ZZ TOP und TRIGGERFINGER - München

16.07.2024 | 10:33

14.07.2024, Musik-Arena

Schönes Wetter und ich bin ziemlich sicher, dass ich nicht der Einzige bin, der sich insgeheim denkt, dass es gut ist, dass die deutsche Nationalmannschaft es nicht ins EM-Finale geschafft hat, denn heute regiert nicht der Fußball, sondern das Tollwood in München und ganz besonders ZZ TOP.

Sollte jemand nicht wissen, was das Tollwood ist, möchte ich kurz abschweifen, denn dieses Kulturfestival verdient eine besondere Erwähnung. Für einen Monat verwandelt sich ein Teil des Olympiaparks in der bayerischen Landeshauptstadt in eine kulturell-kulinarische Flaniermeile mit zahlreichen Angeboten, die bis auf die Konzerte in der Musik-Arena alle kostenlos sind. Kultur nicht nur zum Ansehen, sondern zum Mitmachen, zum Gedanken-Ausfransen-Lassen, zum Genießen. Und natürlich auch zum Durchprobieren durch verschiedene Essensangebote aus aller Welt. Ich bin daher auch extra deutlich früher da, um mir das diesjährige Angebot anzusehen, zu Abend zu essen und dann mit einem Öko-Bier ein wenig zu entspannen. Ja, wir sind hier in Bayern, für Getränke ist gesorgt.

Ich bin zum ersten Mal auf dem Tollwood in diesem Jahr, es ist doch eine ziemliche Anfahrt für mich und nur wenige der Konzerte passen wirklich in unsere kleine, musikalische Nische. STATUS QUO war in diesem Jahr schon zusammen mit CANNED HEAT hier, ebenso NICK MASON und GRETA VAN FLEET, am 16.7. wird hier noch LOREENA MCKENNITT gastieren, dazwischen wird aber auch immer mal wieder die eine oder andere musikalische Schrecklichkeit geboten. Geschmackssache. Wie die leckeren Pakoras, die ich beim Durchspazieren nasche, aber ich schweife schon wieder ab. Jetzt schweifen wir mal lieber in die Halle. Musik, zwo, drei!

Ich bin aber noch zu früh, was aber bei einem ausverkauften Konzert nicht so schlecht ist, kann ich doch noch recht weit nach vorne gehen, bis hinter das Mischpult. Die Musik-Arena ist eine ziemlich große Halle, deren Ausmaße man von außen erst gar nicht erahnt, bis man eintritt und meint, die Bühne stände in einem anderen Landkreis. Heute ist auch eine Premiere, denn ich habe ZZ TOP tatsächlich noch nie live gesehen. Nein, ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe in über vierzig Jahren, aber noch ist es nicht zu spät, das zu ändern. Das Publikum ist gemischt, einige Metal-Kutten, ein bisschen, wie sagt man in München, "Schickeria", hauptsächlich aber eine Menge Besucher, durchschnittlich eher, hüstel, in meinem Alter.

Als Vorband hat das US-Trio sich ein belgisches Trio mitgebracht. TRIGGERFINGER ist mir nur dem Namen nach bekannt, aber schon die ersten Töne zeigen, dass es sich um eine Idealbesetzung handelt. Der kraftvolle Stonerrock mit Blues- und auch mal ein paar Boogie-Einflüssen passt genau zu der Hauptband und schon nach dem ersten Lied ist das Publikum anerkennend angetan. Obwohl die Bühne groß ist und die Musiker eher statisch agieren müssen, schließlich muss Gitarrist Ruben Block auch noch singen, fesselt das Geschehen, während man angenehm in rockigen Sphären schwelgt. Ja, das ist wirklich gut, gerade live wirken die Drei großartig. Schlagzeuger Mario Goossens steht gerne auf, animiert das Publikum und reißt wirklich jeden mit.

Die Jungs haben nur dreißig Minuten Zeit, ich glaube, niemand hätte sich beschwert, wenn daraus fünfundvierzig Minuten geworden wären. So aber verlässt TRIGGERFINGER unter ziemlich viel Applaus die Bühne und eine durstige Meute macht sich auf in Richtung der Bierstände. Dass man das Gelände mit Stempel verlassen kann, entzerrt den Andrang, spätestens um Acht sind alle wieder da. Keinesfalls zu früh, nach ein paar musikalischen Merkwürdigkeiten vom Band als Pausenfüller geht es schon bald los. Da sind sie, die Bärte.

