With Full Force 2000 - Roitzschjora

28.10.2000 | 11:19

23.06.2000, Flugplatz

Samstag, 24.06.00


Gibt es einen undankbareren Job als den des Openers am ersten Tag eines Festivals? Ja, den des Openers am zweiten Tag. POSTMORTEM versuchten das beste aus dieser schwierigen Aufgabe zu machen, dem einen oder anderen mag es wohl auch gefallen haben. Mir jedoch war ihr Stilmischmasch aus Death Metal, Thrash, Death`n´Roll und was-weiss-ich-noch-alles für die unchristliche Uhrzeit zu anstrengend, zumal der Sound im Gegenzug zum Vortag recht mässig war. Lobenswert war allenfalls das mächtige Organ des Frontgrunzers, Friede den Überresten seiner Stimmbänder. (Rainer)

Die Iren PRIMORDIAL machten es da als zweite Band des Tages gleich eine ganze Ecke besser. Man möge mir verzeihen, wenn ich ihren quietschfidelen Ringelreihen durch diverse Genres nicht kategorisieren kann. Midtempo-BM war dabei, ein hörbarer Pagan-Touch, clean gesungener Metal und reichlich Folk-Anleihen. Anyway, die Herren von der grünen Insel galoppierten betont spielfreudig durch ihr Programm, weckten endgültig die Lebensgeister derjenigen Festivalbesucher, die bereits wieder freihändig stehen konnten und ernteten weit mehr als puren Höflichkeitsapplaus. Kann man zu der frühen Uhrzeit (früh für Metaller-Verhältnisse) als vollen Erfolg werten. (Rainer)

Genug des Vorspiels, schön langsam hielt der Ernst des Lebens wieder Einzug. Und so füllte sich denn der Platz vor der Bühne allmählich, als die SchwedenDeath-Veteranen von DISMEMBER die Peitsche knallen liessen. Ungeachtet eines enttäuschend breiigen Sounds lieferten die Jungs um Szeneurgestein und Holperschlagzeuger Fred Estby eine engagierte Show ab und verwöhnten ihre Anhänger mit einem gelungenen Streifzug durch ihren umfangreichen Backkatalog. Neue und alte Stücke ergänzten sich gut, das essentielle Debüt "Like An Ever Flowing Stream" wurde gebührend berücksichtigt und zum Abschluß des vierzigminütigen gigs gabs noch eine erstklassige Version des absoluten Bandklassikers "Dreaming In Red" (vom Zweitling "Indecent And Obscene"). Daumen hoch für die notorischen Elchtöter! (Rainer)

Wo wir schon von Veteranen sprechen: über die Asselpunk-Kings von THE EXPLOITED brauchen wir nicht viele Worte zu verlieren. Shouter Wattie und Kollegen betraten ohne große Umschweife die Bühne und rotzten sich eine Dreiviertelstunde lang durch hinlänglich bekanntes Material. Zwar fehlte mir persönlich die eine oder andere Glanznummer aus grauer Punkvergangenheit (z.B. von "Troops Of Tomorrow"); allerdings bedienten sich die Schotten reichlich bei Material von "Beat The Bastards" und anderen Punk meets Metal-Standardwerken. So recht enthusiastisch waren die gesetzteren Herren zwar nicht bei der Sache, zu gefallen wussten sie jedoch allemal. Ein solider Auftritt, der allerdings wie die meisten Sets des Samstags unter einem verhängnisvollen Soundvakuum im Gitarrenbereich litt. Letzteres erklärte auch die mässige Begeisterung, mit der die Bemühungen der Band aufgenommen wurden. (Rainer)

In ihren Schweinsmasken stürmten Angelripper und Bernemann die Bühne, um "Code Red" zum Besten zu geben. Die Menge johlte und der Weg war frei für Klassiker der Marke "Outbreak Of Evil", "Blasphemer" (beide vom ersten Album "In The Sign Of Evil") oder "Wachturm". Mit "M-16" wurde sogar schon ein Song vom nächsten Album vorgestellt, und nach 40 Minuten war der SODOM-Gig (der aber sicherlich auch nicht zu den hundert geilsten SODOM-Shows aller Zeiten gehört, ein bißchen lustlos wirkte das Ganze manchmal schon) auch schon wieder vorbei. (Stephan)

Es folgten OOMPH! aus Braunschweig. Bereits beim Soundcheck gabs Beifall, als Sänger Dero "Strangers In The Night" zum Besten gab. Das schien aber nicht allzu viel geholfen zu haben, denn zu Beginn hatte man erstmal mit dem übersteuerten Sound zu kämpfen. Beim zweiten Anlauf klappte es aber dann besser, und so stand 50 Minuten OOMPH! nichts mehr im Wege. Man spielte viele Stücke von der letzten CD "Plastik" ("Das weiße Licht"), was nicht bei allen gut ankam. Viele wollten mehr von "Wunschkind" oder "Unrein" hören. Ziemlich komisch wirkten auch die schüchternen Stagediving-Versuche von Sänger Dero, der sich von zwei Securities an den Beinen festhalten ließ und dann bis etwa zu den Brustwarzen auf die Menge traute (Nicht so überkritisch, Herr Kollege! War doch trotzdem eine unterhaltsame Angelegenheit - Rainer). Totally strange! (Stephan)

BOLT THROWER und With Full Force, das scheint nur schwer zusammen zu gehen. Nachdem die Death-Metaller letztes Jahr ihren Gig wegen des Todes der Muttes von Sänger Dave Ingram absagten, verstarb nun wenige Tage vor dem diesjährigen Auftritt dessen Schwester. Aber BT wollten nicht erneut canceln und so spielten sie trotzdem ihren, mit vielen alten Stücken gespickten Set herunter. Die Fans dankten es ihnen mit einer bombastischen Stimmung und die Securities hatten mit den zahlreichen Divern fast soviel zu tun, wie den Abend zuvor bei Maiden. Eine dreiviertel Stunde lang tobte der Mob. Wer so eine gute Stimmung bereits um acht entfachen kann, darf ruhig wiederkommen, auch wenn man sich das bei den schlechten Vorzeichen (siehe oben) vielleicht doch nicht wünschen sollte. (Stephan)

Nach dem verständlicherweise gedrosselten Enthusiasmus der BOLT THROWER-Musikanten (deren fanfreundliches Verhalten jedoch umso mehr zu loben ist) zeigten sich die Hardcore-Veteranen von AGNOSTIC FRONT ganz anderer Stimmung. Prolliger Strassenkampf-HC ist ja live immer eine nette Angelegenheit; zumal wenn man ihn mit solchem Enthusiasmus darbietet wie in diesem Fall. Die New Yorker heizten das Publikum sowohl mit anstachelnden Ansagen als auch -vor allem- mit jeder Menge fetzigem NYHC an; ob nun aktueller Stoff wie "Riot Riot Upstart" und "Police State" oder ältere Kamellen, Vinnie Stigma und seine Mitstreiter hatten das Publikum auf ihrer Seite; nicht zuletzt dank des energischen Gebrülles von Frontrowdy Roger Miret. Wider Erwarten konnten die Amis sogar eines der absoluten Highlights des Festivals verbuchen, als nämlich beim Mitgrölhammer "Gotta Go" (von der vorletzten Scheibe, "Something´s Gotta Give") das komplette (und sehr, sehr zahlreiche!) Publikum hingebungsvoll den Refrain brüllte. Schwer vorstellbar, daß sich gestandene Straßenschlacht-Coreler wie AF auf der Bühne wie die kleinen Kinder über derart euphorische Publikumsreaktionen freuen können. Der ideale Anheizer für die letzte Band des Tages... (Rainer)

