With Full Force 2009 - Roitzschjora
16.07.2009 | 17:5203.07.2009, Flugplatz
Hart, härter, With Full Force. Auch im sechzehnten Jahr seines Bestehens versteht es das With Full Force, für heiße Ohren und steife Nacken zu sorgen. Party on!
Freitag, 03.07.2009
Die Sonne brutzelt bereits gegen die Mittagszeit gnadenlos vom Himmel. Es ist einfach verrückt. Da haben wir wochenlang nur die Seuche am Himmel, aber sobald das With Full Force auf dem Plan steht, scheint sich der Wettergott an die Sonne zu erinnern. Man müsste das With Full Force mal im Januar veranstalten, vielleicht bekämen wir dann auch dreißig Grad Celsius im Schatten. Meine Fresse, "Sommer raus, es ist Titten" (nicht von mir, so was würde nie über meine Lippen kommen).
Nach zwei feinen Auftritten von FACEBREAKER und GOD FORBID geht es mit den Amerikanern von STATIC X munter weiter. Seit einigen Jahren wartete die With-Full-Force-Gemeinde auf die Jungs rund um Stachelrübe Wayne Static. Vor zwei Jahren brannte ihr Bus ab, was den Jungs den Trip zum härtesten Acker Deutschlands leider verwehrte. Heute gibt es keine Ausreden. Stellt euch der Menge, ihr Bengel. Und ja, auch wenn die Musik der Amerikaner irgendwie nach Ende der Neunziger klingt, so können sie doch für gute Laune und Stimmung sorgen. Und wen sehe ich denn da? Tony Campos, der alte Bass-Brocken, hat ja doch schon With-Full-Force-Erfahrung. Als letzter Bassist von MINISTRY durfte er bereits im letzten Jahr die staubige Luft einatmen.
Das ganze Spektakel findet unter dem wachsamen Auge von DIMMU BORGIR-Chefdenker Silenoz statt (den Beweis gibt es unter "sonstige Fotos"). Wie bei jedem Festival seiner Band, steht er inmitten der Fans, trinkt ein Bier und schaut sich so manch illustre Kapelle an. Dabei kommt er auch in den Genuss von 'I’m With Stupid', das energiegeladen aus den Boxen gejagt kommt. Natürlich darf 'Push It' nicht fehlen. Dieses Motto hat sich die Sonne wohl heute auf die Fahnen geschrieben. Daher hat auch Sänger Wayne mächtig Durst und lässt sich von einem knapp bekleideten Mädel Wasser bringen. Das ganze natürlich unter "Ausziehen!"-Rufen. Ja, das kann ich verstehen. Netter Gig, der ein wenig von der unsäglichen Hitze ablenkt.
[Enrico Ahlig]
DEVILDRIVER auf dem Force! Das ist eigentlich immer eine Garantie für hammergeilen Metal und einen staubigen Cirlce Pit. Leider fällt beides heute etwas spärlich aus. Dabei ist vor allem die Performance der Band erbärmlich. Das liegt nicht unbedingt an den fünf Kaliforniern, aber der Sound ist dermaßen scheiße, dass da einfach nichts rauszuholen ist. Bei den Anfangssongs kann ich eigentlich nur am Drumbeat und dem Geschrei von Dez Fafara erahnen, welcher Song gerade gespielt wird (obwohl ich alle Alben mehrmals gehört habe). Die Gitarren hört man nur als undifferenzierten Brei, so dass aber auch gar nichts von den geilen Melodien in den Songs erkennbar ist. Dem Pit vor der Bühne schadet das zwar weniger, aber der Auftritt wird mir nicht als gelungen in Erinnerung bleiben. Bei 'Hold Back The Day', 'These Fighting Words' und dem 'Meet The Wretched' kommt zwar schon ordentlich Stimmung auf, aber nichts davon lässt sich mit der geilen Show von 2008 vergleichen. Die Soundverantwortlichen haben hier eindeutig eine geile Band vernichtend geschlagen. Zwar möchte ich betonen, dass es viele mögliche Ursachen für diesen Umstand gibt und man nicht automatisch den Mischer als Deppen degradieren sollte, aber es bleibt dabei: Der Sound war richtig scheiße!
