Way Of Darkness - Lichtenfels
20.10.2019 | 12:5304.10.2019, Stadthalle
Bereits im zweiten Jahr lassen die Party.San-Macher das Kultfestival wieder aufleben und fahren diesmal mit den Headlinern NILE und MARDUK große Kaliber auf.
Hallenfestivals haben einen ganz besonderen Vorteil: Wer aufs Übernachten im unterkühlten Zelt oder in der überfüllten Schlafhalle gerne verzichtet, gönnt sich eines der Hotels rund um das gänzlich ausgebuchte Lichtenfels. Zum samstäglichen Frühstück im Nachbarort erst mal die Wurst aus eigener Herstellung der Pension kosten, während von draußen lautstarke Sirenen herein schallen. Steht MARDUK etwas verfrüht auf der Bühne? Scheinbar nur ein Testalarm der örtlichen Feuerwehr, allerdings soll uns das Thema Sirenen noch öfter im Lauf des Tages verfolgen. Also nichts wie hin zur Stadthalle, wo sich der Kollege Hermann bereits aus seinem fahrbaren Hotel namens Automobil geschält hat, um sich die ersten Bands des heutigen Tages reinzuziehen.
Der Samstag beginnt bereits um 12.30 Uhr mit HELL:ON aus der Ukraine. Als die Osteuropäer mit ihrer Mischung aus Thrash und Death Metal loslegen, dauert es nicht lange, bis immer mehr Zuschauer in die Stadthalle strömen, um sich die Müdigkeit aus dem Körper vertreiben zu lassen. Die Musik ist definitiv nicht von schlechten Eltern und auch die Bühnenshow kann sich sehen lassen, da freut man sich doch glatt auf die tollen Bands, die heute noch auftreten werden.
Mit PRIPJAT aus Deutschland wird ein weiterer Angriff auf die Nackenmuskeln der Zuschauer gestartet, denn der Thrash Metal, den die Jungs da raushauen, macht auch um diese frühe Uhrzeit schon Laune und dürfte den einen oder anderen ziemlich überrascht haben. Auch auf der Bühne machen die Jungs richtig Spaß und dürften damit sicher einen bleibenden Eindruck bei den meisten Zuschauern hinterlassen haben.
Dann schallt ein wolfsähnliches Heulen durch die Halle: Die Multikulti-Truppe INDIAN NIGHTMARE serviert punkigen Speed Metal, hier trifft musikalisch VENOM auf optisch ALICE COOPER, plus jede Menge Nieten und Ketten, eine irre Show. Der mexikanische Sänger Ome alias Poison Snake wirft zum schnellen 'Bastions Of Nightmares' sein Mikro in die Luft und fängt es lässig hinterm Rücken, klettert auf die Boxen im Bühnengraben und lobt ausdrücklich die Organisatoren des Festivals: "They really care about you!" Die Wahl-Berliner haben mächtig Spaß und umarmen sich immer wieder lachend während des Gigs. Wahrscheinlich wären sie ebenso stolz, wenn sich auch nur drei Leute für ihre Musik interessieren würden. Stattdessen ernten sie massig Applaus und feuern sich mit ihren Fans gegenseitig an. Zum Abschluss wünscht Ome den Anhängern allen denkbaren Erfolg im Leben und haut noch eine antifaschistische Botschaft raus. Beim Abgang von der Bühne schallt die alte JOURNEY- und Red Wings-Hymne 'Don't Stop Believin'' durch den Saal. Hätte nicht gedacht, dass einem bis auf wenige Ausnahmen eher zum Achtziger-Muffel Tendierenden wie mir dieser Gig soviel Spaß bereiten würde. Letzteren haben die Jungs dann auch noch bei der anschließenden Autogrammstunde, albern mit den Schlange stehenden Fans rum und spendieren ihnen Kurze. Echt sympathische Truppe!
