Way Of Darkness 2011 - Lichtenfels
02.11.2011 | 11:5407.10.2011, Stadthalle
Die Zeit vergeht viel zu schnell! Kaum hat die Festival-Saison begonnen, ist sie auch schon wieder vorbei, und die Zeit der Hallenveranstaltungen bricht wieder an. Das "Way Of Darkness" ist zwar eine davon, hat aber gleichzeitig auch den Charme eines Open Airs.
Der anstrengendste Teil am "Way Of Darkness" ist wie immer die Anfahrt. Lichtenfels scheint geradezu von Stauautobahnen umgeben zu sein. Da ist es auch kaum verwunderlich, dass die Anreise ein vielfaches von dem in Anspruch nimmt, was eigentlich an Zeit für die Autofahrt veranschlagt war.
Eigentlich kann man es sich von vornherein abschminken, das erste Drittel der Bands sehen zu wollen. Wirklich schade, denn mit zum Beispiel HELLISH CROSSFIRE hat bereits der Auftakt des Festivals einiges zu bieten.
So wird dann eben MALIGNANT TUMOR mein persönlicher Opener. Bei diesem Namen erwartet man eigentlich Grindcore, aber schnell wird klar, dass die Band in den letzten Jahren die Prioritäten geändert hat. Der Frontmann Bilos hat einen Cowboyhut auf und eine sehr gut dazu passende rauchige Rotzröhre. Der Sound der Kapelle ist eine Melange aus MOTÖRHEAD und TOTENMOND. Das ist zwar definitiv ungewöhnlich für das Line-Up der Veranstaltung, hat aber in jedem Fall seine Daseinsberechtigung, da sowohl Stimmung als auch Einsatz voll in Ordnung gehen.
Im Anschluss gibt es dann tatsächlich Grind-Klänge auf die Ohren. Genauer gesagt wildern MILKING THE GOATMACHINE vom Planeten Goateborg (beziehungsweise aus der Nähe von Siegen) im selbst-begründeten Goatgrind herum, wodurch sie immer für eine kleine Kontroverse gut sind. Denn entweder liebt man die Ziegen oder man hasst sie. Objektiv betrachtet, kann man Goatleeb und Konsorten aber bescheinigen, dass sie live zu einer Macht gereift sind, welche die Leute begeistern kann. Und obwohl sie erst seit wenigen Jahren unterwegs sind, werden bereits jetzt Lieder wie 'Ding Dong' oder 'Sour Milk Boogey' wie verrückt abgefeiert. Die zahlreichen Thrash-Fans kann man teilweise sogar durch das allseits beliebte SACRED-REICH-Cover 'Surf Goataragua' auf die eigene Seite ziehen. Des Weiteren gibt es mit 'We Want You' und 'Human Domestication' zwei neue Stücke vom neuen Longplayer "Clockwork Udder" zu bestaunen und auch diese funktionieren prächtig auf der Bühne. Die Jungs dürfen scheinbar alles machen worauf sie Bock haben und nutzen ihre Narrenfreiheit für ein Neuinterpretation des CULTURE-BEAT-Trash-Hits 'Mr. Vain'. Die meisten Besucher beweisen Humor und bejubeln die Darbietung frenetisch.
Anschließend wird es richtig traditionell. Mit DARKNESS (nicht zu verwechseln mit den Glamrockern THE DARKNESS) wühlt man richtig tief im Ruhrpott-Underground. Der Black-Thrash im Stile alter SODOM und KREATOR regiert auf der Bühne und die Musiker scheinen auf jede unnötige Bewegung verzichten zu wollen. Allerdings gibt es dafür auch wiederum gut gelaunte Ansagen und einen Verweis, dass man auch Songs der aktuellen EURE-ERBEN-Phase spielen will. Jedoch zünden diese Nummern nicht so gut wie die alten Klassiker. Nichtsdestotrotz hat die anwesende Spandex-Fraktion ihren Spaß.
