AGENT STEEL - Skeptics Apocalypse
Mehr über Agent Steel
- Genre:
- Speed Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Roadrunner / SPV
- The Calling
- Agents Of Steel
- Taken By Force
- Evil Eye, Evil Mind
- Bleed For The Godz
- Children Of The Sun
- 144.000 Gone
- Guilty As Charged
- Back To Reign
DER Speedmetal-Klassiker!
Eigentlich könnte hier ein einziger Satz ausreichen: "Skeptics Apocalypse" ist die Blaupause aller Speedmetal-Alben. Punkt. Reicht doch nicht?
Für alle, die sich noch gar nicht mit AGENT STEEL beschäftigt haben, will ich dieses Mal ein wenig zur Geschichte der Band schreiben. Ganz einfach, weil die Band aus meiner Sicht so unheimlich wichtig für ein Subgenre ist. AGENT STEEL haben den Speed Metal auf ein neues Level gehoben. Gegründet irgendwann Anfang der 80er Jahre, nahm die Band im Jahr 1984 zwei Demos auf, welche dermaßen beeindruckend klangen, dass sie einen Deal mit Roadrunner Records unterschreiben konnten. In wenigen Tagen – oder sollte ich Stunden schreiben? – wurde "Skeptics Apocalypse" eingezimmert und schlug danach in der Szene wie eine Bombe ein. Wie groß der Krater sein würde, konnte man zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Fakt ist, dass dieses Album bis heute von nicht wenigen als Klassiker angesehen wird und die Band vor allen Dingen in dieser Besetzung bis heute einen mehr als kultigen Status inne hat. Und hier ist der Kult auch tatsächlich mit musikalischer Klasse zu erklären.
Schon beim Betrachten des Artworks fällt das Besondere der Band auf. Die Satellitenaufnahme des Bermudadreieckes ist nicht nur ein genialer Einfall, nein, es kennzeichnet auch die textliche Ausrichtung von Ausnahmesänger John Cyriis. Der gute Mann mit der Götterstimme ist fanatisch interessiert an außerirdischen Lebensformen, Riten und Kulten aller Völker und verarbeitet diese Thematiken ausführlich und detailliert in seinen Songs. Spannend, wenn man offen für so etwas ist, albern, wenn man es rein sachlich betrachtet. Aber was ist bitte sachlich an Musik? Danke.
Das Intro "The Calling" ist ein gesprochener Text der NASA und macht schon klar, dass die Invasion jetzt los geht, denn der erste Song 'Agents Of Steel' lässt sich unwillkürlich als Hymne identifizieren. Rasante, um nicht zu schreiben pfeilschnelle, Riffs der beiden Axtschwinger Juan Garcia und Kurt Kilfelt die der Band nicht umsonst den Titel "Iron Maiden On Speed" eingebracht haben, brechen wie ein Heuschreckenschwarm über den Hörer herein und verbreiten Chaos und Zerstörung. Herrlich. Eine kompakte Nummer, in der trotz alledem recht viel passiert. Ausgestattet mit einem Refrain, der sich schon nach dem ersten Anhören im Hirn festsetzt. Neben der unglaublich kreativen Klampfenarbeit fällt natürlich sofort ein besonders herausragendes Merkmal von AGENT STEEL auf: Der Gesang. Wenn der gute John im Chorus bei der vierten Wiederholung von "masters of metal – agents of steeeeeeeeel" die Lungensirene einschaltet, ist man erst einmal komplett gebügelt. Wie lange kann ein menschliches Wesen einen derart hohen Ton halten? Eine echte Sensation, die noch sensationeller wurde als die Band im Jahr danach mit ANTHRAX und OVERKILL die deutschen Bühnen beackerte und Cyriis dort unter Beweis stellen konnte, dass er das tatsächlich live reproduzieren konnte.
