Wednesday 13/Exilia - Berlin
19.11.2007 | 09:4414.11.2007, Knaack
Es gibt Momente, da kann sich eine Band sicher sein: Egal, was wir spielen, die Zuschauer lecken uns dafür im übertragenen Sinne die Füße. So eine Situation erleben WEDNESDAY 13 an jenem verregneten Mittwoch im Berliner Knaack-Club während ihres Zugaben-Teils. Ihr charismatischer Sänger Joseph Poole - nach seinem Künstlernamen ist die Band benannt - fasst die Situation vor dem tobenden Mob in kurze Worte: "In England konnten wir das folgende Stück nicht spielen, die standen nicht auf Akustik-Gitarren - aber mit euch kann ich das machen ..." Und so spielt er 'Curse Of Me' in einer verträumten Version ohne Stromgitarre. Die kurze Pause tut gut. Denn in der Stunde zuvor haben er und seine vier Mitmusiker den Saal zum Kochen gebracht, besonders er hat eine große Show abgezogen: Zum Beispiel mit hässlichen Riesenpuppen gespielt, ihre Augen herausgepult und mit dem Mund ins Publikum geschossen. Oder mit dem Imitat einer Maschinenpistole in die Massen gezielt, während im Hintergrund ein Schlagzeug wirbelte. Dabei fängt der Abend im Knaack noch recht entspannt an:
[Henri Kramer]
Pünktlich um 21 Uhr beginnen EXILIA ihre Show in dem gefüllten Club. Sie treten als besonderer Überraschungsgast auf und geben von Anfang an Vollgas. Die quirlige Sängerin Masha Mysmane mit ihren langen, blonden Dreadlocks, die in ihrem Auftreten manchmal an die Metalqueen Doro Pesch erinnert, entlockt ihrer Kehle alles andere als liebliche Töne. Sie schreit, kreischt und grunzt - und so fügt sich ihre Stimme und Bühnenpräsenz perfekt in das gesamte Bild, das die Band entwirft. EXILIA spielen ältere Lieder von Platten wie "Nobody Excluded" und auch einige brandneue Stücke, die im kommenden Jahr veröffentlicht werden sollen. Die Musik reißt das Publikum zunehmend mit und stimmt es auf den Hauptdarsteller ein.
[Yvonne Daseking]
... in der Tat ist es frappierend, wie sich die Italiener während ihrer knapp 45 Minuten Auftrittszeit entwickeln. Klingt die Musik anfangs noch recht brav, schiebt sich mit der Zeit immer deutlicher die Metalcore-Schlagseite von EXILIA in den Vordergrund, klingt die Band von Song zu Song härter. Dazu gibt es eindeutige politische Statements, etwa gegen George W. Bush und sein persönliches Guantanamo ('Stop Playing God'). Zum Ende hin lässt sich das Publikum so sogar noch auf ein Mitklatsch-Spiel ein, bevor der Gig schließlich mit einem herrlich lang gezogenen Rauch-Schrei von Signora Mysmane endet.
[Henri Kramer]
Der Hauptact an diesem Abend ist aber eben WEDNESDAY 13 und seine Band. Die US-Amerikaner sind keine Unbekannten mehr: Sie waren schon im vergangenen Jahr in hiesigen Landen unterwegs und konnten auch dieses Jahr als Tour-Support der "Helsinki Vampires" THE 69 EYES überzeugen. Zu jenen Zeiten waren sie allerdings noch in anderer Besetzung unterwegs. Mittlerweile sind sie zum Quintett angewachsen, so dass sich Frontmann WEDNESDAY 13 hauptsächlich auf seine Rolle als Sänger konzentriert kann, nur noch gelegentlich greift er in die Saiten. Der Musiker selber besitzt schon eine lange Geschichte: Früher war er der Sänger der MURDERDOLLS, dazu hatte er mit FRANKENSTEIN DRAG QUEENS FOM PLANET 13 eine weitere Band. Das Konzert beginnen die Jungs denn auch mit '197666' von den MURDERDOLLS. Nach dem ersten Kracher folgen weitere schnelle Nummern à la 'Die My Bride' oder 'My Home Sweet Homicide', die dem begeisterten Publikum ordentlich einheizen. Apropos Publikum: Alle feiern, singen die Songs lauthals mit und feuern ihre Stars auf der Bühne unnachgiebig an. Direkt vor der Bühne bildet sich ein das Metal-Herz erfreuender, wilder Moshpit - samt einem wagemutigen Crowdsurfer. Die Musik reißt eben auch mit: Mr. WEDNESDAY 13 spielt eine abwechslungsreiche Mischung all seiner Veröffentlichungen, so fehlen weder MURDERDOLLS-Klassiker wie 'Love At First Fright' und 'Dead In Hollywood' noch Lieder der beiden letzten WEDNESDAY 13-Platten "Transylvania 90210: Songs Of Death, Dying And The Dead" und "Fang Bang". Die Szenerie und das Styling der Musiker ist horrormäßig "spooky" - oder auch "horrorpunkaddicted scary", so die Fachsprache. Dazu kommen zu vielen Liedern die entsprechenden Requisiten. Schließlich verabschiedet sich die Band nach einem etwa eineinhalbstündigen Konzert mit dem Titel 'I Love To Say F.U.C.K' von den MURDERDOLLS - und dem Versprechen, nächstes Jahr mit einer neuen Platte im Gepäck die hiesigen Bühnen erneut zu entern.
[Yvonne Daseking]
... und das wird fett. Nicht nur wegen des fetzigen Rock-Sounds irgendwo zwischen ROB ZOMBIE, TURBONEGRO und MARILYN MANSON. Es ist vor allem die Art und Weise, wie Mr. WEDNESDAY 13 das Publikum im Griff hat und welche Ausstrahlung er mit seinem langen Mantel und den schwarzen Deadlocks versprüht. Bei jedem Song muss er etwas machen: Mal rennt er mit einem roten Teufelsdreizack über die Bühne, dann wieder mit "Fuck"-Schirm und Beamten-Mütze wie beim letzten Kracher 'I Love To Say F.U.C.K.'. Da lässt er auch dem Klischee freien Lauf: Das Publikum soll dem Mann in Gänze den Mittelfinger zeigen. Natürlich mögen solche Aktionen ein wenig pubertär wirken, zumindest lesen sie sich so. Doch - und darin liegt der dreckige Zauber von WEDNESDAY 13 - wirkt all das Gepose und Gehabe so selbstsicher und authentisch, dass schon einmal eins feststeht: Diese Musiker könnten in absehbarer Zeit den ganz großen Durchbruch schaffen. Denn so viel freakige Death-Goth-Punk-Show und etliche Knaller mit Indie-Hit-Charakter gibt es selten an einem Abend zu hören. Die Zuschauer im Knaack dürfen sich glücklich schätzen: Noch einmal in solch einem kleinen Club werden WEDNESDAY 13 kaum auftreten. Hier sind kommende Stars gerade auf die Überholspur gefahren.
[Henri Kramer]
- Redakteur:
- Henri Kramer