[Christian Glaum]
"Ladies and Gentlemen", tönt es um kurz nach sechs aus den Boxen, "let the nightmare begin!" Dann stürmen die vier holländischen Todesengel von LEGION OF THE DAMNED die Bühne. Langsam füllt es sich vor der Mainstage, während 'Death's Head March' aus den Boxen dröhnt – oder eher rumpelt, denn zu diesem Zeitpunkt läuft der Tonturm noch längst nicht zur Hochform auf. Und nebenbei: Auf der Leinwand sind anfangs sämtliche Aufnahmen vom Publikum völlig überstrahlt. Zu offene Blende, hm? Den Fans scheint's egal zu sein, und es recken sich einige Teufelshörnchen gen Himmel. "You're always the best crowd for us!", bedankt sich Frontgrunzer Maurice bei dem deutschen Publikum und schiebt 'Son Of The Jackal' hinterher. Angesichts der treibenden Musik hätte ich vom SLAYER-liebenden Full-Force-Publikum allerdings schon etwas mehr Stimmung erwartet. "Are you feeling aggressive?", fragt der Sänger mit den arschlangen blonden Haaren dann auch vorsorglich in bester Tom-Araya-Manier, und immerhin bildet sich bei 'Slaughtering The Pigs' ein kleiner Circle Pit. Angesichts dieses Rumpelsounds, bei dem der Bass selbst bei etwas ruhigeren Zwischenparts dröhnt, wirkt Maurice' deutsche Frage "So Leute, habt ihr Spaß?" allerdings schon fast ironisch. Die Band macht das Beste draus, lässt das Publikum noch den Refrain der Bandhymne 'Legion Of The Damned' grölen und verabschiedet sich zum Klavier-Outro von der Bühne.
[Carsten Praeg]
Mächtig gespannt war ich auf die Kerls von MASTODON. Nahezu jeder Musiker, den man heutzutage nach seinen Lieblingsbands ausfragt, antwortet mit dieser Band. Da muss also was dran sein. Immerhin wurden MASTODON auch schon für den Grammy nominiert und durften erst kürzlich bei David Letterman auftreten. Ich bin also wahnsinnig gespannt – und dann kommt das. Ich glaube jedes der ausgestorbenen Mastodonten war spritziger und ausgeschlafener. Dann muss man sich nicht wundern, dass solch eine hochgejubelte Band vor relativ übersichtlichen Fanscharen spielt. Wer im Schatten sitzt, macht alles richtig.
Zwar können die Musik und vor allem die wunderbar gespielten Gitarrensoli überzeugen, doch kommt das an solch einem heißen Tag, bei dem das Feiern an oberster Stelle steht, nicht wirklich an. Hier hätte ein Startplatz in der Nacht wohl einiges verbessert. Wie die Jungs an die Grammy-Nominierung für "Best Metal Performance" gekommen sind, frag ich mich ganz ehrlich. Interaktion mit dem Publikum ist gleich Null. Sowohl Troy, Brent als auch Bill starren auf ihre Instrumente, um ja keine Fehler zu machen. Also ich könnte mit kleinen Fehlern leben, wenn dafür die Bühnenpräsenz gesteigert wird. Musik top, Auftritt Flop.
[Enrico Ahlig]
Die englische Grindcore-Legende CARCASS ist eine der wenigen Bands, die ich bisher noch nie live erleben durfte. Ich hab mich also schon im Vorfeld wahnsinnig auf Jeff Walker, Michael Amott und Bill Steer gefreut. Los geht’s mit einem der geilsten Metalriffs überhaupt. 'Corporeal Jigsore Quadanry' scheppert so druckvoll durch die Anlage, dass man unweigerlich mitbangen muss. Auch die Songs 'No Love Lost' und 'Buried Dreams' werden vom Publikum abgefeiert. Die alten Grindcore-Zeiten streift man jedoch nur kurz. [In meinen Ohren klingt das Ganze auch eher nach einer guten, rotzigen ARCH ENEMY-Variante, was wohl vor allem dem Gitarristen Amott in Doppelfunktion geschuldet ist. - Anm. v. Carsten]. Trotzdem wirkt 'Reek Of Putrifaction' dermaßen aggressiv, dass einem das Skalpell in der Hand juckt. Auch Orginaldrummer Ken Owen (erlitt 1999 eine schwere Gehirnblutung) steht dabei kurz auf der Bühne und erhält einen herzlichen Empfang vom Full-Force-Publikum. Jeff Walkers Abschlussgruß "We're CARCASS, a long time ago" lässt einem fast die Tränen in die Augen steigen. Bei vielen überflüssigen Reunions hoffe ich doch, dass diese grandiose Band noch öfter zu sehen sein wird.
[Christian Glaum]
Der 2004er Auftritt der Norweger DIMMU BORGIR ist mir noch in bester Erinnerung. Ereifern sich die Düsterheimer auf Langrille stets im orchestralen Bombast-Wettstreit mit den Briten CRADLE OF FILTH, schienen die Mannen um Frontman Shagrath seinerzeit dem Roitzschjora-Publikum beweisen zu wollen, dass sie live immer noch richtiges Schwarzmetall servieren können – feuerten sie zu Beginn des besagten Sets doch erst mal eine alte Granate nach der anderen ab.
