ALAN PARSONS PROJECT, THE - Tales Of Mystery And Imagination. Edgar Allan Poe
Mehr über Alan Parsons Project, The
- Genre:
- Art Rock/Progressive Rock
- Label:
- Mercury/Universal
- Release:
- 13.10.1987
- A Dream Within A Dream
- The Raven
- The Tell-Tale Heart
- The Cask Of Amontillado
- (The System Of) Doctor Tarr And Professor Fether
- The Fall Of The House Of Usher I Prelude
- The Fall Of The House Of Usher II Arrival
- The Fall Of The House Of Usher III Intermezzo
- The Fall Of The House Of Usher IV Pavane
- The Fall Of The House Of Usher V Fall
- To One In Paradise
THE ALAN PARSONS PROJECTs "Tales Of Mystery And Imagination. Edgar Allan Poe" kann mit Fug und Recht als Meisterwerk des Progressive Rock bezeichnet werden. Bei der Erstveröffentlichung im Jahre 1976 stand es im Ruf, ein High-Tech-Album zu sein, doch eine Generationenspanne später gilt es zu Recht als zeitloser Klassiker. Es ist nicht nur, wie der Titel unschwer zu erkennen gibt, ein Konzeptalbum, sondern womöglich auch das erste "Producer's Album" überhaupt. Vor allem aber besticht es durch die einzigartige Nähe zwischen literarischem Sujet und musikalischen Motiven. Dies beginnt in der Neuauflage auf CD von 1987 schon bei der Einführung in das Instrumentalstück 'A Dream Within A Dream' durch Orson Welles' Rezitation aus Edgar Allan Poes "Marginalia". Dort mischt sich die Musik langsam unter den gesprochenen Text und löst ihn schließlich ab, was dem im Zitat angesprochenen Hinübergleiten in den Traum entspricht. Ruhig, doch von einer markanten Basslinie getragen, fließt das Stück dahin, wobei die Trance-artige Grundmelodie sowie die PINK FLOYD nicht unähnlichen E-Gitarren-Klänge im Volumen stark variieren. Diese auf dem gesamten Album wohldosiert eingesetzte Lautstärkedynamik trägt einiges zur Zeitlosigkeit und der emotionalen Wirkung des Werks (jenseits von modischen Trends und Geschmäckern) bei. Der Rhythmus leitet gekonnt in 'The Raven' über, einen dramatischen, sinfonischen Progrock-Song, welcher sowohl rhythmisch als auch melodisch üppig ausgestaltet wurde und die Gefühlsregungen des ganz in seinen eigenen, obsessiven Gedanken gefangenen lyrischen Ichs trefflich nachvollzieht.
Ein absolutes Gänsehaut-Stück folgt mit 'The Tell-Tale Heart', dessen hart pochender Herzschlagrhythmus, verzerrte Bluesriffs, grollende Schlagzeugbrandung und intensiver Gesang den Wahnsinn des Protagonisten greifbar machen, wohingegen gerade die ruhigen Passagen eine unbeschreibliche Spannung erzeugen. Das Thema des Psychokillers, der am Geierauge seines Opfers irre wird, wurde hier ebenso konsequent wie kongenial umgesetzt. Auch die geradezu schwelgerisch dargebotene Rache-Geschichte 'The Cask Of Amontillado' weiß zu gefallen. Harmonischer Gesang und ein opulenter, dramatischer Soundtrack von geradezu orchestralen Ausmaßen verschmelzen zu einem Stück mit Musical-Qualitäten. Auch hier finden sich programmatische Elemente: Der getragene, gleichförmige Rhythmus erinnert an die Schritte auf dem Weg durch die Katakomben, wo Montressor sein Opfer Fortunato einmauert; der geradezu süße Gesang kostet die perverse Rache von Anfang bis Ende voll aus. Am Cembalo ist Eric Woolfson zu hören, der - teils auf den Entwürfen des ALAN PARSONS PROJECT basierend - später tatsächlich in die Welt der Musicals einstieg. Der wohl rockigste Song des Albums ist '(The System Of) Doctor Tarr And Professor Fether', beruhend auf einer Kurzgeschichte, welche die Übernahme eines Irrenhauses durch dessen Bewohner behandelt. Interessant wird das Stück allerdings erst zum Finale hin.
Außergewöhnlich nicht nur im Aufbau ist die fünfteilige Komposition 'The Fall Of The House Of Usher'. Eingeleitet wird sie von Überlegungen Poes zum Verhältnis von Poesie und Musik. Letztere spielt auch in seiner hier vertonten Kurzgeschichte eine besondere Rolle. THE ALAN PARSONS PROJECT widmet sich dieser mit einem opulenten Instrumentalstück. Auf das zarte, orchestrale 'Prelude' mit seinen langsam bewegter werdenden Streichern und der melancholischen, empfindsamen Grundstimmung, die nach und nach neurotischere und unheilverkündende Züge annimmt, folgt mit 'Arrival' ein eher elektronisch geprägtes, zunächst sehr spannungsvolles, dann aber harmonisches Stück; alleine schon die Weise, wie hier eine Orgel integriert wurde, ist faszinierend. Doch damit nicht genug: Ein unwirklich klingendes, beunruhigendes Orchester-'Intermezzo' leitet über in die von Renaissance-Musik geprägte 'Pavane'. Instrumente wie Harfe, Cembalo, Zymbal, Kantele, Orgel und Mandoline kommen hier zum Einsatz. Die Pavane ist eigentlich ein Schreittanz. Ob man in diesem Falle an MAURICE RAVELs 'Pavane Pour Une Infante Défunte' dachte oder im Hinterkopf hatte, dass sich aus der Pavane das Tombeau (eine Art musikalischer Grabstein) entwickelte? Schließlich spielt in Poes Kurzgeschichte die für tot gehaltene und in einer Gruft verschlossene, dann aber 'wiedergehende' Schwester des Hausherren Roderick Usher eine zentrale Rolle, die im - hier mit dem beängstigend daherrauschenden 'Fall' zusammenfallenden - Finale plötzlich im Gemach ihres Bruders auftaucht und ihn, tot in seinen Armen zusammensinkend, ebenfalls zu Tode erschreckt. Auf jeden Fall zählt 'The Fall Of The House Of Usher' zu den hervorragendsten Kompositionen und Arrangements des ALAN PARSONS PROJECT. Das etwas schwurbelig geratene 'To One In Paradise' geht mit seinem säuselnden Hintergrundgesang schon in Richtung seichter Softrock, wird durch das außergewöhnliche Arrangement jedoch gerettet.
Interessant für Sammler und alle, denen Nachbearbeitungen alter Klassiker zuwider sind, die aber dennoch nicht auf digitalen Klang verzichten wollen: Ein heute offiziell vergriffenes Original Master Recording der 1976er Originalausgabe des Albums erschien 1994 auf CD bei Mobile Fidelity.
Der Kauf des Albums lohnt sich schon aufgrund der Anspieltipps 'The Tell-Tale Heart', 'The Cask Of Amontillado' und 'The Fall Of The House Of Usher'.
- Redakteur:
- Eike Schmitz