Wer bisher den guten alten Death Metal vermisst hat, wird nun mit einem besonderen Highlight getröstet. Die deutschen Todesblei-Haubitzen FLESHCRAWL feiern als Band der ersten Death-Metal-Generation in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Da gilt es natürlich besonders tief in die Klassiker-Kiste zu greifen. 'Structures Of Death', 'Slaughter At Dawn' und das göttliche 'As Blood Rains From The Sky' montieren der vor die Bühne strömende Menge die bangenden Birnen ab und die Todesblei-Gruppe macht vor wie man bangt und feiert. Die 45 Minuten vergehen dabei leider viel zu schnell und die Show erreicht mit 'Beneath A Dying Sun' und 'Tomb Of Memories' das viel zu frühe Ende. Schade, dass es bei diesem Slot keine Zugabe gibt.
Mit Death Metal geht es aber auch schon umgehend weiter. OBSCURA spielen allerdings eine eher technischere bis progressive Variante des Todesbleis, der sich aber glücklicherweise nicht in Gefrickel verliert und immer songdienlich daherkommt. 'Centric Flow' macht beispielsweise eine Menge Spaß und bekommt viel Jubel von den Death-Metallern in Reihe Eins. Auch wenn man eher auf Old School Death Metal steht, so muss man schon zugeben, dass die Mannen aus München eine ziemlich tighte Show durchziehen.
Traditionalisten horchen bei SINISTER im Anschluss aber erst so richtig auf und fragen sich, ob es die Niederländer schaffen können GRAVE zu ersetzen, die aus terminlichen Gründen absagen mussten. Aber eines vorneweg: Das ist nicht der Fall. Statt Schwedentod gibt es Florida-Death aus Holland. Zugegeben, SINISTER können nichts für das Absagen von GRAVE, aber dennoch schwingt die Enttäuschung die ganze Zeit mit. Nummern wie 'Sadistic Intent' oder 'Perennial Mourning' sind zwar Killer-Titel, aber verblassen gegen Todesblei-Evergreens à la GRAVEs 'Soulless' oder 'Into The Grave'. Außerdem ist der Sound auf Dauer etwas monoton und gegen Ende sogar geradezu langweilig. Da kann die Pyrotechnik so viel ballern wie sie will.
Aus allen Rohren ballern auch ARTILLERY. Die Dänen sind für viele traditionsverbundene Metalheads schon ein größerer Leckerbissen auf dem "Way Of Darkness". Die Performance ist auf jeden Fall DEATH-ANGEL-würdig. Der singende Derwisch Søren Adamsen fegt mit viel Energie über die Bühne und gibt mit bester Stimme und Laune starke Songs wie 'My Blood' (das gleichzeitig auch der Titeltrack der neuen CD ist) oder 'Dark Days' zum Besten. Ebenfalls '10,000 Demos' (der Nackenbrecher vom letzten Longplayer) versetzt das Publikum in Ekstase. Einzig das etwas komische Aussehen von Frontmann Adamsen sorgt für Irritationen: Ein ärmelloser Kapu, aufgepumpte Oberarme und eine zerfetzte Dreiviertelhose. Da könnte man fast meinen, dass Wrestler John Cena auf der Bühne steht, Das ist zum Glück nicht der Fall, denn dieser würde wahrscheinlich rappen. Und das will wohl niemand der Anwesenden.
Ruppiger wird es im Anschluss mit BENEDICTION. Die Engländer sind sehr gut aufgelegt und werden von vielen Festivalbesuchern sehnlichst erwartet. Mit zum Beispiel 'Blinded By Fear', 'Nothing On Each Side' oder auch 'I Found Mortality' haben die Briten eine verdammt gute Setlist am Start, die zu überzeugen weiß. Frontmann Dave Hunt zeigt außerdem bei Ansagen, dass er auch ein wenig Deutsch sprechen kann, und erklärt, dass man heute mit einem Ersatzschlagzeuger auftrete und vorher nicht mal geprobt habe. Das steigert natürlich die Leistung umso mehr und der Gig findet mit 'They Must Die Screaming' und 'Dreams You Dread' einen wunderbaren Abschluss.