Auch diesmal beginnen sie mit dem Klassiker 'Spellbound (By The Devil)', doch das Bühnenbild fällt weniger "true" aus als zuletzt. Statt simpler Lederjacke trägt Mr. Stian Tomt Thoresen diesmal neben weißen Haarsträhnen eine Art Rüstung samt Pentagramm auf den Brustplatten und einen langen Rock. Seine Mitstreiter sind in dunkle, mittelalterliche Kutten gehüllt, hinter Schlagzeug und Keyboard ragt ein überdimensionales Abbild des letzten Albumcovers empor. "Make some noise!", brüllt Shagrath den Fans zu, und mit 'The Serpentine Offering' folgt sogleich ein Song jüngeren Datums. Basser Vortex wirft der jubelnden Meute eine Flasche Wasser zu, bei seinem anschließenden klaren Gesang regnet es Funken von der Bühnendecke.
Der Sound der Mainstage wird langsam besser, auch wenn er gerade bei zwei Gitarren immer noch etwas undifferenziert klingt. Ohne Pause folgt 'The Chosen Legacy', passend zu Shagraths Anfeuerungsfaust schießen hinter ihm Feuerbälle empor. "Are here any die-hard fans?", fragt der Sänger. "You wanna go faster?", was in Form von 'The Maelstrom Mephiso' auch geschieht – sehr zur Freude eines crowdsurfenden Fans im braunen Hasenkostüm.
Gitarrist Silenoz kann inzwischen auch mit seinem geflochtenen langen Ziegenbärtchen bangen, während sein Sänger dem Publikum schmeichelt: "Germany, you guys kick ass!" Zur Belohnung gibt’s weitere Highlights von "In Sorte Diaboli" und "Puritanical Euphoric Misanthropia", wobei vor allem das schnelle 'Indoctrination' mit einem mörderisch drückenden Blastbeat daherkommt.
Dann steht Shagrath plötzlich in anderen Klamotten auf der Bühne. Den Brustpanzer hat er gegen eine Sotffweste eingetauscht, dazu trägt er eine Militärmütze, mit der er allerdings auch ebenso gut bei den DEATHSTARS einsteigen könnte. Er kündigt 'Puritania' an, dreht sich um und schlägt ein großes Buch auf einem Notenständer auf. Reine Show, oder wird er in Sachen Lyrics langsam senil?
Zu guter Letzt folgt noch 'Progenies Of The Great Apocalypse'. Ein letzter Propeller, eine letzte Explosion - dann verschwindet das Sextett von der Bühne. Ohne die traditionelle Bandhymne 'Mourning Palace'. Frechheit! Alles in allem ein Set mit netten, rasenden Highlights, aber auch etwas viel Show und weniger Black-Metal-Spirit als zuletzt.
Setliste:
Introduction (Intro)
Spellbound (By The Devil)
The Serpentine Offering
The Chosen Legacy
The Maelstrom Mephiso
The Sacrilegious Scorn
Kings Of The Carnival Creation
Indocrianation
Puritania
Progenies Of The Great Apocalypse
The Fallen Arises (Outro)
Schon seit Jahren gibt es drei Bands, von denen mindestens zwei in Roitzschjora auftreten müssen. Sonst müsste das Full Force wahrscheinlich abgeblasen werden – oder so ähnlich. Dazu zählen SLAYER (is' klar), MOTÖRHEAD (sind da) und natürlich SOULFLY (zieht in letzter Zeit auch automatisch Max Cavaleras Ex-Band SEPULTURA nach sich). Der Mastermind darf natürlich von der Pole Position am Freitagabend starten, damit ihm seine tags darauf auftretenden Exkollegen nichts vorwegnehmen. Aber der in Urban-Armyshorts und eine dicke Jacke gekleidete, vollbärtige Cavalera greift ohnehin erst mal auf eigenes Material zurück und bläst gleich zu Beginn mit dem neuen 'Blood Fire War Hate' alles weg.
Die Bühne wird nur schlicht von ein paar Brasilienfahnen geziert, während vor allem Cavaleras "Haarpracht" ins Auge fällt. Eigentlich trägt er inzwischen fast kurze Haare mit drei riesigen Dreadlocks oben drauf. Irgendwie saust einem kurz das Filmplakat von "Pan's Labyrinth" durch den Kopf.
