsterman?' beantworten die meisten weiblichen Zuschauer mit einem lauten Ja! 'Bringin Back The Balls To Rock' geht ungemein ab. 'Devil Is A Loser' - das wissen hier eh alle! Deswegen wird dazu auch ein Chor angestimmt.

Ein weiteres Highlight ist 'They Only Come Out At Night', bei dem die Band von einer Metal-Legende unterstützt wird. Als "The German Tank" angekündigt, steht Udo Dirkschneider (ACCEPT, U.D.O) in Uniform auf der Bühne und trägt einen nicht unerheblichen Teil dazu bei, dass diese verrückten Finnen nun langsam zum totalen Abräumer werden. Zum krönenden Abschluss des Festivals und der eigenen Show ertönt der Gewinner-Song des "Eurovision Song Contests 2006": 'Hard Rock Hallelujah', der wohl größte Erfolg der Band, lässt das Publikum noch ein letztes Mal zur Höchstform auflaufen. Was für ein geniales Ende des Festivals! Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht und sichtlich erschöpft verlassen die Besucher langsam das Gelände. Dieser Auftritt war ganz großes Kino!
[Matthias Köppe]

Doch eigentlich geht noch mehr. Viele seltsame Sachen passieren. Eines dieser Dinge hat Kollege Swen erlebt: "Am Sonntag spät abends im Backstage-Toilettencontainer gab's ein Gespräch zwischen einem, der auf dem Lokus saß, und einem, der draußen stand. Dem 'Sitzenden' war völlig unerklärlich, wieso er aufs Klo musste, denn er hatte sich ja tagelang nur von 'Flüssignahrung' ernährt. Nach einer kurzen Philosophie-Phase verabschiedete sich draußen der Gesprächspartner mit den Worten: 'Da wünsch ich dir noch viel Erfolg bei der Befreiung Nelson Mandelas!' Worauf alle Anwesenden tierisch abfeierten." Es sind auch solche Erlebnisse, tausendfach von Tausenden erlebt, die wohl das Flair des Wacken Open Airs ausmachen. Und die jetzt schon wieder für klingende Kassen sorgen. Denn ohne das eine Band wirklich feststeht, sind kurz nach dem Fest schon wieder die ersten 10000 Tickets für das Jubiläumsfestival im August 2009 verkauft. Wichtig ist dabei vor allem eines: Schon kurz nach dem Fest betonen die Veranstalter in einer Mitteilung, dass "das Wacken Open Air nicht größer werden wird". Mit einer Teilnehmerzahl von 75000 sei die "maximale Grenze" erreicht. Sollten also METALLICA wirklich bestätigt werden, könnte es dieses Jahr noch schneller ausverkauft sein. Es scheint, als ob die entstandene Goldgrube im Norden Deutschlands wirklich endlos tief ist.
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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