Zumindest beinahe. Denn leider ist Dusty Hill vor ein paar Jahren gestorben, jetzt macht Elwood Francis, der ehemalige Gitarrentechniker, eben den Tieftöner und erscheint mit einem Monster-Bass mit vielen, zu vielen, ich denke fast zwanzig Saiten, auf der Bühne. Die kann man natürlich nicht spielen, außer zwei, drei der oberen und der unteren Strings, ansonsten ist das nur Show. Sieht aber wild aus. Auch sieht Francis selbst wild aus. Das Haar-Arrangement kann unmöglich echt sein, aber überhaupt ist das hier die kleine Abordnung von Las Vegas in Glitzerkostümen, mit diversen Show-Gitarren in allen Farben und sogar in weißem Plüsch und den üblichen Doppel-Moves der Saitenfraktion.  

Was erwartet man von einem ZZ TOP-Gig? Für die Mainstream-Zielgruppe natürlich eine Hitparade, die offensichtlichen Vertreter sind 'Sharp Dressed Man' und 'Give Me All Your Lovin''. Jau, check, werden beide gespielt. Dazu dann 'Velcro Fly', 'Sit Beside My Sleeping Bag' und 'Give It Up'. Die allerdings gibt es alle heute nicht und selbst von den natürlich unmöglich nicht zu spielenden Welthits 'Tush' und 'La Grange' gibt es nur letzteren. Dafür aber von fast jedem Album zumindest ein Lied, auch wenn ich bei der Auswahl nicht immer ganz glücklich bin. 'Thank You' war noch nie ein toller Song und ob man bei der Diskographie eine Coverversion spielen muss? Und später noch eine?

Aber genau das macht die Band aus, die Musiker scheren sich nicht um die Tatsache, dass sie nicht mehr die Jüngsten sind, dass sie sich auf ihren Lorbeeren ausruhen und mit einem Super-jeder-kennt-die-Hits-Programm durch die Hallen der Welt ziehen könnten. Stattdessen spielt man den Blues und den Boogie, den man seit den Siebzigern zelebriert, und es wäre besser für das Publikum, wenn es ihm gefallen würde. Was anderes gibt es nämlich nicht heute Abend. Ich bin nicht sicher, wie das bei den mittelalten Vorortrockern ankommt, von denen einige vor mir stehen und die alle noch nicht einmal zu "Eliminator"-Zeiten auf der Welt waren, aber einen guten Teil der Show hätte man so wohl auch vor fast fünf Jahrzehnten erleben können.

Dabei lebt die Band auch im Hier und Jetzt, zumindest in der Setliste, denn 'I Gotsta Get Paid', vom letzten, 2012 veröffentlichten Studioalbum, hat auch seinen Weg in diese Liste gefunden. Einigen weiteren Großtaten, wie 'I'm Bad, I'm Nationwide' und 'My Head's in Mississippi' - heute umbenannt in 'My Head's in München' - und dem fetzigen 'Pearl Necklace', stehen ein paar schwächere Stücke gegenüber. Darunter das erwähnte 'Thank You' und der doch generisch-langweilige Blues 'Jesus Just Left Chicago', auch 'Brown Sugar' vom Debüt hätte ich gerne ausgetauscht. Aber diese eher abwegigen Lieder zeigen, dass wir es dann doch nicht mit einer Altersheimkapelle zu tun haben, auch wenn die Performance nicht mehr so schneidig daherkommt, wie man es von Videoaufnahmen der Burschen kennt. Sie konzentriert sich auf die Mitte der Bühne und manchmal kommt mir schon das Attribut "hüftsteif" in den Sinn, aber mit Mitte Siebzig ist das wohl entschuldbar.

Was allerdings einen Schatten auf den Auftritt wirft, ist, dass er nach noch nicht einmal einer Stunde bereits zu Ende ist und nur noch Zugaben folgen. Insgesamt drei, die das ganze Geschehen dann auf fünfundsechzig oder siebzig Minuten bringen. Ich habe nicht genau auf die Uhr gesehen, aber um mich herum sehe ich: Die könnten alle noch. Gibt aber nichts mehr, das muss reichen. Nun ja, dann gibt es halt noch ein, zwei Bio-Biere auf dem Tollwood.

ZZ TOP anno 2024 macht weiterhin Spaß, man darf aber keine überbordende Show erwarten, und die Spielzeit ist einfach nicht viel. Mit wohlwollend gerechneten siebzig Minuten wäre man ein toller Co-Headliner für Festivals, für einen Einzelgig ist aber eine gewisse Enttäuschung nicht zu verhehlen, wie ich aus den Gesprächen um mich herum höre. Es ist ja auch erst 21:15 und noch hell, na ja, gehen wir halt zum Public Viewing nebenan.

Die Fotos von ZZ TOP stammen vom Tollwood-Fotografen Alexander Scharf und wurden uns dankenswerterweise von der Presseabteilung des Tollwood zur Verfügung gestellt.

Redakteur:
Frank Jaeger

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