Unterstützt von seinen Mitstreitern werden 'Prophecy' und der CAVALERA CONSPIRICY-Song 'Sanctuary' wie im Sturm rausgehauen, dann tauscht der gut Max erst mal seine Brasilien-Gitarre gegen eine weitere Brasilien-Gitarre. Dass daraufhin bei 'Back To The Primitive' der Sound anfängt zu knistern, stört niemanden. Das Publikum springt eifrig mit, während sich Max' BIOHAZARD-Shirt tragender Gitarrist in bester Chuck-Norris-Manier mit Roundhouse-Kicks versucht. Eine aufgeblasene Gummirakete gleitet über den Circle Pit, während zu 'Living Sacrifice' Strobolicht von der Bühne flackert.
Der SEPUL-Klassiker 'Refuse/Resist' heizt die Stimmung weiter an (ja, ja, die Pole Position), und irgendwann wird auch mal kurz ein SLAYER-Riff eingebaut, womit endgültig alle drei anfangs besagten Bands dieses Jahr vertreten sind.
Dann ist die Zeit der Tribal-Drums gekommen, die natürlich bei keinem SOULFLY-Gig fehlen dürfen. Dazu holt Senior Mastermind einen Fan auf die Bühne, der sich taktsicher mit drei Trommeln an der Performance beteiligen und hinterher die Drumsticks als Souvenir mitnehmen darf. Eine nette Geste, wie ich finde. Und es sollen noch weitere Einlagen folgen: Zu 'Unleash' kommt ein Gastsänger auf die Bühne, der allerdings lange Zeit überhaupt nicht zu hören ist. Warum ihm kein Roadie ein neues Mikro reicht, bleibt ein Rätsel, aber vielleicht ist die Crew auch zu sehr damit beschäftigt, Max' nächste Gitarre bereitzuhalten. Ungeklärt bleibt auch, warum der Gastsänger nicht noch zu 'Jumpdafuckup' auf der Bühne bleibt und der Song (wieder einmal) schon nach dem ersten Refrain abgebrochen wird. Sei's drum, zu 'Roots Bloody Roots' gibt's noch eine Wall Of Death, während 'Eye For An Eye' und ein METALLICA-Riff einen zwar nicht fehlerfreien, aber doch mitreißenden Gig beenden. Und allseits zufriedene Gesichter zur Knüppelnacht entlässt.
[Carsten Praeg]
Nachdem PESTILENCE das Feld von unten umgegraben haben, ist es nun Zeit für GOD SEED. Und wer sich fragt, wer denn das zum Teufel wohl ist, der hat anscheinend in den letzten Monaten nicht POWERMETAL.de gelesen. Nachdem Gaahl und KING den Prozess gegen Infernus verloren hatten, mussten sie sich einen neuen Namen suchen. Aus GORGOROTH wurde GOD SEED. Und ich bin ehrlich: Nach dem enttäuschenden Auftritt beim letzten Wacken Open Air und einem eher blutarmen Gig bei der letzten CRADLE OF FILTH-Tour versprach ich mir nicht wirklich viel. Doch der Namenswechsel muss anscheinend etwas bewirkt haben. Obwohl Gaahl immer noch kein Kilometergeld bekommt und auch keine Gesten hinzugelernt hat, erzeugen GOD SEED heute wirklich Atmosphäre. Die Knüppelnacht hat seinen ersten Gewinner. Trotz des Nebels sind im Hintergrund erneut zwei Kreuze zu erkennen, an denen jeweils ein lebender menschlicher Leib baumelt. Ein Männlein und ein Weiblein hängen maskiert am großen T, welches auf jeder handelsüblichen Kirche zu sehen ist. 40 Minuten Nacktheit, 40 Minuten roher Black Metal – Knüppelnacht, was willst du mehr?
[Enrico Ahlig]
"Seid ihr bereit für die Old-School-Zeit?" Sänger Martin van Drunen des Death-Metal-Urgesteins ASPHYX macht gleich zu Beginn klar, was los ist. Die Holländer sind mit einem geilen Album zurück und überzeugen heute Nacht auf der ganzen Linie. Vor der Bühne gibt’s einen ordentlichen Moshpit, und auf der Bühne geilen Old School Death Metal. Das ältere 'MS Bismarck' wird dabei genauso abgefeiert wie der neue Kracher 'Scorbutics'. Die Band wirkt sympathisch, voller Spielfreude und kommt mit einer geballten Portion Aggressivität, so dass das Publikum zu später Stunde gnadenlos ausrastet. Es gibt nix Besseres: Knüppelnacht, ordentlich Standgas, einen Met und dazu Death Metal! Also den Met abgezogen und ab in den Mosh-Pit!
[Christian Glaum]
- Redakteur:
- Enrico Ahlig