Yellowstock Festival - Geel, Belgien

03.09.2009 | 13:12

07.08.2009, JC de Bogaard

Ein kleines und gemütliches Festival in einer belgischen Kleinstadt mit vielen tollen (und davon etlichen weitgehend unbekannten) Psychedelic- und Stoner-Rock-Bands. Ein interessanter und angenehmer Trip nach Geel zum Yellowstock Festival.

Die ersten beiden Bands des zweiten Tages hatten sich bei einem Bandcontest für's Yellowstock qualifiziert. Zunächst die LORDS OF THE VOID, die mit ihrem energetischen, blues-driven Rock gleich begeistern können. Das Trio ist trotz der noch geringen Resonanz mit Spielfreude bei der Sache, vor allem die geile Whiskey-Röhre des Sängers (hätte ich einem so jungen Spund gar nicht zugetraut) ist ein echter Hinhörer. Im Anschluss wird allerdings nicht so ganz klar, warum die LORDS OF THE VOID bei dem erwähnten Bandcontest nur den zweiten Platz hinter den nun aufspielenden FURY OF THE WILD ergattern konnten. Diese Band tendiert nun mehr in Richtung Punk/Hardcore und will die Leute gleich zu Beginn mit der Forderung "start a riot" aufputschen, allerdings lassen sich nur zwei Verwegene animieren und zappeln vor der Bühne zur Musik (der Rest hat es sich sitzend auf der Wiese bequem gemacht). Geboten werden bekannte, simple Punk-Rhythmen und -Melodien und schnörkelloser Rock'n'Roll, das 'Blitzkrieg Bop'-Cover scheint da nahezu unumgänglich. Als spannender und mitreißender kann aber auf jeden Fall die erste Truppe gelten, da kam ein bisschen mehr rüber als nur Haudrauf und aggressives Geschrei.

MAMMOETEN OP KOUSEVOETEN? Das heißt so viel wie Mammute auf Samtpfoten (ausgeknobelt und daher ohne Gewähr), eine coole, wenn auch nicht hundertprozentig passende Umschreibung für die teilweise recht experimentelle Mucke der Belgier. Die sechsköpfige Band agiert überwiegend instrumental, es kommt sogar ein Theremin zum Einsatz, ein mit einer Art Antenne ausgestatteter Kasten, den man ohne Berührung mittels Körperbewegung ansteuert und spielt und dem man auf diese Weise ungewöhnliche Töne entlocken kann. Ruhig, bedächtig und atmosphärisch mit ein paar ekstatischen Ausbrüchen ist das hier Gebotene, leider ist der Sound teilweise arg übersteuert. Insgesamt kommt uns die Band ein bisschen zu experimentell und verspielt rüber. Sie sind der extravagante Part des Festivals, verkopft wirkende Typen (was aber wahrscheinlich auch die Intention des Ganzen ist) in knallengen Hosen werkeln und frickeln bis die Klarinette glüht. Das ist einerseits recht interessant, auf der anderen Seite aber auch etwas gewöhnungsbedürftig. Aber am Geschmack scheiden sich bekanntlich die Geister und einen hohen musikalischen Anspruch möchte man der Band nicht aberkennen.

Die nun Folgenden ernten dicke Begeisterung - sehr zu Recht für die drei Jungs aus den Niederlanden, genannt THE MACHINE. Sie ziehen mit wummerndem, rollendem Bass in KYUSS-Manier ihre Kreise auf der Außenbühne und in kürzester Zeit eine rege Schar Zuhörer in ihren Bann. Geschuldet ist das vor allem dem wirklich erstaunlichen Gitarrenkünsten des Sängers, der sich auf der Bühne in einen Rausch spielt und ein sensationelles Schauspiel auf seiner Klampfe abliefert. Dabei bleiben Augen und Münder auch den älteren Herren und Damen unterm Publikum weit offen stehen, mancher vergisst gar sein eben gedrehtes Rauchwerk zu entzünden. Jene also, die wie eine nette Schülerband anzusehen sind (was auf jeden Fall auch auf geblümte, orangefarbene Shorts und Turnschuhe zurückzuführen ist), entlarven sich als wahre Könner, und man kann sich sicher sein, dass von dieser Fraktion, in welcher Form auch immer, noch Einiges zu erwarten sein wird. Eine gewisse Verspieltheit ist durch das versierte Gitarrenspiel gegeben, allerdings im Gegensatz zu den Samtpfoten-Mammuten sehr passend in die Stücke integriert - auch beim wunderbar abgewandelten PINK FLOYD-Cover 'Astronomy Domine' zeigen die Drei ihr großes Talent. Man lehnt sich einfach zurück auf der Wiese und genießt in der Mittagsglut diesen großartigen Auftritt voller Energie und Leidenschaft - das nämlich ist es, was man der Truppe wirklich ansehen und -hören kann. Kurzum, einer unserer absoluten Favoriten auf dem Yellowstock.

