Zwischenweltenfestival - Koblenz

13.09.2006 | 12:18

09.09.2006, Festung Ehrenbreitstein

Am Samstag verzichtet Herr K. aus M. auf den Fußball-DFB-Pokal und führt mich zum Zwischenweltenfestival auf die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz aus. Fünf Bands aus dem Gothic/Metalgenre erwarten uns auf diesem Eintagesfestival vor ansprechender Kulisse. Als wir gegen halb vier nachmittags an der Festung eintreffen, tummeln sich dort noch eine ganze Reihe zivil gekleideter Touristen, die im Nachmittagssonnenschein aufs Deutsche Eck herunterblicken und sich von einem in eine preußische Soldatenuniform gekleideten Touristenführer im Innenhof der Festung die Schießgewehre des 19. Jahrhunderts erklären lassen. Am Schluss zündet er drei Kanonen, und wir halten uns die Ohren zu.

Das übersichtliche Festivalgelände befindet sich auf einer Wiese zwischen zwei großen Festungsmauern. Hier herrscht anheimelnde Atmosphäre. Während ein orientalisch anmutendes Zelt einlädt, sich auf bequemen Sesseln niederzulassen, um am Wasserpfeifchen zu ziehen, werden nebenan die üblichen Gothic-Devotionalien feilgeboten. In der Luft wabert Patschuligeruch durchtränkt von Steak und Crêpes.

Schon beim ersten Durchstreifen des Geländes stellen wir erfreut fest, dass die Veranstalter des Zwischenweltenfestivals es geschafft haben, ihre Speisen und Getränke zu äußerst günstigen Preisen anzubieten. Ein 0,2l-Bier für 1€ - da kann man nicht meckern.

Pünktlich um halb fünf dann eröffnen MERLONS LICHTER das Festivalprogramm. Lange habe ich sie nicht auf den Bühnen dieser Welt gesehen, erinnere ich mich doch noch an die alten Zeiten, als man unter dem schlichten Namen MERLONS aufgetreten ist.
MERLONS LICHTER, die zu Beginn ihrer musikalischen Laufbahn gerne in eine Kategorie mit Mittelalterbands wie SUBWAY TO SALLY oder den INTCHTABOKATABLES eingeordnet wurden, bieten eine Mischung aus experimenteller Rockmusik unter Verwendung mittelalterlicher Pfeifen, Drehleier und Folkelementen. Ihre Texte sind sicherlich nicht gängig, wollen nicht beliebig sein, sondern bieten ausgeklügelte Wortspielereien zu großen Themen wie der Liebe. Dennoch haben nach meiner Auffassung nur wenige Stücke wirklich Hitqualität. Die Begeisterung im Publikum hält sich entsprechend in Grenzen. Nur in den vorderen Reihen wird hier und da verträumt mitgetanzt. Auf der Bühne lädt hierzu im Übrigen ein weibliches Bandmitglied ein. Eine langhaarige dunkle Schönheit (meine Recherchen auf der bandeigenen Homepage ergeben, dass es Katja sein müsste) bietet während des gesamten Gigs gekonnten Bauchtanz, den sie am Ende mit einer ansprechenden Darstellung unter Zuhilfenahme zweier großer silberfarbener Flügel krönt. Der Backgroundgesang bleibt hierbei leider zu sehr im Hintergrund. Sicherlich, Backgroundgesang steht eben nicht im Vordergrund, dass man ihn aber überhaupt nicht hört, ist dann doch zu wenig...

Als Kontrast zu den eher sinnlich verhaltenen MERLONS LICHTER betreten gut zwanzig Minuten später die finnischen KORPIKLAANI die Bühne. Nachdem wir sie auf dem diesjährigen Wacken Open Air verpasst haben, bietet sich hier eine gute Gelegenheit, einmal zu prüfen, inwieweit KORPIKLAANI mit Bands wie FINNTROLL in einen Topf passen. Im überwiegend gothic-lastigen Publikum stechen auf einmal doch eine ganze Reihe Metalheads hervor, die sich nun schon bedeutend dichter vor der Bühne zusammenfinden. Und dann geht’s rund. KORPIKLAANI legen lustig los, schwingen die finnische Fahne mit ihrem Bandnamen darauf und verbreiten schnell gute Stimmung. Ein kleiner, aber heftiger Moshpit bildet sich, und ich frage mich nebenbei, wie die Fußzehen des beinharten Tänzers später aussehen, der sich barfuß ins Gemenge stürzt.
KORPIKLAANI präsentieren überwiegend Songs ihrer aktuellen CD "Tales Along This Road". Dabei wird bald deutlich, dass ihr Schwerpunkt im Gegensatz zu FINNTROLL doch auf dem folkloristischen Teil der Musik liegt. Und die Stimmung darf nicht zu kurz kommen! Sänger Jonne, dessen Ansagen zwar akustisch kaum zu verstehen sind, sorgt dafür, dass immer alle genug Bier haben. Wiederholt wirft er dem Publikum gefüllte Bierflaschen zu, damit auch die vorderen Reihen zu einem guten Schlückchen kommen. So sind die "Beer, beer"-Rufe rasch entfacht und tragen uns durch den ein oder anderen Song. Insgesamt wird hier ein stimmungsvolles, fröhliches Programm mit Songs geboten, die gut ins Ohr gehen. Den Musikern sieht man an, dass sie selbst reichlich Spaß bei der Sache haben, und das scheint mir doch immer zumindest die halbe Miete für ein gutes Konzert zu sein. KORPIKLAANI haben wir sicher nicht das letzte Mal gesehen.

Nun ist es aber erst einmal Zeit für ein liebliches Mahl. Auf dem kleinen Festival ist die Auswahl natürlich begrenzt und so lande ich, weil ich die furchtbare Schlange am Crêpes-Stand scheue, mal wieder bei meinen geliebten Pilzchen in heißem Fett und Mayonnaise. Nun, ich habe schon Schlechteres in der diesjährigen Festivalsaison gegessen...

Nach der Schlemmerpause geht es dann mit LETZTE INSTANZ weiter im Programm. Bei ihnen kommen mir ähnliche Gedanken wie bei MERLONS LICHTER. Auch die LETZTE INSTANZ habe ich vor Jahren zum letzten Mal gesehen und mich dann eher enttäuscht abgewandt, weil ihre Songs einfach nicht mehr schmissig ins Ohr gingen. Ein Gutteil der Anwesenden sieht das heute offenbar anders. LETZTE INSTANZ finden ihr Publikum, das sich von dem wenig charismatischen Sänger und seinen etwas platten Versuchen, witzig zu sein, augenscheinlich nicht abhalten lässt, das Tanzbein zu schwingen. Ich langweile mich ein bisschen und versuche, Herrn K. aus M. zu einem Spaziergang über die abendliche Festung zu bewegen, aber er will nicht. Komischerweise fühlt er sich von der LETZTEN INSTANZ ganz gut unterhalten. Nun, so harre ich dann bis zum Schluss des Programms mit aus und werde noch einmal mit einem Song aus alten Tagen belohnt. "Rapunzel, lass dein Haar herab...", tönt es, und im Zugabeteil muss ich sogar eingestehen, dass man mit 'Das Stimmlein' auch in jüngerer Vergangenheit noch einen fetzigen Song zum Mitreißen komponiert hat.

Endlich komme ich dann zu meinem abendlichen Blick über Rhein und Mosel und schmelze dahin. Die mutigen Veranstalter des Zwischenweltenfestivals, die mit der Auswahl der Festival-Location Sinn für guten Geschmack bewiesen haben, werden Anfang September noch einmal mit romantischem Spätsommerwetter belohnt.

Wir werden sodann mit der überraschenden Entdeckung von ASP belohnt. Nachdem mir diese bisher unbekannt Gebliebenen von Menschen ans Herz gelegt worden sind, die gelegentlich einen fremdartigen Musikgeschmack aufweisen, erwarten Herr K. aus M. und ich nichts Dolles. Wir werden eines Besseren belehrt. ASP dürften für viele der Anwesenden der Hauptgrund ihrer Anreise sein. Vor der Bühne ist's voll wie nie, und die Stimmung ist schon beim ersten Song gut. Geboten werden rockige Nummern mit der klassischen Besetzung aus Gitarre, Bass und Drums, die jedoch durch prägende Elektrobeats unterstützt wird. Dies führt dazu, dass fast alle Songs von ASP extrem tanzbar herüberkommen. Sänger Alexander Spreng präsentiert sich mit diabolisch schwarz geschminkten Augen und wird schon beim ersten Stück vor einer Feuerwand in Szene gesetzt, dass die Bühne dramatisch leuchtet. Zu dem Song 'Ich will brennen' passt das natürlich ganz besonders gut. Gesungen wird sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Alexander scheint ein guter Entertainer zu sein. Er beherrscht sowohl das finstere Auftreten als auch die freundliche Zugewandtheit und den Dialog mit dem Publikum. "Ihr schönen Menschen dort unten", spricht er uns immer wieder an und scheint sich zu freuen, dass so viele gekommen sind, um ASP zum heimlichen Headliner des heutigen Tages zu machen. Und so wird denn ihr Gig auch mit einem kurzen Feuerwerk, das sich rechts hinter der Bühne in den dunklen Nachthimmel ergießt, repräsentativ abgeschlossen.

Nach einer weiteren Fresspause – ich komme nach Abklingen der Warteschlange zu später Stunde dann doch noch zu meinem Crêpe – ist es Zeit für TIAMAT, jene schwedischen Gothic-Metaller, die für uns der eigentliche Grund der Anreise heute waren. Ein Teil der ASP-Jünger zieht sich hingegen zurück, so dass es tatsächlich zum Hauptgig nicht ganz so voll vor der Bühne ist. TIAMAT bieten rund anderthalb Stunden routiniertes Programm. Zu hören sind natürlich Hits ihrer wohl besten Scheibe "Wildhoney", die das Publikum ein wenig aus der Reserve locken. Insgesamt muss man aber feststellen, dass ein Stimmungshoch an diesem Abend nicht mehr erreicht wird. Die Publikumsreaktionen sind generell eher verhalten. Irgendwann ruft jemand vernehmlich nach SLAYER. Dies liegt zum einen sicher daran, dass TIAMATs teils langsame, zähflüssige Stücke nicht gerade zum wilden Headbanging einladen, zum anderen dürfte aber auch die doch recht reservierte Haltung von Johan Edlund dafür verantwortlich sein. Seine Ansagen sind nur spärlich, und zuweilen frage ich mich, ob er nun besonders introvertiert oder einfach arrogant ist. Immerhin gelingt es, das Publikum gegen Ende noch einmal zu erwecken, um eine Zugabe zu erwirken. Und die gibt es dann mit dem Song 'Gaia' auch recht ausführlich. Edlund versöhnt am Schluss, indem er sich mit einer ausgedehnten Spielerei mit der Gitarre und einer sehr deutlichen Danksagung vom Publikum verabschiedet. Und dann ist da Zwischenweltenfestival vorbei.

Wir stellen fest, dass sich die Anreise für dieses kleine Tagesfestival durchaus gelohnt hat. Die eindeutigen Sieger für alle Metalheads dürften hier KORPIKLAANI gewesen sein, während die Vertreter des Gothicgenres, die hier heute überwiegend zu finden waren, sicher ihre größte Freude mit ASP hatten. Einen richtigen Komplettreinfall gab es nicht, und selbst wenn das der Fall gewesen wäre, so hätten wir doch wenigstens von einem entspannten Spätsommernachmittag profitiert.

Redakteur:
Erika Becker

Login

Neu registrieren