Um halb vier füllt sich auch die Tribüne erstmals an diesem Tag ordentlich, und schließlich steht mit CHAPEL OF DISEASE meine persönliche Neuentdeckung des Festivals auf der Bühne. Der Kollege Hermann hat mich bereits "vorgewarnt" ob der Komplexität und Unbeschreiblichkeit des nun Folgenden. Und tatsächlich lässt die Musik der vier Kölner einem von Beginn an die Kinnlade runterklappen. PINK FLOYD trifft technischen Death Metal? Da erklingen im grandiosen Opener 'Void Of Words' nach einem epischen Intro immer wieder bluesige Gitarrensoli, welche von den Jungs so locker aus dem Ärmel geschüttelt werden, dass es eine wahre Freude ist. Später werden neben ruhigeren, psychedelischen Stellen auch kurze Doom-Passagen eingestreut. Was aber noch getoppt wird, wenn Gitarrist und Sänger Laurent mit seinen Werner-Stiefeletten nebenbei eine Fußorgel bearbeitet. Das Quartett zaubert eine dermaßen intensive Atmosphäre auf die Bühne, dass die gänzlich fehlenden Ansagen – mit Ausnahme eines gegrunzten Songtitels – gar nicht weiter auffallen. Zum abschließenden, anfangs ruhigeren und dann vorwärts rockenden 'Song Of The Gods' klatscht das begeisterte Publikum eifrig mit. Wem OPETH oder PARADISE LOST zu soft geworden sind, der sollte diese Jungs auf jeden Fall mal anchecken. Für mich die ganz große Überraschung des Tages!
Wer bei all dem gebotenen Geschredder und Geprügel Bock auf etwas klassischere Klänge bekommt, darf sich nun auf die Show von METAL INQUISITOR freuen. Die sympathischen Rheinländer machen bereits seit über zwanzig Jahren die Bühnen dieser Welt unsicher und geben auch in Lichtenfels von Beginn an Vollgas. Schaut man den Jungs zu, könnte man fast denken, dass die Zeit stehengeblieben wäre, so wie die auf der Bühne abgehen. Neben Songs von der aktuellen Scheibe "Panopticon" kommen natürlich auch ältere Nummern zum Zug. Die musikalische Abwechslung wird auch vom Publikum dankend angenommen, die Stimmung ist (wie bei allen Bands bisher) einfach super. Die witzigen Ansagen von Frontmann El Rojo runden den positiven Gesamteindruck perfekt ab, METAL INQUISITOR kann auf dem WAY OF DARKNESS 2019 mit einer mitreißenden Show und klasse Songs überzeugen und zeigt den extremen Kollegen, wo der stählerne Hammer hängt.
Setliste: Free Fire Zone; Burn Them All; Beyond Nightmares; Call The Banners; Discipline And Punish; Doomsday For The Heretic; Persuader; Daze Of Avalon
Dann folgt ein Auftritt, der von manchem im Publikum im Vorfeld als "Pflichtprogramm" bezeichnet wird: Die Nordrhein-Westfalen SULPHUR AEON servieren düsteren, melodischen Death Metal mit leichtem Dark und Black Metal-Einschlag. Der Opener 'Cult Of Starry Wisdom' brettert aus den Boxen und wechselt gekonnt zwischen Growls, mönchsartigem Klargesang, Geblaste und fast schon majestätisch anmutenden Gitarrenmelodien. Neben Sänger Martin alias "M.", der inbrünstig seine okkulten Texte ins Mikro schnaubt und den Fans immer wieder seine Hand entgegenstreckt, zieht vor allem der schwergewichtige Basser und Backgroundsänger "S." mit seiner noch voluminöseren Lockenmähne die Blicke auf sich. Während die Anhängerschaft reihenweise mitbangt, runden die schwenkenden Scheinwerfer das düstere Bühnenbild ab. Ein ziemlich schwarzer Bastard, den das überwiegend dunkle Gewänder tragende Quintett hier abliefert und mit 'Thou Shalt Not Speak His Name' einen grandiosen Schlusspunkt setzt. Das mit dem "Pflichtprogramm" war nicht übertrieben. Top!
Mit DARKNESS aus Nordrhein-Westfalen (Essen-Altenessen um genau zu sein) geht es in der Stadthalle in Lichtenfels weiter. Die Band wurde bereits 1984 gegründet und war zwischenzeitlich auch mal unter dem Namen EURE ERBEN unterwegs. Als DARKNESS wurden immerhin fünf Studioalben veröffentlicht sowie mehrere Demos, EPs und Kompilationen. Ebenso furios wie bei der Musik geht DARKNESS auf der Bühne ans Werk. Die eigene Musik wird zelebriert und die Matten werden geschwungen, dass es einfach viel Spaß macht, dabei zuzusehen. Man merkt, dass die Jungs verdammt viel Bock haben und es lieben, auf der Bühne zu stehen. Das Publikum lässt sich davon natürlich gerne infizieren und feiert jeden Songs von DARKNESS gebührend ab. Wie es leider immer so ist, geht die Show dann auch viel zu schnell zu Ende. Schade, das hätte ich mir gerne noch länger angeschaut. Hammer Auftritt von DARKNESS und ein weiteres Highlight für mich beim WAY OF DARKNESS 2019.
