With Full Force 2015 - Roitzschjora
10.08.2015 | 14:3403.07.2015, Flugplatz
Das bereits 22. With Full Force und kein bisschen leiser: Der selbsternannte härteste Acker Deutschlands bei Roitzschjora bietet mal wieder sämtliche Extreme.
Von unmenschlich heißen Temperaturen bis hin zum Blitzgewitter, von Black und Death Metal bis hin zum Metalcore. Neben der Hauptbühne und dem Hardbowl im großen Zelt sorgen wie immer die legendäre Knüppelnacht und das Saturday Night Fever für gute Laune. Für uns wieder vor Ort: Chris Gaum und Tobi Schneider. Dazu mit freundlicher Unterstützung unserer Kollegen von Metal.de/Foto Krüger ein paar fotografische Eindrücke. Viel Spaß beim Schmökern!
With Full Force Nr. XXII und ein weiteres Jahr der Extreme! Ich weiß, dass ich meinen letztjährigen Bericht mit einer Geschichte übers Wetter begonnen habe, bei dem es um Gejammer über viel zu viel Staub und höllische Temperaturen ging. Ich lasse es dieses Jahr und erwähne stattdessen, dass es selbstverständlicherweise keinen schöneren Platz auf der Welt gibt, wo man das Rekordhitze-Wochenende seit bestätigten Messungen verbringen möchte, als Roitzschjoras Flugplatz-Acker!
SUICIDAL ANGELS
Mit einem sehr coolen Turbojugend-Athen Shirt macht nicht nur Sänger und Gitarrist Nick eine gute Figur. Die SUICIDAL ANGELS hauen uns ein krachendes Thrash-Metal-Set um die Ohren. Mit ordentlichem Groove sorgt 'Seed Of Evil' für kollektives Kopfnicken. Dass die Griechen das Gaspedal auch bis zum Anschlag durchtreten können, beweisen Sie im Anschluss mit 'Bleeding Holocaust'. Der Circlepit vor der Bühne ist aus medizinischer Sicht bei diesen Temperaturen zwar kaum vertretbar, aber die gutgelaunte 'Moshing Crew' muss ihrem Namen ja alle Ehre machen. 'Beggar Of Scorn' und die Abrissbirne 'Apokathilosis' vom ''Sanctify The Darkness''-Album bestätigen einen rundum starken Auftritt.
PRO-PAIN
Immer wieder voll auf die Zwölf und immer wieder gut. Die Legende PRO-PAIN aus New York hat auf dem Full Force noch nie enttäuscht. So auch heute nicht, denn 'Shreds Of Dignity' und 'Un-American' machen unweigerlich klar, was Hardcore ist. Auch vor der Bühne ist nun ordentlich Bewegung. PRO-PAIN erreicht das eigentlich immer ohne großartige Ansagen oder Aufforderungen. Bei 'Gone Fishing' oder dem grandiosen 'Fuck It' braucht niemand mehr eine extra Einladung. Obwohl Gery Meskil als einziges Gründungsmitglied zahlreiche Besetzungswechsel verkraften musste, wirkt die Band wiedermal perfekt aufeinander eingespielte. Dazu eine Mischung von Metal und Hardcore, die den Begriff Metalcore tatsächlich mal zum Kompliment macht. Und es wird ordentlich Staub vor der Bühne aufgewirbelt. Immer noch eine Bank!
FEAR FACTORY
Vor 5 Jahren war die Industrial-Metal-Maschine zuletzt auf Deutschlands härtestem Acker. Von damals (2010) erinnere ich mich noch an einen recht einseitigen Bassdrum-Matsch beim FEAR FACTORY-Auftritt. Der Sound ist heute deutlich besser, wenngleich das ständige Pendeln zwischen Clean- und Shout-Passagen von Burton C. Bell live immer etwas problematisch ist. Dennoch macht die Band ihre Sache mehr als ordentlich und hat sichtlich Spaß. 'Powershifter' und 'Lynchpin' machen gleich mal unmissverständlich klar, was es in den kommenden 40 Minuten auf die Ohren gibt. Kalten und harten Metalsound mit maschinenartigen Doublebass-Gewittern bei ca. 36° C. 'Soul Hacker' vom aktuellen Album ''Genexus'' hat dabei nicht weniger Druck als der Opener vom Erstlingswerk, dem ultrabrutalen 'Martyr'. Inzwischen ist vor der Bühne wieder ordentlich Betrieb und auch auch auf dem Backstage-Balkon wird es nun voller, bevor es zum Abschluss mit 'Replica' noch einen echten Klassiker gibt. Ich denke, ich werde der nächsten Tour von FEAR FACTORY bestimmt einen Besuch abstatten.
CARCASS
Als gut fünf Wochen vor Festivalbeginn die letzten Bandbestätigungen reinkommen, hab ich das fast so gefeiert wie die letzte Weltmeisterschaft. Die Engländer CARCASS sind eines meiner spärlichen Highlights auf dem diesjährigen Full Force. Ein paar Töne vom geilen Intro '1985' der letzten Scheibe ''Surgical Steel'' reichen aus, um die Kopfbedeckung wegzuschmeißen und zum ersten Track 'Unfit For Human Consumption' kolossal auszurasten. Groove, Thrashbeat, atemberaubendes Gitarrensolo, Blastattacke... Endlich ist alles da! Jeff Walker hat keine Probleme, auch Grüße an das jüngere Publikum zu schicken und bietet mit dem Doppelpack 'Genital Grinder/Exhume To Consum' eine Lehrstunde in Sachen Grindcore an. Es soll ja Metalheads geben, die bei CARCASS kein Hitpotential sehen und den Engländern keine Headliner-Slots zutrauen (heute Co-Headliner). Also wem bei 'Coporal Jigsore Quandary' keiner abgeht, der hat irgendwie beim Thema Death Metal nicht aufgepasst. Die Begründung, die Jeff für die etwas lichte Crowd hat ("well, CARCASS-Fans aren't idiots") finden vielleicht nicht alle lustig, aber ich merke: Hier regiert Oldschool, hier fühle ich mich wohl! Soundtechnisch ist das für ein Festival echt ordentlich und die Gitarrenfraktion sorgt wie immer für beste Unterhaltung. Folglich sind mir die 60 Minuten nach einem megageilen 'Heartwork' natürlich viel zu schnell vorbei.
[Chris Gaum]
PARKWAY DRIVE
Mit PARKWAY DRIVE steht nun der erste Headliner in diesem Jahr bereit. Die australischen Metalcoreler, die man zurecht zur ersten Wahl dieses Genres zählen kann, besuchen den Full-Force-Acker im gefühlten Zwei-Jahres-Rythmus und immer wieder konnte man eine Schippe drauf legen. Bei massig Andrang vor der Mainstage gibt man wie gewohnt mit Knallern wie 'Carrion' oder 'Dead Man's Chest' ordentlich Gas. Von der ersten Scheibe bis zum aktuellen Album ''Atlas'' wird ausgewogen Songmaterial präsentiert und selbst eine kleine Cover-Einlage des RAGE AGAINST THE MACHINE Klassikers 'Bulls On Parade' kann untergebracht werden. Neben den eingängigen Songs überzeugt auch die visuelle Bühnenshow voll. Und als wenn die immer noch drückende Hitze zu dieser späten Stunde nicht genug wäre, gibt es noch einen aus den zahlreichen Feuerfontänen oben drauf. Absolut gelungene Show und wenn die Tendenz weiter Bestand hat, sieht man sich in zwei Jahren wieder... mit einer weiteren Platte (das neuen Album ''Ire'' erscheint im Herbst dieses Jahres).
[Tobi Schneider]
MASTER
Paul Speckmann mit MASTER bei der Knüppelnacht. Das hat doch echt mal Kultfaktor. Den Undergorund Survivor mit seiner Oldschool-Death-Metal-Walze hier in Aktion zu erleben ist ein Ausflug in die Vergangenheit. Demnächst geht er mit MASTER übrigens auf die "Grandpas of Death"-Tour und damit sollte eigentlich klar sein, was die nächsten 40 Minuten bevorsteht. Mit einem knappen "We're Master" schmettert er uns zu später Stunde den Namensgeber 'Master' entgegen. Auch wenn Songs wie 'Judgment Of Will' für leichten Kopfnicken vor der Bühne sorgen, habe ich das Gefühl, als sei die Band doch zu viel Underground. Kaum einer scheint die Nummern zu kennen und die etwas emotionslose Performance trägt nicht gerade dazu bei, das verhaltende Publikum anzufeuern. Musikalisch passt das eigentlich perfekt zur Uhrzeit und dem Alkoholspiegel, aber es fehlt ein bisschen Power. Man muss ja nicht unbedingt wie Barney Greenway (NAPALM DEATH) über die Bühne hüpfen, aber etwas mehr Euphorie seitens der Band hätte einen ordentlichen Gig sicher besser gemacht. So muss man sich halt über 'Funeral Bitch' freuen, ohne sich zu bewegen. Schon merkwürdig: Oldschool Death Metal und kein Pit vor der Bühne.
ROTTEN SOUND
Attacke! Bei ROTTEN SOUND gibt's mal wieder richtiges Geballer. Trotz der unglaublichen Geschwindigkeit und der gnadenlosen Brutalität ist bei der Grindcore-Truppe aus Finnland auch immer mal Platz für ein paar richtig schöne Moshparts. Während bei MASTER eine Art stoische Ruhe auf der Bühne geherrscht hat, zeigen ROTTEN SOUND, dass sie durchaus in der Lage sind, sich zu Grindcore Blasts im Takt zu bewegen. Wie zu erwarten ist das ein sehr guter Auftritt, bei dem abermals die etwas zurückhaltende Stimmung vor der Bühne das einzige Manko bleibt.
AURA NOIR
Jahrelang habe ich die Norweger von AURA NOIR gar nicht gesehen und dann gleich zwei Mal hintereinander. Und das ist ein Grund zur Freude, denn der Oldschool geprägte Black Thrash ist live fast noch eine Spur geiler als auf den zwar kultigen, aber soundtechnisch schon üblen Platten. Mit 'Black Metal Jaw' wird auch klar, dass heute Nacht keine Gefangenen gemacht werden. So schafft die Band es trotz Ermüdungserscheinungen beim Publikum noch mal, einen sehr geilen Gig abzuliefern. So wirklich viel los ist nicht mehr und wie auch bei den anderen Bands der Knüppelnacht merkt man, dass kaum jemand die Songs kennt. Aber das stört bei so fetzigen Thrash-Granaten wie 'Conquerer' kaum.
[Chris Gaum]
- Redakteur:
- Carsten Praeg