Wave-Gotik-Treffen - Leipzig

09.07.2011 | 02:22

09.06.2011, diverse Veranstaltungsorte

Zum zwanzigsten Mal taucht Leipzig in ein Meer aus Schwarz.

Bei der Ankunft am Donnerstag gibt es gleich den ersten Schock. Keine Autoschlange am Vormittag, die darauf wartet, auf das AGRA-Gelände zu kommen. Was ist denn jetzt passiert? Kein gemütlicher Start mit Warten am Auto und dem obligatorischen Eröffnungsgetränk? Stattdessen einfach reinfahren und Zelt aufbauen. Tja, es wurde schon am frühen Morgen das Tor geöffnet und so gibt es keine großen Wartezeiten wie sonst. Ein erstes Geburtstagsgeschenk an die Besucher? Jedenfalls gestaltet sich dadurch der Zeltaufbau mehr als relaxt und damit geht es pünktlich in die AGRA-Halle.

DAS ICH haben die Ehre, das zwanzigste WGT zu eröffnen. Allerdings wird die Vorfreude auf das Festival jäh zerstört. Es geht nicht wie angedacht gegen 18:00 Uhr los, sondern die Besucher lesen auf der Leinwand, dass der Auftritt verkürzt wurde, da Sänger Stefan Ackermann schwer erkrankt ist. Dieser Dämpfer sitzt gewaltig bei den Fans. Gut 20 Minuten später erscheinen die Band und Bruno Kramm unter viel Beifall. Bruno Kramm richtet zu Beginn ein paar Worte an die Fans und wie es scheint, steht es um Stefan schlechter als angenommen. Er hat sich jedoch mit ihm geeinigt, das Konzert zu machen und so sollen alle ihre positive Energie zu Stefan senden. Wollen wir hoffen, dass es hilft, denn obwohl der Auftritt mit hervorragenden Musikern bestritten wird, spürt man das Fehlen des Sängers allen Ortes. Also gute Besserung Stefan!

Los geht es mit 'Das dunkle Land' zu dem die Sängerin Vic Anselmo ans Mikro tritt. Nach kurzer Zeit hat sich das Publikum wieder gefangen und es baut sich eine gute Stimmung auf. FAIRSEX-Sänger Myk Jung unterstützt die Band bei 'Kain und Abel'. Auch Oswald Henke ist mit von der Partie und gemeinsam mit Myk performen sie 'Gottes Tod'. Bevor das Konzert zu Ende geht, fordert Bruno Kramm alle auf so laut zu schreien, dass es Stefan Ackermann im Krankenhaus hören kann. Die Menge kommt dem nach und zusammen mit der Band schreien alle lauthals "Stefan!". Mit 'Destillat' beendet die Band den Auftritt, der gesanglich von Vic und Myk bestritten wird. Damit ist der Einstand in das WGT 2011 gelungen, wenn auch mit einem bitteren Beigeschmack.

"Neues aus der Anstalt" oder besser gesagt HENKE spielt GOETHES ERBEN, gibt es ebenfalls zum Geburtstag. Die Bühne erstrahlt in einem Kerzenmeer und oben thront die sagenumwobene Holzkiste. So apathisch wie Herr Henke ab und an über die Bühne flitzt, könnte man vermuten, dass er bis eben noch in selbiger saß und nun herausgelassen wurde. Sein Auftritt wird zur Zeitreise durch die Bandgeschichte und die Fans können sich dabei über den 'Zinnsoldaten' oder 'Iphigenie' freuen. Geradezu rastlos ist der Sänger, rennt wie angestochen bei 'Märchenprinzen' über die Bühne, und zeichnet seinen Gitarristen mit einer Krone aus. 'Das schwarze Wesen' oder 'Vermisster Traum' runden diesen grandiosen Auftritt ab, bei dem sich Meister Henke selbst übertrifft. Das scheint wohl sein persönliches Geburtstagschenk an das WGT zu sein.

Nicht ganz so dynamisch geht es auf der Bühne bei THE ETERNAL AFFLICT zu. Während Keyboarder Mark größtenteils hinter seinem Instrument ruhig verharrt, muss Sänger Cyan die Show allein meistern. Die Halle ist wesentlich leerer, doch die Fans des Duos interessiert das weniger. Schließlich bleibt da mehr Platz zum tanzen. Zu alten und neuen Songs gibt es auf der Leinwand abgedrehte Videos. Die Lieder vom letzten Album "Ion" werden dabei etwas verhaltener mit Beifall bedacht. Dagegen zünden die Oldies 'Agony I Like' oder 'Door To My Pain' wesentlich besser. Als mit 'San Diego' der Kulthit der Band erklingt, sind alle aus dem Häuschen und feiern ihre Helden der Jungend.

Der erste Konzerttag neigt sich langsam dem Ende entgegen. Beim folgenden Auftritt mischen sich zwiespältige Gefühle ins Geschehen. Die Band, die nun kommt, spielt ihr erstes Konzert seit 1999, was gleichzeitig das Abschiedskonzert sein soll. Eigentlich gibt es LOVE LIKE BLOOD schon lange nicht mehr, aber da sie sich nie so richtig von ihren Fans verabschiedet haben, soll das an diesem runden Geburtstag passieren. Die Spannung ist groß, auf das, was kommen mag. Wie sehen die Jungs mittlerweile aus und können sie noch den Zauber vergangener Tage auf der Bühne verbreiten?

Um es kurz zu machen: JA! Es ist genau das eingetroffen, was jeder Fan heimlich gehofft hat. Jörg Eysel singt immer noch wie ein junger Gott, dem die Damen reihenweise zu Füßen liegen. Bei den ersten Songs stehen zwar die Bandmitglieder ein wenig unbeholfen herum, doch schon bald platzt der Knoten und alle sind wieder in ihrem Element. Der Sound ist für die AGRA-Halle bestens und so kann jeder bei Gothic Rock vom Feinsten in Erinnerung schwelgen. Und das Schönste ist: Es klingt noch alles so wie früher! Da stellt sich die Frage: Waren LOVE LIKE BLOOD wirklich so lange weg? Wer die Band das erste Mal sieht, würde das nie vermuten. Mit 'Johannesburg' oder 'Fallacious World' werden die Fans mit in die Vergangenheit genommen. Auch das ruhige und atmosphärische 'Dear Catherine' kann die Menge begeistern. Das finale DAVID BOWIE-Cover 'Heros' wirkt wie ein Statement von LOVE LIKE BLOOD. Ja, sie sind an diesem Abend die Helden, die mit einem perfekten Gig in Leipzig glänzen und mit ruhigem Gewissen "Good Bye!" sagen können. Oder doch nicht? Vielleicht haben sie nach diesem phantastischen Auftritt wieder Lust, ab und an ein Konzert zu geben. Wenn ja, wäre das toll, denn selten kann eine Band nach solch langer Zeit auf der Bühne begeistern, wie LOVE LIKE BLOOD. Da merkt man wieder einmal, wer es eben drauf hat und wer nicht.

Redakteur:
Swen Reuter

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