Zeromancer - Stuttgart
06.03.2002 | 06:5726.02.2002, Röhre
ZEROMANCER, Überflieger aus Norwegen, Elektro-Rocker erster Güte, mit "Dr. Online" Dauergäste der Clubplaylisten, Traum so mancher schlafloser Mädchenträume..., dass die Anwesenheit von Alex Møklebust, Kim Ljung, Chris Schleyer, Erik Ljunggren und Noralf Ronthi auf alle Fälle Gäste in die Röhre in Stuttgart locken würde, war eigentlich schon von vorneherein klar. Trotzdem hatte ich doch mit etwas mehr Publikum gerechnet, so dass das nur etwa knapp zur Hälfte gefüllte "Konzertgewölbe" (von einer "Halle" kann man bei der Röhre ja nun wirklich nicht gerade sprechen) ein eher mäßiges Bild abgab. Naja, aber das musste ja noch lange nicht auf den weiteren Verlauf des Abends schließen lassen - also hieß es erstmal abwarten und Tee, äh Cola, trinken.
Um etwa 21 Uhr eröffneten die ebenfalls aus Norwegen stammenden CONETIK den Abend. Da ich eigentlich nur mit zwei Bands gerechnet hatte - nämlich UNDERGOD und ZEROMANCER - stellte der Auftritt des mir vorher noch gänzlich unbekannten Elektro-Duos eine nette kleine Überraschung da. Im weißen Feinripp-Unterhemd und mit einem Megaphon bewaffnet ging der bubihaften Charme versprühende Sänger auch recht ambitioniert ans Werk, wirkte aber trotzdem zwischen dem Bühnenequipment ziemlich verloren - da halfen ihm auch seine freundlichen Bemühungen, die Zuschauer ein wenig auf Trab zu bringen, nicht. Zumindest verbreiteten Songs wie "Hold My Hand", "Love Song No.1", "Change" oder "Lost Control" gute Tanzstimmung - wenn auch nur im Geiste und nicht wirklich physisch, da sich das Aktionspotential der eher spärlich gesähten Besucherschaft auf angedeutetes Kopfnicken und artiges, aber alles andere als überschwengliches Klatschen nach den Stücken beschränkte. Nach einer halben Stunde wurden CONETIK wieder gen Backstageraum entlassen, und, so leid es mir auch für die zwei tut: Viele der Anwesenden dürften den Auftritt nach wenigen Minuten bereits wieder vergessen haben - zu unspektakulär.
Im Anschluss machten sich die Schweizer von UNDERGOD auf der Bühne breit und hauten mit ihrem an Bands wie FILTER oder die NINE INCH NAILS erinnernden Industrial Metal ordentlich auf den Putz, was schon etwas mehr Bewegung in die Leute brachte. Besonders Fronter Thomas Baumgartner, ehemaliger Dreh- und Angelpunkt der Formation GURD, legte sich ins Zeug, und seine heisere Röhre, irgendwo zwischen Kurt Cobain (NIRVANA) und Gavin Rossdale (BUSH) angesiedelt, machte sich gut zu der nun deutlich heftiger aufgetischten Mucke. Als faul erwiesen die Herren sich auch nicht, sondern flitzen beständig hin und her und zeigten sich angenehm bewegungsfreudig - wobei sich Thomas' Energie primär auf das ständige Nachstimmen seiner Gitarre konzentrierte, die offenbar nicht ganz so wollte wie er. Songtechnisch griff man hauptsächlich auf das aktuelle Album "Trapped" zurück - Songs wie "Automatic" oder "Desire" ließen es nicht an Druck fehlen und heizten ordentlich ein.
Zum Ende ihres Auftritts veranstalteten UNDERGOD noch brav einen kleinen "Schreikontest" für ZEROMANCER (ihr wisst schon, so nach dem Motto: Seid ihr bereit für...etc. pp.), und, oh Wunder, es wurde nach einigen kleinen Anlaufschwierigkeiten unerwartet laut in der Röhre. Sollte das als eher schwierig bekannte stuttgarter Publikum angesichts der nahenden Norweger doch noch aus sich herausgehen können? Mit Spannung erwartete ich das Ende der Umbaupause... .