"Wir sind MORGOTH, wer seid ihr?", schallt es danach von der Bühne, damit auch der Letzte weiß, was ihn jetzt erwartet. Die Altmeister MORGOTH grasen seit der Reunion alles ab, was der deutsche Death-Metal-Festivalsommer so hergibt, und setzen bei jedem Gig auf eine ähnliche Auswahl an Songs und Ansagen. Legendenstatus in allen Ehren, aber nachdem ich schon ihren Gigs in Hünxe und Schlotheim beigewohnt habe, macht sich langsam das Gefühl breit, dass hier ein Programm durchgezogen wird, das schon fast zur Routine geworden ist. Natürlich kann man nicht erwarten, dass jeder Auftritt ein individuelles Highlight wird, aber man merkt schon, dass so mancher Open-Air-Veteran des Jahres 2011 von den Urgesteinen ein wenig übersättigt ist. Nichtsdestotrotz knallen Songs wie 'Bodycount', 'Unreal Imagination', 'Resistance' und 'Suffer Life' richtig gut und es freut einen eigentlich auch immer wieder, wenn man bedenkt, dass es vor etwa zwei Jahren noch fast ausgeschlossen war, diese Band überhaupt noch mal zu sehen ist. Also nicht meckern, sondern genießen.
Nun wird es Zeit für den Freitags-Headliner und da gibt es wohl nur eine Band, die MORGOTH noch toppen kann. Nämlich die Thrash-Legende aus Gelsenkirchen: SODOM. Angelripper ist ja so etwas wie der deutsche Lemmy und Lieder wie 'Sodomy And Lust' oder 'Outbreak Of Evil' gelten nicht zu Unrecht als zeitlose Klassiker. So werden dann auch die drei Männer mittleren Alters gefeiert wie Fußball-Weltmeister und scheinen auch selbst so richtig Bock zu haben das "Way Of Darkness" in Schutt und Asche zu legen. Die Pyros krachen durch die Vorrichtungen und ein Band-Hit jagt den nächsten. Bei so starken Perlen wie 'M16' oder 'The Saw Is The Law' macht es auch nichts, dass sich Tom und Berlemann in etwa so viel bewegen wie betäubte Faultiere. Die Musik spricht hier für sich selbst. Auch der neue Drummer Makka macht einen guten Job, wird aber trotzdem nicht von allen Fans so nett begrüßt, da einige Grüppchen lautstark nach dem ausgestiegenen Schlagwerker Bobby Schottkowski verlangen. Neben einem neuen Mann an der Schießbude gibt es auch neue Lieder vom aktuellen Album 'In War And Pieces' auf die Ohren. Die kommen zwar gut an, aber die bessere Stimmung kommt bei alten Gassenhauern der Marke 'Die Stumme Ursel' oder 'Blasphemer' auf.
Die Zeit vergeht und die Stimmung wird immer intensiver, so entern einige Metalheads aus den vorderen Reihen bei 'Agent Orange' die Bühne. Dabei verliert zwar ein Zuschauer sein Handy, das wird aber von Onkel Tom höflich aufgehoben und zurückgegeben. Mit 'Ausgebombt' und 'Sodomized' beginnt der Anfang vom Ende und man fragt sich, wo die Zeit geblieben ist. Denn der Siegeszug der Ruhr-Helden dauert fast zwei Stunden, auch wenn es einem nicht so vor kommt.
Zum Glück ist damit aber der erste Tag erst einmal vorbei und ich darf wie einige andere eine unangenehme Nacht in einem nass-kalten Zelt verbringen, indem es außerdem etwas voll wird, da ein Teil meiner mitgereisten Kollegen darin Unterschlupf gesucht hat. Denn wie so manches andere Zelt ist ihres Opfer eines Herbststurms geworden. Die Tatsache, dass der "goldene Oktober" genau einen Tag vor dem "Way Of Darkness" enden musste, ist wirklich das größte Ärgernis des Wochenendes, aber was tut man nicht alles für den Metal.
- Redakteur:
- Adrian Wagner