Mit CANCER recken sich die Hörnchen dann für eine Band in die Luft, die trotz einiger Auflösungen brutto bereits seit über dreißig Jahren existiert und die Bühnen bereits mit Bands wie OBITUARY oder DEICIDE geteilt hat. Seine ganze Death-Metal-Erfahrung steckt das Trio sogleich in den Oldschool-Opener 'Cancer Fucking Cancer', und musikalisch klingt das auch ziemlich tight. Optisch lässt die Show aber einiges zu wünschen übrig, das haben andere Bands trotz zahlreicher Lenzen auf dem Kerbholz schon deutlich besser hinbekommen. Das liegt vor allem daran, dass Sänger und Gitarrist John Walker ganz links sowie Basser Ian Buchanan rechts jeweils ihr eigenes Süppchen kochen. Vielleicht wollen sie so den Blick auf ihren inzwischen weißhaarigen und Sonnenbrillen tragenden Drummer freigeben, mitreißen kann das zumindest mich aber nicht wirklich. Während John links außen fast eine One-Man-Show durchzieht – die allerdings auch nur aus drei Schritten zurück, Solo, kurz bangen und wieder ans Mikro besteht – nickt sein fast schlumpfig wirkender Bassist nur ein wenig aus dem Takt mit dem Kopf und versucht etwas unbeholfen, zumindest gelegentlich die Fans anzufeuern. Hin und wieder gibt es einen flüchtigen Blickwechsel zwischen den beiden, ansonsten findet allerdings null Interaktion statt. Da liefern andere Bands auch nur zu dritt deutlich mehr Bühnenpräsenz. Immerhin lobt John das deutsche Bier als das beste der Welt und die Fans in der Halle gehen auch ordentlich ab. Denn wie gesagt, musikalisch gibt es absolut nichts auszusetzen. So bekundet der Kollege Hermann dann auch, dass die Briten aus dem benachbarten VIP-Zelt gehört eigentlich recht gut klingen. Für eingefleischte Anhänger sicher eine recht sehenswerte Perle alter Zunft, für mich persönlich an diesem Abend aber eher enttäuschend.
Als nächstes steht der Auftritt einer weiteren Legende auf dem Programm. EXHORDER aus New Orleans betritt die Bühne. Der Truppe wird oft die Erfindung des groove-orientierten Thrash-Stils zugeschrieben, welcher in den 90ern vor allem durch Bands wie PANTERA oder MACHINE HEAD bekannt wurde. Mit leeren Händen sind die Amerikaner nicht nach Lichtenfels gereist, im Gepäck hat man das frisch erschienene Album "Mourn The Southern Skies" sowie natürlich auch Songs der beiden Vorgänger "The Law" und "Slaughter In The Vatican". Die Bühnenshow von EXHORDER steht denen der Kollegen in nichts nach, vor allem Gitarrist Marzi Montazeri schafft es immer wieder, das Publikum mit interessanten Einlagen sowie Sprüngen (samt Gitarre) während des Spielens zu unterhalten. Doch auch seine Kollegen legen sich mächtig ins Zeug und sorgen damit dafür, dass die Show den Zuschauern noch lange in Erinnerung bleiben wird. Dass diese mit Jubel nicht geizen, dürfte sich von selbst verstehen. Highlight!
Als Co-Headliner liefert DESERTED FEAR dann einen mehr als ordentlichen Gig, an dem es nur wenig auszusetzen gibt. Die Thüringer geben sogleich mit Songs wie 'Battalion Of Insanities' oder 'Mortal Reign' richtig Gas und haben sichtlich Spaß: Da darf die in die Kameras gestreckte Zunge ebenso wenig fehlen wie ordentlich in Szene gesetzte Gitarrenduelle. Die eigens mitgebrachten Nebelfontänen runden das Bild optisch ab. Zudem lockern die vier ihre Death-Metal-Walzen immer wieder mit ihren Ansagen auf, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Während Sänger und Gitarrist Manuel in Erinnerungen an einen Auftritt beim alten WAY OF DARKNESS schwelgt, gedenkt Leadgitarrist Fabian dem 3. Oktober zwei Tage zuvor auf ganz eigene Weise: "Ohne Schabowskis 'äh, nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich' hätte es den Mauerfall nie gegeben. Danke, Günter!" Oder nimmt seinen Gitarrenkollegen aufs Korn, wenn der nach Lektüre seines vollgekritzelten Papptellers am Bühnenboden den falschen Song anspielt: "Willste lieber meinen Zettel?" Spätestens, wenn auch noch ein falsches Intro ertönt – Sirenen des Tages, die zweiten – wird es aber doch etwas albern: "Das muss ich euch erzählen, das ist super lustig! Das richtige Intro war nicht auf dem iPad und Eric hat sich mit dem Handy bei Spotify verdrückt." Kalauer. Die letzten Songs auf dem richtigen Zettel machen's aber mehr als wett und mit 'Bury Your Dead' beschließen die Jungs letztlich einen ansonsten tadellosen Gig.
Mit gut zehn Minuten Verspätung kommt dann nach 23 Uhr das echte, bereits den ganzen Tag erwartete Sirenengeheul: Der Headliner MARDUK schickt sich an, die Stadthalle in Schutt und Asche zu legen! Das schwedische Abrisskommando macht von Beginn an keine Gefangen, nimmt das erklärte Ziel beim Wort und legt mit nichts Geringerem als der völligen Kriegserklärung 'Panzer Division Marduk' los. Und das nur, um sogleich die nächste Maschinengewehrsalve 'Baptism By Fire' hinterher zu schieben. Was für ein Auftakt! Schade nur, dass der Black Metal-Vierer nicht ein paar Pyros mitgebracht hat. Stattdessen ist die Bühne permanent in dichten Nebel gehüllt, der stets düster blau-grün angestrahlt wird. Auf eine aufwendige Lichtshow wie bei einem PARTY.SAN-Gig vor fünf Jahren wird gänzlich verzichtet, hier gibt’s rohen Schwarzmetall direkt ins Fressbrett. Sänger Mortuus keift inbrünstig ins Mikro und feuert das Publikum an, während Bandkopf Morgan sowie Basser Devo auf ihren Saiten frickeln und Simon seine Schießbude im M16-Takt bearbeitet. Mit 'Cloven Hoof' kommt dann auch was von meinem persönlichen Favoriten "World Funeral", seinerzeit noch mit dem alten Sänger Legion. Beim für MARDUK-Verhältnisse fast schon gemütlichen Midtempo-Stampfer 'The Blond Beast' ist kollektives Bangen in den vorderen Reihen angesagt, ehe mit dem uralten 'The Black...' aus den frühen Neunzigern Schluss ist. Wirklich Schluss? Ohne Verabschiedung verschwinden die Schweden von der Bühne, die noch minutenlang angestrahlt wird. Erwartungsvolles Ausharren der Fans – ehe dann plötzlich das Licht auf der Bühne erlischt und stattdessen in der Halle angeht.
Keine Zugabe, kein Outro, keine Verabschiedung. Den Schweden sind die wenigen Zugabe-Rufe nicht euphorisch genug, den müden Fans muss man allerdings auch zwei Festivaltage in den Knochen zugute halten. Später anfangen, früher aufhören – vereinzelte Pfiffe und Buhrufe sind die Quittung. Ein etwas unrühmlicher Schluss, den dieser ansonsten eigentlich tadellose Gig und insbesondere ein gelungenes Wochenende so nicht verdient haben. Also etwas verfrüht nochmal zum Bierstand und anschließend zum "Seven Lords", ein letztes Mal anstoßen und die Mitstreiter verabschieden. Trotz einer kurzen Irritation zum Ende war es ein insgesamt mehr als überzeugendes Festival, das beide Daumen hoch verdient. Nachdem die Securities wie gewohnt nach einigem Ausharren auch den letzten Feierwütigen aus der Halle gekehrt haben, heißt es ein letztes Mal ab ins Hotel – nächster Jahr, gleicher Ort, definitiv. Wir freuen uns!
[Carsten Praeg]
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- Redakteur:
- Carsten Praeg