Und weiter geht's mit einer sich anschließenden kosmischen Reise, die von nur zwei Herren initiiert und begleitet wird. Sänger und Gitarrist - mehr braucht es bei der COSMIC TRIP MACHINE nicht. Die akustische Musik ist sehr ruhig, beinahe besinnlich, aber auf Dauer auch etwas farblos.

Es bleibt keine Zeit zum Atemholen, durch das Bespielen von zwei Bühnen funktionieren die Übergänge nahezu fließend. Schon steht die nächste Truppe auf den Brettern: Blues Rock vom Feinsten mit einer atemberaubenden Frontröhre - CORALEE & THE NO TROUBLES BLUES BAND beziehen die Außenbretter und nehmen das Publikum sofort für sich ein. Erdiger old-school Blues, der die rockige Seite betont, und mit für diese Richtung typischem Gitarrensound und einer Mundharmonika aufwartet. Die Herren der Schöpfung mit ihren Blues-Brother-esken Sonnenbrillen geben sich betont lässig, während CoraLee durch ihr Stimmvolumen und ihren einnehmenden Enthusiasmus begeistert. Das halbe 30.000-Einwohner-Städtchen wird von ihrem Frequenzbereich umschlossen, soviel ist sicher - da sind Erinnerungen an Raubein Janis Joplin nicht von der Hand zu weisen.

Abwechslungsreicher, stimmungsvoller Stoner Rock aus Duitsland - das sind SAMSARA BLUES EXPERIMENT (von dem Blues im Bandnamen sollte man sich übrigens nicht auf die falsche Fährte locken lassen). Neben ausladenden, melodisch-spacigen Passagen gibt es auch richtig schweren Stoner mit furztrocken gespielten Brachial-Riffs auf die Lauscher. Diese Band läuft sicher nicht Gefahr, sich in überflüssigem Gegniedel zu verlieren, dazu sind die immer wieder rausgehauenen fetten Killer-Riffs, die den Boden erbeben lassen, nun überhaupt nicht angetan. Das soll aber nicht heißen, dass SAMSARA BLUES EXPERIMENT nicht auch getragen und harmonisch zu Werke gehen können, auch solche ruhigeren Passagen fügen sich gut ins Gesamtbild ein.

EARHTLING SOCIETY sind eine Combo mit bereits gereiften Herren, die wenig überraschend mit ordentlichem 70er-Jahre-Rock aus dem Spannungsfeld zwischen DEEP PURPLE und KING CRIMSON aufwarten. Das Ganze ist manchmal recht hypnotisch, insgesamt fehlt dem Spiel aber etwas die Prägnanz und nicht alle Songs zünden. Nach dem mitreißenden Blues Rock von CoraLee und ihren Mannen sowie dem heftigen Stoner von SBE ist das nun Mucke zum Runterkommen, allerdings ohne den letzten Biss. Musikalisch durchaus ansprechend, aber manchmal auch ein bisschen langatmig - wahrscheinlich befindet sich aber einfach noch zu viel Adrenalin in unseren Kreisläufen und verweigert sich des zu raschen Abbaus.

 


Schön treibenden und melodischen Stoner zelebrieren 3 SPEED AUTOMATIC aus den Niederlanden. Der Gitarrist wirbelt in dem Reigen wild, beinahe wie aufgezogen herum und garniert das Treiben auf der Bühne mit einem gewissen Rockstar-Gebahren. Sein Gesicht verschwindet dabei fast die komplette Zeit unter seiner schwarzen, wallenden Lockenmähne. Musikalisch ist die Truppe aber über jeden Zweifel erhaben - sie haben gute Songs auf Lager, die in strammes Riffing und eingängige Melodien gebettet sind und damit äußerst wohltuend ins Ohr dringen. Der Zuspruch der Hörerschaft ist entsprechend euphorisch - man merkt, dass man sich so langsam den Höhepunkten des Abends nähert und sich die Begeisterung kontinuierlich steigert.

