With Full Force 2009 - Roitzschjora

16.07.2009 | 17:52

03.07.2009, Flugplatz

Hart, härter, With Full Force. Auch im sechzehnten Jahr seines Bestehens versteht es das With Full Force, für heiße Ohren und steife Nacken zu sorgen. Party on!

Sonntag, 05.07.2009

Der letzte Tag des sechzehnten With Full Force steht auf dem Plan. Traditionell bekommen den ersten Slot auf der Hauptbühne die Jungs von der Spaßfront. Nach MANOS und MAMBO KURT in den letzten beiden Jahren heißt es heute Bühne frei für ELSTERGLANZ. Wem der Name so nix sagt, dem sagt vielleicht "Rambo, der beste Koch der Welt" etwas. Die beiden Comedians Sven und "Gilli" treiben mit derben Späßen so manchen Humorpapst an den Rand des Wahnsinns. Nebenbei machen sie auch noch herrlich verdrehten Metal, den sie heute auf der Hauptbühne präsentieren. Sänger Sven und sein Kumpel Gilli (an der Gitarre) haben sich für ihre Show Verstärkung geholt und hauen einen Spaßklumpen nach dem nächsten in die Menge. Es ist zwar erst 13.30 Uhr, aber das Gelände ist bereits bestens gefüllt. Da konnte MAMBO KURT im letzten Jahr vielleicht gerade einmal die Hälfte der Leute anziehen. Und ELSTERGLANZ beweisen, dass man sie zu Recht auf die Bühne geholt hat. Mit bösen Witzen und Lästereien sorgen sie für frivolen Spaß: "Deine Ome konnte schon nüscht!"

Nebenbei liefern sie mit 'Mutter von James Bond' oder dem Hit 'Kaputtschlaahn' feinen Spaß-Metal, der sofort ins Ohr und in die Lachmuskeln brettert. Zwischendurch liefern sich zwei Ringer mit Feuergitarren ein bizarres Gitarrenduell. Habe ich eigentlich erwähnt, dass Sängr Sven mit einem alten DDR-Moped auf die Bühne kam und dass die Pyroeffekte aus zwei Backöfen kamen? Herrlich schräg. Hoffentlich sehen wir die Jungs öfter auf den Metal-Bühnen, denn auch ein MAMBO KURT benötigt mal Konkurrenz.

Nach so viel Spaß sollte es mit SCARAB wieder ernster werden. Neben NERVECELL sind SCARAB die zweite Exotenband, denn die Herren stammen aus dem idyllischen Kairo. Wer auf Knüppel-aus-dem-Sack-Musik steht, der ist hier genau richtig. Nur schade, dass wie bei den Kollegen aus Dubai keine einheimischen Elemente in die Musik einfließen, sondern x-beliebiger Death Metal durchgeprügelt wird. Aber das scheint bei dreißig Grad Celsius überraschend gut anzukommen, denn nachdem nach ELSTERGLANZ der Platz zunächst wie ausgestorben wirkte, füllt sich der Bereich vor der Bühne im Laufe der Show. Die ist jedoch völlig unspektakulär – vielleicht sind die Ägypter auch nur ein wenig nervös und konzentrieren sich daher auf ihre Instrumente, statt das Publikum anzuheizen. Was soll's, Death Metal-Fans kommen auf ihre Kosten, während sich der Rest wie im Backofen fühlt.
[Enrico Ahlig]

Von der ersten Metalcore-Band des Tages AUGUST BURNS RED schallte als Intro Rozallas 'Everybody's Free' aus der Tentstage herüber (Hilfe!), und auch bei DEADLOCK kommt zunächst Techno von der Bühne. Zum Glück erschallen schon bald die ersten harten Gitarren. Während sich die Saitenfraktion im Bangen mit kurzen Haaren übt, erinnert der krächzende Sänger beim ersten Blick von der Frisur her ein wenig an Stephan Weidner. Auf den zweiten sieht's dann doch eher etwas emomäßig aus, was die Sängerin mit ihrem klaren Gesang unterstreicht – um mal kräftig das Schubladendenken zu noch nicht ganz wacher Stunde auszupacken. Hübsch anzusehen ist das Mädel aber allemal, und die Reihen vor der Bühne füllen sich zügig, als das auch die restlichen Metaller mitbekommen.

Ein paar Zeltgenossen räumen aber schon nach kurzer Zeit das Feld, "selten so gelacht", fällt ihr Kommentar recht spärlich aus. Dabei können die sechs Veganer auf der Maintage mit ordentlich Bass überzeugen, auch wenn die Musik eher an EVANESENCE denn an Metalcore erinnert. Aber sie passen allemal besser aufs Force als etwa DIE HAPPY vor ein paar Jahren, die seinerzeit am Sonntagmittag definitiv fehl am Platz waren. "Seid ihr schon wach für eine Wall Of Death?", fragt der Sänger artig, um noch ein paar Bonuspunkte zu sammeln - scheint ja mittlerweile in Roitzschjora zum guten Ton zu gehören. Doch trotz seines frommen Wunsches ("wäre nett, wenn's bis hinten zum Tor reicht") fällt das Gewühle um halb vier doch noch etwas spärlich aus. Kann man, muss man aber nicht gesehen haben.
[Carsten Praeg]

Und weiter geht der nachmittägliche Spaß: RAUNCHY. Bereits auf der letzten VOLBEAT-Tour quälten mich die Dänen mit ihrem 08/15-Metalcore. Aber wer seinen Stil mit "Futuristic Hybrid Metal" beschreibt, dem fällt eh nix mehr ein. Genau wie erwartet läuft jeder Song nach dem gleichen Muster ab: gegrunzte Strophe von Sänger Kasper, cleaner (und megaklebriger und langweiliger) Refrain von Keyboarder Jeppe. Das geht beim zweiten Song schon so auf die Nerven, dass man hier nur verschwinden will. Mögen die Strophen noch halbwegs erträglich sein, so geben mir die Refrains echt den Rest. Ich bin sprachlos, wie man mit so wenig Talent so einen Slot bekommt. Hier gibt es einen fetten Strafzettel von der Musikpolizei. Zum Glück bin ich mit meiner Meinung nicht alleine, denn das Gelände leert sich im Laufe der Show beträchtlich. Da schau ich mir lieber die Motorradshow an.
[Enrico Ahlig]

Die fünf Aussies (nicht zu verwechseln mit Ossis!) aus Byron Bay lassen am Sonntagnachmittag ein Metalcore-Gewitter der Extraklasse auf uns los. Dabei ist zu betonen, dass sich der Metalcore von PARKWAY DRIVE dabei positiv in Richtung Metal orientiert und durch Gitarrenriffs auszeichnet, die dem klassischen Heavy Metal angehören. Entsprechend findet sich das bunt gemischte Full-Force-Publikum im Mosh-Pit vor der Bühne wieder. Circle Pit, Wall Of Death und Violent Dancing begleiten dabei Songs wie 'Idols And Anchors' und 'Romance Is Dead'.
[Christian Glaum]

Rotzevolle Band, Teil eins: Als die Star-Truppe von DOWN um Ex-PANTERA-Frontsau Phil Anselmo die Mainstage entert, hat sie schon kräftig einen sitzen. Der Sänger lallt die Songansagen eher, während der Rest der Bande - u. a. Rex Brown (ebenfalls ex-PANTERA) und Kirk Windstein (CROWBAR) - damit beschäftigt ist, sich gegenseitig einen Hut aufzusetzen. "What the fuck am I wearing?", ruft Kirk, während Phil mit einem kräftigen "prost to all pussies" die weiblichen Fans grüßt.

Ihrem Südstaaten-Rock à la 'Stone The Crow' oder 'New Orleans Is A Dying Whore' tun die verbalen Fastentgleisungen aber keinen Abbruch. "Richtige Männermusik mit dicken Eiern" lautet die trockene Einschätzung des Kollegen Enrico.

Die Meute hat Spaß, vor allem, als DOWN gegen Ende ein paar Musikerkollegen mit auf die Bühne holen. Und zum Abschluss bekommt es Phil Anselmo sogar noch hin, LED ZEPPELINs 'Stairway To Heaven' a cappella zu trällern. Süffig, lustig, kurzweilig.