... nämlich die Nachbarn von BIOHAZARD. Überhaupt fanden sich ja in den Tagen des WFF derart viele Truppen aus New York City ein, daß die Bronx und andere Slums wohl entvölkert gewesen sein müssen. Womit wir auch schon wieder beim Thema wären: BIOHAZARD sind Hardcore, kein Metal. Fragt sich also, warum die Band den Headliner des zweitenTages geben mußte. Nun ja, erstens hatte sich -um es mal ganz drastisch zu formulieren- schlichtweg nichts besseres gefunden. Ohne die Band abwerten zu wollen, aber die lange kolportierten PANTERA wären im Vorfeld gesehen wohl eher als Abschluß des Tages geeignet gewesen. Zweitens -und damit kam die Sache dann doch wieder ins Lot- war der Samstag allgemein nicht sehr metallastig ausgerichtet; insofern bildeten BIOHAZARD dann eben doch einen würdigen Abschluß. Insbesondere, da an den Live-Qualitäten des Quartetts kein Zweifel besteht. Die New Yorker gingen auf Nummer Sicher und verliessen sich auf die zahllosen Klassiker, die sie im Laufe ihrer Karriere verbrochen haben. "Wrong Side Of The Tracks", "Punishment," "Black And Red And White All Over", "Tales >From The Hardside" u.v.a.m.; müssig, all die Granaten aufzuzählen; selbstverständlich auch, daß die Massen zum Ende eines langen Tages noch einmal in einen 80 Minuten währenden Hüpfrausch verfielen; zumal die Amis ohne Zweifel eine der über alle Schubladen hinweg mitreissendsten Livebands überhaupt sind. BIOHAZARD legten einen amtlichen set auf die Bühne, wie man es ja auch von ihnen gewohnt ist. Stark! (Rainer)

Gerade noch fleissig zu NYC-Sounds gehüpft und schon ging es ab in die Tentstage, um dem "Saturday Night Fever" beizuwohnen. Man traute seinen Augen kaum, als das Hardbowl-Zelt (Fassungsvermögen: 8.000 Leute!) förmlich aus den Nähten platzte. Ganze Scharen von Fans waren angetreten, sich von HYPOCRISY-Mastermind Peter Tägtgrens unerwartet erfolgreichem Projekt PAIN mit Metal meets Elekro-Klängen aus den Latschen ballern zu lassen. Ich wage zu behaupten, daß ein Großteil der Anwesenden sich vor allem durch die Präsenz von Schweden-Peter anlocken liess. Umso verduzter waren die Neugierigen, als da plötzlich Keyboards, Samples und stampfende Rhythmen ertönten und der schmächtige Frontmann mit überwiegend cleanen Vocals glänzte. Dennoch verwandelte sich die Menge vom ersten Song an in einen einzigen Klumpen restloser Begeisterung. Kunststück, kamen doch die Songs der ohnehin brillanten CD live noch einen Zacken härter rüber als auf Konserve und erstrahlten zudem im Lichte eines hervorragenden Sounds. Dank des Mitwirkens u.a. von IMMORTAL-Drummer Horgh (einmal mehr präzise wie ein Drumcomputer) und Ex-MARDUK-Klampfer Devo entwickelten Hymnen wie z.B. "Supersonic Bitch", "End Of The Line", "Suicide Machine" oder "Dark Fields Of Pain" -ohne dabei ihr ganz spezielles Flair zu verlieren- eine unüberhörbare HYPOCRISY-Schlagseite, was die Anwesenden zu wahren Begeisterungsstürmen hinriss. Meister Tägtgren und seine Gefährten steigerten sich -nahezu fassungslos ob der geradezu euphorischen Publikumsreaktionen- in einen wahren Spielrausch hinein und PAIN avancierten somit zum uneingeschränkten Höhepunkt des WFF. IRON MAIDEN hin, SLAYER her. Nach der Zugabe (und das als Opener!) "You´re On Your Knees (Again)" (vom mittlerweile leicht angejahrten Debüt "Pain") hinterliessen Tägtgren -der in seiner Begeisterung eine ganze Reihe seiner einzigartigen Schreie einstreute- und seine Mitmusiker ein glücksseliges Publikum und eine gehörige Anzahl frischbekehrter Jünger. Mighty Peter, thy wilt be done! (Rainer)

Redakteur:
Rainer Raithel

Login

Neu registrieren