Tja, dann kamen sie, ZEROMANCER, und plötzlich war es vor der Bühne brechend voll! Keine Ahnung, wo die ganzen Leute auf einmal herkamen, entweder hatten sie im Vorraum nur darauf gelauert, die ersten Takte von "Something For The Pain" zu vernehmen und hereinzustürmen, oder der harte Kern der Anhängerschaft hatte sich erst später im Club eingefunden. Wie auch immer, jedenfalls gab es alsbald kein Halten mehr, alles hüpfte, tanzte und bangte (!) durcheinander - kein Wunder, sind ZEROMANCER live doch noch um einiges mitreißender und süchtigmachender als auf Platte. Ich muss zugeben, normalerweise gehöre ich nicht grade zu der Fraktion, die auf Konzerten großartig abgeht, aber hier konnte selbst ich mich den treibenden Rhythmen nicht entziehen :-), zumal sich der skandinavische Fünfer in Bestform zeigte: Sänger Alex, zur Verzückung der holden Weiblichkeit mit freiem Oberkörper angetreten, brachte sowohl stimmlich wie auch gestisch die Songs hautnah an die Fans heran, während die ihn flankierenden Saitenparteien, bestehend aus Basser Kim und Gitarrero Chris, ihre Instrumente nach Leibeskräften bearbeiteten. Und spätestens nach den ersten Smashern ihrer beiden Alben "Clone Your Lover" und "Eurotrash" war der Hexenkessel endgültig am kochen und man musste in den ersten Reihen während "Need You Like A Drug", "God Bless The Models", "Flirt (With Me)" und besonders "Dr. Online" wirklich ganz schön aufpassen, um nicht von ekstatisch Tanzenden den Ellbogen ins Kreuz gerammt zu bekommen oder gar zu Boden gerissen zu werden. Sogar ein mutiger Stagediver verirrte sich während der Darbietung vom 'Onlinedoktor' auf die Bühne - so eine "stuttgarter Euphorie" hatten selbst ZEROMANCER nicht erwartet, was ihre verwunderten aber natürlich auch erfreuten Zwischenansagen und grinsenden Gesichter belegten. Mit ihrem ersten Hit "Clone Your Lover" erreichte die Stimmung nochmals ihren Höhepunkt, bevor die Herren sich schweißüberstömt erstmal hinter die Kulissen verabschiedeten - dort blieben sie jedoch nicht lange, denn überschwengliche Zugabe-Rufe verlangten nach mehr, und so kehrten sie mit der Ballade "Houses Of Cards" und zwei weiteren Heizern, "Split Seconds" und "Fade To Black" zurück, um sich nochmals so richtig feiern zu lassen. Aber auch das reichte den Leuten noch nicht, weshalb ZEROMANCER zum krönenden Abschluss einen kleinen Abstecher zurück in die 80er Jahre unternahmen und ihre moderne Coverversion von "Send Me An Angel" zum Besten gaben. Danach war dann aber endgültig Fini, und sowohl Band wie auch Publikum verschwanden mit zufriedenen Mienen Richtung Backstageräumlichkeiten bzw. Ausgang.
Wahnsinn, dass sich der Abend noch so zugunsten von ZEROMANCER wenden würde, hätte ich nach den Auftritten von CONETIK und UNDERGOD nicht mal gewagt zu denken. Schön, eines Besseren belehrt worden zu sein - und bei ihrer nächsten Tour, wann immer sie auch sein wird, werde ich mir auf alle Fälle wieder eine Dosis ZEROMANCER einverleiben... .
Setliste ZEROMANCER:
Something For The Pain
Die Of A Broken Heart
Chrome Bitch
Need You Like A Drug
God Bless The Models
Opelwerk
Neo Geisha
Flirt (With Me)
Dr. Online
Eurotrash
Cupola
Clone Your Lover
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Split Seconds
Houses Of Cards
Fade To Black
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Send Me An Angel
- Redakteur:
- Kathy Schütte