ADORNED GRAVES - The Hand Of Death
Mehr über Adorned Graves
- Genre:
- Thrash Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Eigenpressung / Eigenvertrieb
- Release:
- 13.11.2015
- Adorned Graves
- Hand Of Death
- Fightgrinder
- The Accuser (SAINT-Cover)
Spannende Thrash-Metal-Debüt-EP der etwas anderen, doomenden Art.
Heute darf ich euch einen Thrash-Newcomer der etwas anderen Art vorstellen, was mir eine große Freude und Ehre ist. Wo mich viele junge Thrash-Bands mit ihrer Energie und Spielfreude zwar für sich einnehmen können, aber durch ein hohes Maß an Generik und Vorhersehbarkeit dann auch wieder kaum Nachhall hinterlassen, da liegt der Fall bei ADORNED GRAVES komplett anders. Allerdings muss ich auch zugeben, dass der Begriff "Newcomer" in Anführungszeichen gesetzt werden müsste, denn die Band existiert schon seit 22 Jahren und hat 1998 sogar ein 6-Track-Demo veröffentlicht. Da der Funk seither aber eher still war und bislang kein offizielles Tondokument erschien, ist die Ausgangsposition nicht nennenswert anders, als bei all den deutlich jüngeren Kapellen, die sich anschicken, sich im dreschenden Haifischbecken zu behaupten.
Eins indes ist anders, denn man merkt diesem Quartett aus der Pfalz einfach zu jeder Zeit an, dass der musikalische Background ein anderer ist, und dass wir es mit Leuten zu tun haben, die sich seit Jahrzehnten mit der Musik befassen und damit ein sehr gereiftes Gespür für ihren eigenen Stil, ihre Kompositionsweise und ihre Instrumente haben. Auch bei der Frage nach den musikalischen Einflüssen müssen wir eben nicht die üblichen Verdächtigen an der Schnur aufziehen und Perle für Perle abarbeiten. Nein, hier ist die Sache doch ein wenig anders gelagert. Klar, ein gewisser SLAYER-Einfluss ist, speziell in den aggressiven Abschnitten des eröffnenden 'Adorned Graves' nicht zu verhehlen, doch spielt die Truppe auch mit ganz deutlichen Doom-Konnotationen, wie sie etwa im ersten Drittel zu eben jener Bandhymne und auch in deren Refrain zu Tage treten, wo gelegentlich auch mal ein Gedanke an TROUBLE aufflackert. Insgesamt haben wir es aber doch mit walzendem Thrash Metal zu tun, der viel Wert auf Eingängigkeit und Hooks im Refrain legt, und damit sowohl stilistisch als auch kompositorisch viel Wiedererkennungswert generiert.
Das Titelstück präsentiert sich technischer, hackender, mit aggressiver Snare; man mag ein wenig an Bands wie TOURNIQUET, CORONER oder DELIVERANCE denken. Dass hier der eine oder andere Name aus der frommen Achtziger-Szene als Vergleichsgröße fällt, darf nicht verwundern, denn dieser Bewegung stehen die Herren von ADORNED GRAVES durchaus nahe, was sich auch an den Texten etwa zu "The Hand Of Death" erkennen lässt, die sich auf die biblische Geschichte um den Babylonierkönig Belsazar und dessen Menetekel beziehen. An dritter Stelle glänzt das eingängige 'Fightgrinder' einerseits mit rasenden, ja nahezu flirrenden Riffs, andererseits aber auch mit wunderschönen, getragenen, epischen Gitarrenleads mit doomiger Schlagseite. Wer hier einen Gedanken an CONFESSOR verschwenden mag, der liegt jedenfalls nicht gänzlich verkehrt, was die Begegnung von Doom und Thrash Metal angeht, wenn auch der Schwerpunkt bei ADORNED GRAVES deutlich näher am Thrash Metal liegt.
Beschlossen wird die schöne Debüt-EP der Pfälzer mit einer durch den Death/Thrash-Fleischwolf gedrehten, dabei aber durchaus gelungenen Coverversion des SAINT-Klassikers 'The Accuser', die ursprünglich auf deren 1988er-Werk "Too Late For Living" stand, in der neuen Version glatt von HALLOW'S EVE sein könnte und somit ein weiteres klares Bekenntnis der Band zu ihren alten Einflüssen darstellt. Die klassischen Inspirationen aus dem 80er-Metal sind also allgegenwärtig, und sie werden durch die rohe, aggressive, druckvolle, aber dabei keineswegs polierte oder ballernde, sondern durchaus dynamische und differenzierte Produktion unterstrichen. Der Sound ist frisch und authentisch, lässt die Instrumente klar erkennen und wirkt sehr harsch. Gerade die Snare ist brachial, und die Bassdrumm geht voll in die Beine. Auch der Bass darf hin und wieder feine Akzente setzen, und die Gitarren stehen bei Leads und Riffs sauber differenziert im Mix. Insgesamt ist alles ausgewogen abgemischt, und der vielseitige Gesang, den sich drei Musiker teilen, deckt vom typischen, bisweilen leicht hysterischen Thrash-Shouting nebst Gang-Shouts, über eindringlichen Klargesang bis hin zu gemäßigten Growls eine große Bandbreite ab.
Jedenfalls gelingt es dem Quartett aus der Pfalz ganz vortrefflich, durch Stilelemente auf sich aufmerksam zu machen, welche die Band als etwas Besonderes auszeichnen: ADORNED GRAVES ist eine Truppe, die wir trotz ihres beinhart traditionellen Ansatzes gerade nicht in die generische Retro-Kiste packen können. Dazu ist das eigene Songmaterial der Pfälzer viel zu eigenständig und vielseitig. Damit unterstützt ihr auf jeden Fall einen "Newcomer" aus dem Thrash-Segment, der mit Originalität, reifem Songwriting, passender Produktion und echter musikalischer Überzeugungskraft antritt, und so sollte es möglich sein, einen merklichen Akzent im Thrash-Untergrund zu setzen. Auf jeden Fall dann, wenn wir auf das erste vollständige Studioalbum nicht wieder siebzehn Jahre warten müssen.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle