Yat-Kha - Berlin

14.10.2005 | 13:59

12.10.2005, Palais

Es gibt eine Promo-Agentur, die versucht offenbar heimlich, still und leise, die Metal-Welt mit nicht-metallischer Musik zu unterwandern. Unsere Hamburger Kollegen von Sure Shot Worx haben neben den üblichen Verdächtigen aus dem eher härter gelagerten Metal-Genre ein seltsames Faible für im weitesten Sinne folkloristische Klänge, und es ist immer wieder spannend, was einem da jenseits von Schwarz- und Todesmetall auf dem Schreibtisch landet. Eine der nicht-metallischen Bands, die dort promoted werden, sind YAT-KHA. Diese originelle Truppe kommt aus der russischen Provinz Tuva, kurz vor der Mongolei, und widmet sich dem traditionellen Kehlkopf-Oberton-Gesang. Wer jetzt vor seinem geistigen Auge einige Fragenzeichen aufblitzen sieht, sollte sich zwecks Aufklärung das sehr informative [Interview von Eike Schmitz] http://www.powermetal.de/interview/interview-859.html zu Gemüte führen. Das aktuelle YAT-KHA-Album "Re-Covers" verbindet jedenfalls diesen eigenartigen Gesang mit überwiegend westlicher Musik, denn es enthält Cover-Songs von MOTÖRHEAD, Bob Marley, LED ZEPPELIN, KRAFTWERK und vielen mehr, die man jedoch aufgrund ihrer äußerst fremd anmutenden Neuinterpreation oft kaum erkennt, und wenn doch, kann man sich meist ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, so unterhaltsam sind sie.

Auf ihrer Europa-Tour machten YAT-KHA-Gründer Albert Kuvezin und seine Band auch Station im Berliner Palais, in dessen bestuhlten Räumlichkeiten sich ein recht buntes Publikum einfand. Im Hintergrund hielten sich die etwas kultivierteren Herrschaften auf, während sich auf dem Fußboden vor der Bühne ein eher linksalternatives Grüppchen breit machte, von denen sogar einer sich der Jesus-Latschen entledigte und im Schneidersitz ungeniert an seinem mitgebrachten Getränk nippte. Links neben uns übte sich eine junge Frau allein im Barfuß-Ausdrucks-Tanz und stand das ganze Konzert über nicht still. Der überwiegende Teil der Anwesenden begnügte sich jedoch sitzenderweise mit rhythmischem Kopfnicken und spendete zwischen den Stücken begeisterten Applaus.

Mit dem MC PEAKE FAMILY-Cover 'Will You Go, Lassie, Go' begannen YAT-KHA ihr Set, und von Anfang an beeindruckte diese für unsere Ohren sehr fremd klingende Gesangstechnik Kuvezins. Der schmächtige, eher unauffällig bekleidete Asiate entlockte - zum Teil ohne seine Lippen überhaupt zu bewegen - seinen Stimmbändern abgrundtiefe Töne, die noch im Magen widerhallten. Laut Kollege Eike klingt das so, als habe der Sänger ein Didgeridoo verschluckt, ein Freund von mir zog Assoziationen zu TOM WAITS, nur noch etliche Etagen tiefer - aber richtig beschreiben kann man das eigentlich nicht. YAT-KHA muss man erleben, denn sie bieten eine Art musikalisch-optisches Gesamtkunstwerk. Neben Kuvezins Gesang begeisterte vor allem Sholban Mongush an der Morin-Khuur, einer Pferdekopfgeige. Der Winzling mit putzig anzusehender asiatischer Kopfbedeckung entlockte diesem nur zweisaitigen Instrument fast noch unglaublichere Töne als Albert Kuvezin seinen Stimmbändern. Die Morin-Khuur ist sowohl als Rhythmus- als auch als Streichinstrument zu gebrauchen und wurde von ihm mit einer solchen Lässigkeit gespielt, als ob jedes Kind das beherrschen müsste, dabei jedoch so brillant, dass es zu den verstärkten Instrumenten faszinierende Gegensätze setzte. Zudem verfügt der Asiate über eine schöne klare Stimme, die mich teilweise an moslemische Muezzins erinnerte und vor allem im Duett mit Alberts Kehlkopf-Knarzen phantastisch war. Im Laufe des Konzerts blühte Mongush immer mehr auf, lieferte eine Art Schlangentanz im Sitzen (und bei der Zugabe auch im Stehen) - kein Wunder, war seine Mutter doch 20 Jahre lange Tänzerin des Staats-Ensembles "Sayany" von Tuva - und sprach die wohl universellste Sprache überhaupt: ein strahlendes Lächeln. Auch um Albert Kuvezins Englisch war es kaum besser gestellt, seine Ansagen waren spärlich, mäßig verständlich, aber sympathisch, und mit einem aus tiefstem Kehlkopf brummenden "Auf Wiedersehen" vor der ersten Zugabe sammelte er zusätzliche Pluspunkte. Am Schlagzeug befand sich Zhenya Tkachov, genannt Rasputin, und das war er auch - ein Russe wie aus dem Bilderbuch. Mit gleichmütiger, fast tranceähnlicher Miene, strubbeligem Haar und wildem Bart trommelte er seinen Part. Als optischer Gegenpol fungierte Bassist Scipio, ein Farbiger mit Rastalocken, erotischem Hüftschwung, strahlend weißen Zähnen und einem variantenreichen Spiel auf dem Fretless-Bass.

Somit war es neben der Vokal-Akrobatik der beiden Sänger vor allem die musikalische Seite, die das Konzert zu einem echten Erlebnis machte. "Die haben's voll drauf", befand jedenfalls mein Begleiter. Allerdings musste man auch mit dem einen oder anderen, für meinen Geschmack etwas zu langatmigen Gitarren- oder Bass-Solo leben, worunter die Improvisation mit Elementen von 'Freude schöner Götterfunken' und 'Oh Du lieber Augustin' noch die gelungenste war. Alles in allem war es jedoch ein auf seine eigentümliche Art beeindruckendes Konzert, das Freunde von 70er-Rock (das Gitarrenspiel von Kuvezin), progressiven Klängen (die teilweise leicht experientellen Klänge und Soli), Folk- und Weltmusik (die Morin-Khuur, die Sprache und die Musiker selbst) gleichermaßen begeistert haben dürfte.

Die nachfolgende Setlist, die neben dem aktuellen Album "Re-Covers" auch die zahlreichen anderen Alben von Yat-Kha abgedeckte und somit eine große stilistische Vielfalt aufwies, habe ich mir nach dem Auftritt übrigens von der Bühne geklaut - und war fast schon enttäuscht, dass sie keine kyrillischen Buchstaben enthielt.

Intro: Will You Go, Lassie, Go (MC PEAKE FAMILY)
When The Levee Breaks (LED ZEPPELIN)
Teve-Khaya
Carry Me Through
Amby Baryp
Love Will Tear Us Apart (JOY DIVISION)
Come Along
Erbek Aksy
The Steppe, The City, The Sea
Dorug Daiym
Her Eyes Are A Blue Million Miles (CAPTAIN BEEFHEART)
Kozhamyk
Dyngyldai
Takh-Pakh
Black Magic Woman (CARLOS SANTANA)
In-A-Gadda-Da-Vida (IRON BUTTERFLY)
Good Bye
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Tuva.Rock
Purple Haze
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Kazhan Toren Karam Bulur

Redakteur:
Elke Huber

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