AGRYPNIE - Metamorphosis
Auch im Soundcheck: Soundcheck 07/2021
Mehr über Agrypnie
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 6.50
- Label:
- AOP Records
- Release:
- 02.07.2021
- Wir Ertrunkenen - Prolog
- Wir Ertrunkenen
- Verwüstung
- Am Ende der Welt - Teil 1
- Skulptur aus Eis
- Metamorphosis
- 3327
- Melatonin
- Untergang
- Am Ende der Welt - Teil 2
- Wir Ertrunkenen - Epilog
Für Freunde der Band sicher ein Fest, für mich viel zu viel Wall of Sound.
AGRYPNIE war bisher eine der einheimischen Bands aus dem schwarzmetallischen Dunstkreis, mit der ich leider nicht so richtig warm geworden bin, obwohl ich das gerne würde, denn das eine oder andere frühere oder flankierende Projekt der beteiligten Musiker hat mir durchaus gefallen. Doch zu AGRYPNIE hat sich der Zugang bisher nicht so recht eröffnet, was zuvorderst am ästhetischen Ansatz lag, der doch recht zielsicher an meinen Black-Metal-Präferenzen vorbei ging. Für das archaische Konzept zu kontrolliert, zu kanalisiert, nicht wild und roh genug, aber auch für das avantgardistische Modell zu kontrolliert und nicht unvorhersehbar und abgedreht genug. Die Band hat sich damit den Stuhl ausgesucht, der genau zwischen meinen bevorzugten Interpretationen des Black Metals steht, und das macht mir die Sache nicht leicht, was dieses Review angeht.
Dennoch mag es versucht sein, und das orchestrale, vom Piano und Streichern geführte Intro mit seinem so maritimen wie wagnerianischem Flair lädt auch wirklich dazu ein, sich mit "Metamorphosis" auseinandersetzen zu wollen, doch schon mit dem Titelstück "Wir Ertrunkenen" zeichnet sich ab, dass sich an meinem persönlichen Problem mit der Klangästhetik der Band nicht allzu viel geändert hat. Ist der Übergang vom Intro zum Opener mit den verhallten Drumbeats noch dramaturgisch grandios platziert, komme ich mit der flächigen, drückenden Soundwand, die folgen soll, einfach nicht so recht klar. Die deutschsprachige Lyrik ist durchaus gelungen, doch das Rezitativ zu monoton, es fehlen die Ausbrüche, die Kontrapunkte im Stimmvortrag, und wenn nach knapp drei Minuten (und wiederkehrend in der letzten halben Minute) das Riffing in eine episch anmutende BATHORY-Referenz einzutreten scheint, dann geht die Atmosphäre in zu viel Wall of Sound unter. Die durchaus sauber produzierten Drums und das omnipräsent flächige Keyboard verhindern das Atmen des Songs, sie ersticken mir die Feinheiten.
Etwas lockerer und entspannter lässt sich dann 'Verwüstung' an, dessen Einstieg mit verhallten, cleanen Zupfgitarren, feinen Basslinien, schön vertrackten und verschleppten Drum-Patterns und Fills und atmosphärischem Synth ein schönes Ambiente erschafft. Wenn dann ein stetiges Anschwellen des Schalldrucks in bester SÓLSTAFIR-Manier einsetzt, dann denkt man, das könnte nun was werden, doch pünktlich mit Einsetzen des Gesangs geht wieder der Föhn an... verdammt! Doch ruhig Blut, zum Glück bleibt die Band in diesem Stück variabel und dynamisch. Der "ich bin einfach nur an"-Abschnitt nimmt sich sehr rasch wieder zurück und eine zurückgenommenere Rhythmizität und ein transparenter und differenzierter in Szene gesetztes Instrumentarium lässt den Song atmen. Eine wirklich gute Nummer!
AGRYPNIE ist mit Sicherheit besser, wenn nicht über weite Strecken das Gaspedal durchgetreten und geblastet wird, sondern wenn das Tempo variiert wird und den Songs und den Hörern Verschnaufpausen gegönnt werden. Flo Musils Schlagwerk ist ganz ohne jeden Zweifel große Klasse, und er spielt nicht nur technisch hervorragend und bei Bedarf unheimlich schnell, sondern auch facettenreich und auffällig, doch hier und da empfinde ich die Instrumentierung als übertrieben und erdrückend, so dass mich 'Am Ende der Welt (Teil 1)' tatsächlich nur in den ruhigeren Momenten wirklich fesseln kann, in denen auch des Unhold Torstens Stimme richtig wirken kann.
In diesem Sinne geht es auf "Metamorphosis" weiter: Die Band zieht spielerisch fraglos alle Register des von ihr gewählten Metiers, sie beherrscht die postrockige Disziplin der flächigen, raumgreifenden, flirrenden Riffs; sie versteht sich auf Farbtupfer in Form ambienter Soundscapes, und sie bietet rhythmische Varianz am Schlagzeug. Doch für meinen persönlichen Geschmack ist es letztlich zu viel von allem, was in meinen Ohren dazu führt, dass der Song als solcher verloren geht und ein wenig auch die Geerdetheit des Gesamtwerks. Wenn etwa das Titelstück mit einem wirklich coolen Riff einsetzt, dann freue ich mich darauf, den Hauch an Rock'n'Roll zu finden, der zum Black Metal für mich einfach dazu gehört, doch die Band gönnt dem Odem nur knapp fünf Atemzüge, bevor er nach fünfzehn Sekunden wieder totgeschlagen wird und im Soundmonument erstickt. Dann kommt ein sehr cooles Break, der Bass und die Zupfgitarre übernehmen, es lockert sich auf, und wieder dasselbe Spiel: Im nächsten Part mit Gesang wird der Hörer wieder erdrückt.
Nun, ihr seht, auch dieser weitere Versuch führt nicht dazu, dass ich mit der künstlerischen Vision AGRYPNIEs so richtig klarkomme, was vor allem daran liegt, dass die Band fast immer genau dann ins infernalische Blasten und in erdrückende Soundgewalt verfällt, wenn gesungen wird, während die Musik in den aus meiner Sicht oft sehr gelungenen instrumentalen Passagen viel mehr atmen darf. Doch wann immer Torsten auch die Stimme erhebt, gehen auch instrumental die Pforten zur Hölle komplett auf, was meine Hörgewohnheiten ganz massiv konterkariert, die eher dahin gehen, den Gesang exponiert zu präferieren. Mir ist bewusst, dass dies sehr wohl genau so beabsichtigt sein dürfte, und im Post Black Metal auch bewährtes Stilelement ist, den Gesang eher wie ein weiteres Instrument einzusetzen, das nur ein Glied einer Klanglandschaft ist, aber genau aus dem Grund mag ich Postrockiges nur sehr selten richtig gerne. Daher komme ich leider auch bei AGRYPNIEs sechstem Studioalbum zu dem Schluss, dass das handwerklich fraglos gut gemachte Musik ist, die zu Recht ihre Zielgruppe hat, aber ich gehöre ganz offensichtlich nicht dazu, denn Black Metal ist für mich nicht die Musikrichtung, in der ich Klangtürme erklimmen möchte, sondern ich bin eher der Freund reduzierterer Ansätze. Für Freunde der Band also sicher ein Fest, für mich viel zu viel Wall of Sound.
- Note:
- 6.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle