ALIAS EYE - A Different Point Of You
Mehr über Alias Eye
- Genre:
- Progressive Rock
- Label:
- DVS Records
- Release:
- 01.12.2003
- A Clown's Tale
- Fake The Right
- Your Other Way
- Icarus Unworded
- The Usual Routine
- Drifting
- On The Fringe
- The Great Open
- Too Much Toulouse
Die Mannheimer Neo-Prog-Rocker von ALIAS EYE wurden zur Zeit der Veröffentlichung ihres ersten Albums "Field Of Names" (2001) neben SYLVAN als eine der großen deutschen Hoffnungen auf diesem Sektor gehandelt. Mit dem Stück 'Premortal Dance' hatte man auch schon einen kleinen "Kulthit" vorzuweisen, den ihr Euch bei MP3.com runterladen könnt. Insofern habe ich das neue Album mit einer gewissen Spannung erwartet.
Was die Jungs hier bieten, ist ein wahres Kaleidoskop ausgefeilter Kompositionen, feinster Melodien und überraschender Ideen. ALIAS EYE sind offensichtlich bemüht sich einen ganz eigenen Sound zu schaffen, der zwischen ohrenschmeichelnder Eingängigkeit und atemberaubender Komplexität pendelt. Dabei variieren sie die genretypische Einflüsse aus Klassik, Jazz, Blues und Funk auf teilweise sehr ungewöhnliche Art und Weise. Klar, auch ALIAS EYE schreiben häufig theatralische Stücke mit viel Pathos wie etwa ARENA, Klavierklänge (synthetisch und echt) spielen eine bestimmende Rolle und in den beschwingteren Momenten darf die Musik wie beispielsweise bei THE FLOWER KINGS auch mal ordentlich grooven.
Aber ALIAS EYE haben ihren eigenen Kopf. Und deswegen beginnt gleich das erste Stück 'A Clown’s Tale' mit einer Mischung aus fernöstlicher Harmonik sowie Percussion, treibendem Rock und einem tollen Saxophon, welches Gastmusiker Timo Wagner beisteuerte. Die helle Stimme von Philip Griffiths verbreitet eine leichte Melancholie. Die mehrstimmigen Gesänge, die den Refrain umrahmen, setzen ALIAS EYE auch bei den folgenden Stücken immer wieder gerne ein. Die Gitarre ist kraftvoll und atmosphärisch. Mit seinen raumfüllenden, weitausladenden Soli sorgt Matthias Richter auf diesem Album für die Empfindung jeden Augenblick genüßlich abzudriften. Keyboarder Vytmas Lemke dürfte bei den Aufnahmen schwer beschäftigt gewesen sein um die vielen verschiedenen Sounds zu erzeugen, vor denen die Stücke geradezu überquellen. Alle Möglichkeiten, die Equipment und Studiotechnik hergaben, sind weidlich ausgenutzt worden. Manchmal erinnert das Ganze ein bischen an liebevolle Bastelarbeit. Das ist z.B. der Fall bei 'A Clown’s Tale', wenn dort für kurze Momente eine Accousticgitarre von ein paar Takten Trip Hop unterfüttert wird. Dabei verschmelzen diese Klangschichten harmonisch miteinander und wirken niemals zerrissen. Bei jedem Hören kann man etwas Neues entdecken. Natürlich werden ALIAS EYE kaum Freunde spontaner und ungeschliffener Aufnahmen mit "Live-Atmosphäre" ansprechen können. Das hier ist nun mal alles andere als "just Rock". In dieser Musik hat jeder Ton seinen wohlüberlegten Platz.
Im zweiten Track 'Fake The Right' schlägt die Stimmung radikal um. Rockiger Funk beherrscht das Spielfeld und bringt das Tanzbein zum Schwingen. Durch den eingängigen Refrain erhält dieses Stück schon fast einen Hitcharakter. Weil es so schön war, gibt es hier wieder Tim Wagners Saxophon zu hören. Das nachfolgende 'Your Other Way' ist einer meiner persönlichen Favouriten auf dieser Scheibe. Einer melancholischen Melodie wird von jazzigen Klavierparts ein leichter Schwung verliehen, bevor ein echtes Akkordeon - gespielt von Vytmas Lemke - für Gänsehaut sorgt. Sanfte E-Gitarrentöne bestimmen 'Icarus Unworded'. Die ernste Nachdenklichkeit dieses Stückes wird im folgenden 'The Usual Routine' von poppigen Einflüssen kontrastiert. Ein swingender Mittelpart setzt dabei ein cooles Glanzlicht und vermittelt ein wenig die Stimmung eines verrauchten Jazzschuppens der fünfziger Jahre.
Nach der ruhigen Ballade 'Drifting' gibt es ein weiteres Highlight: das dramatische 'On The Fringe'. Mit einem Windmacher und einem Didgeridoo leiten ALIAS EYE ihre musikalische Erzählung ein, die vor allem von der Verbindung zwischen Streichern und Gitarre lebt. Verschiedene Parts wechseln sich innerhalb des Stückes ab. Die Harmonien stammen offenbar aus der Klassik. Genauso genial und theatralisch ist 'The Great Open'. Zum Träumen läd das beinahe zweiminütige Gitarrensolo ein, welches einen schon fast von der Erde loslöst. Allerdings wird man zum Schluss mit 'Too Much Toulouse' noch mal in den rauchigen Jazzschuppen gestoßen. Kontrabaß und Piano unterstützen Philip Griffiths, während er in die Fußstapfen von Frank Sinatra tritt – ohne aber den Schmalztopf zu weit zu öffnen.
ALIAS EYE legen ein abwechslungsreiches Prog-Album vor, das die ihnen zuteil gewordene internationale Aufmerksamkeit in achtungsvolle Anerkennung verwandeln wird. Außerdem setzt die Gruppe studiotechnisch durchaus Maßstäbe. Mit Metal hat "A Different Point Of You" natürlich nicht viel zu tun – sieht man von paar härteren Riffs ab. Freunde anspruchsvoller Rockmusik jedoch werden begeistert sein.
Anspieltipps: A Clown’s Tale, Your Other Way, On The Fringe, The Great Open
- Redakteur:
- Jörg Scholz