Aber zurück zum Album. 'Taken By Force' hält den Adrenalinspiegel mit ähnlich ausgerichteten Riffattacken aufrecht und auch hier begeistert der Chorus sofort. Die Rhythmik ist noch galoppierender und erinnert demnach noch mehr an die eisernen Jungfrauen. Der Gesang ist in dieser Nummer durchweg ekstatisch und man rechnet schon während der Verszeilen, dass John beim Einsingen hinterm Mikrophon kollabiert sein muss. Man selbst kollabiert beim Versuch mitzusingen übrigens tatsächlich.
Die nächste Nummer stand bereist auf dem zweiten Demo und hört auf den Titel 'Evil Eye/Evil Minds'. Und auch, wenn die Herrschaften hier ein paar Gänge zurück schalten, wird der Headbanger bestens versorgt. Ein leicht verschachteltes Rhythmuskonstrukt unterlegt eine schleppende Gitarrenwalze, die sofort mitreißt.
Das Energielevel wird im nachfolgenden 'Bleed For The Godz' wieder massiv erhöht, denn das Tempo steigt erneut in rasante Gefilde. Cyriis, der hier über einen Mayakult und die dazu gehörige Opfergabe an die Sonnengötter singt, kreischt sich herrlich hysterisch durch die musikalischen Stromschnellen seiner Mitstreiter, die sich offensichtlich alle gegenseitig überholen wollen. Das dabei aber konstant auf eingängige Melodien gesetzt wird, die man auch Dekaden später noch rückwärts mitsingen kann, ist halt das riesengroße Plus dieser Kompositionen. In einer Zeit, in der vorwiegend nach dem "schneller = besser" Prinzip komponiert wurde, waren AGENT STEEL ihren Konkurrenten damit ein Universum voraus.
'Children Of The Sun' hackt sich dann mit gemäßigteren Tempi durch die Meteoritenschwärme, wobei John in dieser Komposition auch endlich einmal tief und gurgelnd singt. Facettenreichtum galore. Kurz vor dem Ende muss dann aber noch einmal kurz die Sirenenkeule ausgepackt werden.
Was nun folgt, ist in Worten und Bildern nicht zu schildern. '144.000 Gone' ist der beste Speed-Metal-Song, der jemals komponiert werden wird. Mystisch und flüsternd eingeleitet, steigert sich diese Nummer in ein ultraschnelles Riffinferno, welches mich bis zum heutigen Tag jedes Mal aufs Neue völlig packt und ein kleines bisschen in den Wahnsinn treibt. Ungelogen, es gelingt mir beim Anhören des Albums nicht, diese Nummer nicht automatisch auf "Repeat" zu hören. Und sie nutzt sich nicht ab. Wenn John mit seiner unnachahmlichen Art schreiend den Übergang vom Intro zum Hauptsong einleitet, bleibt die Welt ein paar Sekunden lang stehen. Das ist so unfassbar toll, ich könnte jetzt Adjektive bis zur Unkenntlichkeit steigern und wäre mit der Beschreibung noch immer unzufrieden. Also lasse ich den Unsinn und wende mich dem Ende des Albums zu.
Und auch bei den letzten beiden Nummern gibt es keinen Qualitätsabfall zu verzeichnen. Während 'Guilty As Charged' mit unerwartet hartem Drumming von Chuck Profus aufwartet, entpuppt sich der Rausschmeißer 'Back To Reign' auf lange Sicht als der heimliche Hit des Albums. Fand ich den Titel lange Zeit etwas banal, so muss ich heuer bekennen, dass er einfach nur die einprägsamste Melodieführung der gesamten Scheibe aufweist.
Müsste ich etwas bemängeln, dann wäre es die recht knappe Spielzeit von 30 Minuten und der etwas dünne Sound. Beides liegt aber sicherlich daran, dass Roadrunner Records damals einfach möglichst viele Bands austesten wollten und den Künstlern daher nur ein sehr limitiertes Budget zur Verfügung stellten. Oft wurde ja sogar bereits auf aus Bandkosten produzierte Demos zurück gegriffen.
Ich kann mir das Album allerdings nicht mehr anders vorstellen und vergebe natürlich die Höchstnote.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae