With Full Force 2016 - Löbnitz

29.08.2016 | 20:50

01.07.2016, Flugplatz Roitzschjora

Auch beim diesjährigen With Full Force beackert wieder das Who is Who aus Metal, Hardcore und Metalcore den selbsternannten "härtesten Acker" des Landes: Bands wie SLAYER, AMON AMARTH, BAD RELIGION und HATEBREED geben sich auf dem Flugplatz Roitzschjora im sächsischen Löbnitz die Klinke in die Hand. Wie immer für uns mittendrin im Gewühl: Unsere beiden Gastautoren, der inzwischen frisch verheiratete Christian Gaum sowie sein SUICIDE KINGS- und FOUR MONKEYS-Bandkollege Tobias Schneider. Ein besonderer Dank geht an Krüger/Metal.de für das Fotomaterial.



Der alljährliche Pflichtbesuch auf dem Flugplatz Roitzschjora bei Löbnitz bietet wieder einmal ein bewährtes Mischprogramm aus Metal, Hardcore und Punk. Eigentlich alles wie immer, aber zumindest für mich ein durchaus bedeutendes Jahr, denn mit meinem 15-jährigen WithFullForce Jubiläum gibt es einen weiteren Grund für eine krachende Party. Dazu steht uns ein Wochenende mit einem denkwürdigen Fußballspiel bei absolut erträglichen Temperaturen bevor. Die Begleitumstände könnten folglich kaum besser sein. Die erste Überraschung gibt es dann gleich bei der Zufahrt auf den Campground: Durch den englischen Sommer ist das Gras etwa kniehoch gewachsen (die letzten 14 Jahre war es eher eine Staubwüste). Der Versuch, das Auto als Aufsitzrasenmäher zu verwenden, scheitert allerdings kläglich. Nun gut, dann schläft es sich wenigstens besonders weich.

Als Festivalauftakt hören wir noch ein paar Takte von DESERTED FEAR, dessen oldschool-lastiger Schweden-Death Metal durchaus zu gefallen weiß. Dann gibt es im Zelt mit den Rostockern von CRUSHING CASPARS richtig geilen Hardcore Punk. Die Band ist nicht zum ersten Mal zu Gast auf dem Full Force und passt auch dieses Mal wie die Faust aufs Auge, denn in den Songs wie 'Viva La Rostock' und 'Eye For An Eye' vereinigen sich Punk und Metal zu einem energiegeladenen Stilmix. Mit ihrem Baltic Sea Hardcore zählt die Band zum alten Eisen und es verwundert kaum, dass im Zelt hauptsächlich die ältere Fraktion des Festival-Publikums zahlreich vertreten ist. Der Stimmung schadet es nicht und den CASPARS kann ich wieder einmal einen starken Auftritt bescheinigen.

Noch vor dem Ende des letzten Akkords sind wir auf dem Weg zur Mainstage, wo es mit HAVOK aus Denver gleich eine der wenigen Thrash-Bands des Festivals zu sehen gibt. Die noch sehr lichten Reihen füllen sich während des ersten Songs schlagartig, denn HAVOK schleudert uns mit 'Point Of No Return' und 'From The Cradle To The Grave' zwei Thrashgewitter um die Ohren, die Ihre nachhaltige Wirkung nicht nur in den vorderen Reihen entfalten.

Nach diesem knüppelharten Set gibt es erstmal eine kleine Verschnaufpause, bis wir uns zu ''weicheren'' Klängen ins Hardbowlzelt zu H2O begeben. Vor einigen Jahren noch sehr rar in Europa unterwegs, sind die New Yorker mittlerweile Dauergäste in Deutschland und wurden von mir in der jüngeren Vergangenheit recht häufig bestaunt. Da sollte eigentlich Langeweile aufkommen... nix da! Routiniert und gut gelaunt wie immer wird Hit an Hit gereiht und das Publikum jederzeit in die energiegeladene Show mit einbezogen. '5 Year Plan', 'Guilty By Association', 'F.T.T.W.' und als Finale natürlich 'What Happened'. Klasse Auftritt!

Auf SIX FEET UNDER habe ich mich echt gefreut und werde schwer enttäuscht. Die Band spielt ausschließlich das Coverprogramm (noch dazu die schlechteren Cover) und das zündet nicht. SIX FEET UNDER haben starke Alben und geile Songs, warum also sich nicht darauf konzentrieren? Am besten ist noch der Schluss, bei dem mit  'Stripped Raped And Strangled' und 'Hammer Smashed Face' wenigstens noch zwei Mal echter Death Metal zu hören ist.  Das war (fast) gar nix.

PERKELE zählte schon beim letzten Full Force-Besuch zu meinen Highlights. Dieses Mal ist das nicht anders! Mitten unter das ganze "Core-Geballer und Kettensägen-Riffing" des Bandaufgebots mischt sich diese schwedische Oi!-Punk-Kapelle und beweist mit Songs wie 'Moments' oder 'Heart Full Of Pride', dass man auch nur zu dritt und mit wunderbaren Melodien eine Energie unter der Zeltkuppel entfachen kann, die einen noch die restlichen Festivaltage mitreißen wird. Klingt sehr dick aufgetragen... ist es auch!

Es gibt Bands, die gehören praktisch zum Full Force-Inventar und eine davon ist SLAYER. Wieder einmal sind die Thrash Metal-Götter zu Gast und laden zu einem diabolischen Abendprogramm ein. Vor wenigen Monaten habe ich die Band noch auf ihrer Hallentour zum aktuellen Album ''Repentless'' gesehen und war wenig begeistert. Es ist an der Zeit, sich etwas Unausweichliches, was man nicht wahrhaben will, einzugestehen: SLAYER ist alt geworden. Tom Araya kann sich seit nun schon sechs Jahren nur noch sehr hüftsteif bewegen. Jeff Hanneman fehlt der Band zumindest optisch, wenngleich Gary Holt spieltechnisch in allen Lagen mithalten kann. Paul Bostaph bringt live einfach keine geraden Doublebass-Parts auf die Reihe und lässt einen Dave Lombardo schmerzlich vermissen. Nur Kerry King wirkt so, als gehe die Zeit an ihm spurlos vorbei. Aber das reicht nicht mehr. Obwohl SLAYER heute ein sehr geiles Set spielt - 'Fight Till Death' und 'The Antichrist' sind positive Überraschungen - fehlt es inzwischen einfach an der brachialen Urgewalt. 'War Ensemble' und vor allem das Finale mit 'Raining Blood', 'Black Magic' und 'Angel Of Death' schrauben dann aber nochmal die Messlatte deutlich nach oben. Dem Publikum gefällt es und im Pit werden Freundlichkeiten ausgetauscht, aber ich muss mir eingestehen, dass ich schon bessere SLAYER-Auftritte gesehen habe.

Die Knüppelnacht beginnt für uns dieses Mal mit dem polnischen Death Metal-Urgestein VADER. Frontsau Peter macht unmissverständlich klar, dass ihm 40 Minuten ausreichen, um die anwesenden Zeltbesucher niederzustrecken. Diese Brutalität, dieses Inferno aus Geschwindigkeit und Groove bleibt unerreicht. Für mich der heftigste Auftritt dieses Jahr und diesen Eindruck bestätigen nicht nur Songs wie 'Carnel' oder 'Wings', sondern gerade auch der überragende Midtempo-Stampfer 'Triumph Of Death'.  Zum Glück hat VADER immer wieder einen lockeren sympathischen Spruch zwischen den Songs eingebaut, denn sonst hätte ich das nicht überlebt.

GRAVE aus Schweden macht jetzt schon seit 20 Jahren echten schwedischen Todesblei. Wenn man mal überlegt, wie viele Kippen Sänger und Gründungsmitglied Ola Lindgren in dieser Zeit geraucht hat, ist es ein Wunder, dass er überhaupt noch ein Röcheln aus dem Hals bekommt. Es klingt nach Tod, was uns mit  'And Here I Die' am frühen Samstagmorgen entgegen geschmettert wird. So langsam muss ich der abenteuerlichen Mischung aus Bier, Apfelwein, Met und Jägermeister Tribut zollen. Lindgren kündigt derweil 'Into The Grave' an ... Ok, genauso machen wir es ...

Redakteur:
Carsten Praeg

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