Rotzevolle Band, Teil zwei: SOCIAL DISTORTION. Die tags zuvor von Stephan Weidner über den grünen Klee gelobten Amis scheinen ebenso Gefallen am Gerstensaft zu finden wie zuvor schon DOWN. Zumindest klingen die Ansagen von Frontmann Mike Ness danach. "Siss iss a brandnuu ssong", aber wie er heißt, ist vor lauter Genuschel kaum zu verstehen. Dafür sehen seine Sonnenbrille und der schwarze Hut todschick aus, und auch das Tarantino-mäßige Intro hätte schon für gute Stimmung sorgen können - "können" wohlgemerkt, denn im Publikum geht gar nichts. Da hätte ich auf einem halben Hardcore-Festival bei den Urvätern des Gassenrocks mehr erwartet. Hier und da recken sich mal ein paar Finger in die Luft, aber von den sonst so Hüpfwütigen ist weit und breit nichts zu sehen. Mike nimmt's gelassen, richtet 'Don't Drag Me Down' gegen Rassismus und Intoleranz und lobt – wer hätte es gedacht – das deutsche Bier. Spätestens bei JOHNNY CASHs 'Ring Of Fire' hätte der Funken eigentlich überspringen müssen, aber irgendwie scheinen sich alle schon auf Lemmy zu freuen.
[Carsten Praeg]

Nach so viel Kaffeefahrtmusik ist es nun Zeit für eine deftige Prise Rock 'n' Roll: MOTÖRHEAD. Und wer kann uns das am besten liefern? Klar, nur Lemmy Kilmister. Und weil jeder weiß, was man an diesem Urgestein hat, ist der Bereich vor der Bühne auch rappelvoll, was Sonntagabend nicht immer der Fall war. So mussten SLAYER vor zwei Jahren mit weniger Fans auskommen. Doch Lemmy muss zunächst seinen Whiskey austrinken, daher verzögert sich der Start der Show um einige Minuten. Bei Lemmy drücken wir da gerne ein Auge zu.

Dann ist es aber so weit. "Guten Abend, we are MOTÖRHEAD and we play Rock 'n' Roll!" Mit 'Iron Fist' legen Lemmy, Phil und Mikkey Dee traditionell los. Was soll ich eigentlich zu einem MOTÖRHEAD-Konzert sagen? Jeder, der auch nur einmal eine Show der Götter gesehen hat, weiß, was sich hier auf dem Acker abspielt. Nach 'Stay Clean' wird mit 'Be My Baby' der erste neuere Ton angespielt. "Is it loud enough?" Mit 'Rock Out' wird es dann ganz frisch, wobei dieser Song wohl der einzige Song des aktuellen Albums "Motörizer" werden wird, der langfristig in der Live-Setlist bleiben wird.

Es folgen Klassiker wie 'Metropolis', 'Over The Top' und ein nettes Gitarrensolo von Mr. Campbell. Leider ist der Sound heute nicht das Gelbe vom Ei, was den unbegrenzten MOTÖRHEAD-Spaß nur bedingt einschränkt. Was gibt es Besseres als ein MOTÖRHEAD-Konzert mit einem frischen Bier in der Hand?

Mit 'When The Eagle Screams' folgt sogar noch ein zweiter Track des aktuellen Albums, bevor nach 'Another Perfect Day' das obligatorische 'In The Name Of Tragedy'-Spektakel (inklusive herrlichem Drumsolo von Mikkey Dee) ansteht.

Nach 'Going To Brazil' und 'Killed By Death' (feat. Nina C. Alice von SKEW SISKIN) ist erst mal Feierabend. Doch zwei Songs fehlen natürlich noch, und so kehren die Briten und der Schwede ein letztes Mal zurück. Mit 'Ace Of Spades' und 'Overkill' geben sie der Hauptbühne den Gnadenstoß und verabschieden sich nach einer ordentlichen Show von ihren Fans. 

Wer jetzt noch Kraft zum Feiern hat, der kann sich genüsslich in den "Last Supper" stürzen. Während END OF GREEN zunächst mit wenig Fans auskommen müssen (Lemmys Verspätung sei Dank), sind spätestens bei MY DYING BRIDE und ANATHEMA alle Fans anwesend. Während MY DYING BRIDE mit ihrem langsamen und schleppenden Sound alle Doom-Fans in Verzückung bringen, können ANATHEMA jeden nachtaktiven Menschen zum fröhlichen Wippen animieren. Kurz vor drei Uhr ist dann nach 'Sleepless' und dem PINK FLOYD-Cover 'Comfortably Numb' endgültig Schluss. Während sich die Briten von den Fans verabschieden, ertönt bereits der obligatorische With-Full-Force-Schluss 'Und also sprach Zarathustra'. Gute Nacht!

See you next year, With Full Force!
[Enrico Ahlig]

Redakteur:
Carsten Praeg

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