Als Publikumsmagnet und Lieblinge auf der Außenbühne präsentieren sich die schwedischen Hippies von SIENA ROOT natürlich wieder mit einem überschwänglich angekündigten Überraschungsgast, einer jungen Sängerin mit großer Stimmgewalt, deren Name uns leider entfallen ist. Mit zwei akustischen Stücken stimmen sie sich und ihre erwartungsvolle Fangemeinde genau wie beim diesjährigen Stoned From The Underground auf eine klasse Show ein und ähnlich wie dort gelingt es der Band im Handumdrehen eine ausgelassene Feierlaune zu erzeugen. Die Schweden, just mit ihrem vierten Album aus dem Knick gekommen, haben tolle psychedelische Songs am Start und bleiben auch bei wiederholtem Livegenuss spannend, was hauptsächlich daran liegt, dass die Band permanent mit neuem (Gast-)Sänger bzw. -Sängerin auftritt, wodurch stets gewisse Unterschiede bei der Intonierung festgestellt werden können. Zu guter Letzt setzt der langhaarige Drummer noch seine Sticks in Brand, was angesichts der Stimmung und dieser lauen Sommernacht unterm Mond eine, naja, zusätzliche Wärme entfacht und den farbenprächtigen SIENA ROOT einen wirklich gelungenen Abschluss beschert.

Im Finale des Abends steht mit LITMUS eine britische Band, die sich über mangelnde Zuschauerresonanz wahrlich nicht beklagen kann. Trotz anfänglicher soundtechnischer Probleme, welche den Aufbau des Equipments um geraume Zeit verzögern, bleibt das Publikum sehr gelassen. Gute Stimmung eben. Dann wird die Nebelmaschine in Gang gesetzt und erstmal "Atmosphäre" geschaffen. Das dynamische Sänger-Duett mit dem "very british"-Slang lasert sich durch die im Dunst verschwundenen Leute und erntet reißenden Beifall. Allerdings ist diese sehr auf spacig getrimmte Show mit den grünen Laserstrahlenattacken durchaus gewöhnungsbedürftig. Für unseren Geschmack sind das etwas zu viel Lichteffekte und eingespielter Laptop-Sound, denn das lenkt irgendwie von der eigentlichen musikalischen Darbietung der Truppe ab. Die Typen auf der Bühne legen zwar ordentlich los und umwabern die Menge, dennoch wirkt alles etwas überzogen, wahrscheinlich und ehrlicherweise wird unsere Begeisterung auch von der Vorfreude auf MY SLEEPING KARMA abgefangen.

Gegen 2 Uhr Ortszeit werden alle Yellowstockenden noch einmal erschüttert und wach gerüttelt, als die sympathischen, hünenhaften Frontmänner von MY SLEEPING KARMA auftauchen. Man merkt, dass die hier bereits eine eingeschworene Fanschar versammelt ist und auch dem Zeltplatz haben wir schon einige bekannte Gesichter von ähnlichen vergangenen Festivitäten entdeckt. Dabei funktionieren die überwiegend ruhigen, getragenen Nummern live überraschend gut, da sie mit viel Drive und mitreißend intoniert werden. Die Songs steigern sich kontinuierlich, bis sie sich zum Ende hin explosionsartig in einem ekstatischen Rausch entladen. Ein perfekter Festivalausklang, da soundtechnisch sehr überzeugend und fesselnd. Auch hier kann sich der werte Herr Gitarrenmann den Laserring am Finger nicht verkneifen und fährt damit verschwörerisch über die Köpfe der Anwesenden. Die freuen sich über dieses kleine Schauspiel, aber die Aufmerksamkeit gilt sowieso dieser grandiosen Mucke. Es passt halt alles zusammen und zurecht werden sie als krönender Abschluss gefeiert. Wir sind berauscht und sehr zufrieden, aber auch erschöpft ob des Muckemarathons der letzten Stunden. Hoffentlich lässt uns der gefiederte Stinkstiefel auf dem Zeltplatz in Ruhe pennen. Wahrscheinlich ist er durch die Dauerbeschallung jetzt komplett verstört und hat jedes Gefühl für Ort und Zeit verloren. Hoffen wir zumindest...

* Suchbild: Wo befindet sich der gefiederte Störenfried?

[Marietta Harz & Stephan Voigtländer]














Redakteur:
Stephan Voigtländer

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