AMSTERDAM RED LIGHT DISTRICT, THE - Sapere Aude
Mehr über Amsterdam Red Light District, The
- Genre:
- Alternative Metal / Metalcore
- ∅-Note:
- 6.00
- Label:
- Red Light Records
- Release:
- 02.03.2018
- Nobody Moves Like You
- The Best Is Yet To Come
- Need
- Wild Life
- Carry On
- Over The Fence
- Waiting For The Day
- The Whole City Burns
- Evil Stakeholders
- Sapere Aude
Mainstream-Alternative-Metal-Mutation an der Schmerzgrenze
All jene, die das Lyoner Quartett THE AMSTERDAM RED LIGHT DISTRICT aufgrund Nummern wie 'Gone For A While' oder 'I'm Not Insane' noch als moderne Punkrock-Kapelle abgespeichert haben, seien hiermit vorgewarnt: Auf dem 2018er Output "Sapere Aude" sind die Franzosen übergangslos zu einer überfett produzierten Mainstream-Alternative-Metal-Combo mutiert. Von luftig-leichtem Punkrock ist hier nichts mehr übrig, sieht man von der punkig-flotten Schlagzahl der meisten Songs einmal ab. Doch die Vergangenheit außen vorgelassen: Das was THE AMSTERDAM RED LIGHT DISTRICT auf Album Nr. 4 abliefert, ist schlicht und ergreifend zu viel des – vermeintlich – Guten.
Das Eröffnungsriff von 'Nobody Moves Like You' drückt ganz massiv Ärsche, und alles was an besagtem Arsch, äh, Riff dranhängt, geht mächtig und kompromisslos in die Vollen. Kompromisslos? Nun ja, der Sound der Franzosen strotzt zwar vor Testosteron und Selbstbewusstsein, gerade so als wollte man einschlägigen Konkurrenten aus der Gangster-Rap-Szene mal so richtig zeigen wo die Gitarrenaxt hängt - doch gerade bei diesem prolligen Kräftemessen liegt auch metertief der Hund begraben: Das Klanggewand wurde irrsinnig überproduziert, die Schreie durch den Synthie gezerrt, die Refrains auf Ohrwurmtauglichkeit gesiebt, der aggressive Gesang läuft voll auf radiotauglicher Konsensschiene, und im Text geht es – oh Überraschung - um den perfekten weiblichen Körper. Was wir hier zu hören bekommen, ist die perfekt ausdefinierte Essenz aus Nu Metal, Alternative Rock und einer kleinen Prise Metalcore. Hier werden VOLBEAT, NICKELBACK, EMIL BULLS, LINKIN PARK und ESKIMO CALLBOY in eine Schale geworfen und mit großem Löffel verquickt. Party-Alternative-Metal-Rock-Chartbreaker zu schreiben war offenbar die Vorgabe für die einstigen Verwandten von RISE AGAINST und BLACK FLAG. Sind die Franzosen an den falschen Produzenten geraten oder was?
Eins muss man den vier Herrschaften sicherlich lassen: So konsenstauglich sie mit "Sapere Aude" auch unterwegs sind, so ordentlich fallen objektiv betrachtet die Früchte ihrer Arbeit nach wie vor aus. Der Sound mag ein anderer sein, das Gespür für gute Songs hat die TARLD-Musiker nicht verlassen. Wäre die Produktion nicht so grausig überbordend geraten, ließe sich nicht jeder Takt, jede Note dem eindeutigen Versuch zuordnen, die partyaffinen Massen für sich zu gewinnen, wäre "Sapere Aude" einfach ein gutes modernes Rock-Album und Tracks wie 'Evil Stakeholders' einfach die rotzigen Punk-/Alternative-Knaller, die unter dem fett gebratenen Synthie-Mantel gelegentlich noch hörbar werden. Ja, zugegeben, Spaß macht diese auditive Überdosis hier und da auch so: Die bis zur Schmerzgrenze aufgeblasenen Riffs blasten auch Verächtern von Plastikklangproduktionen mit Überdruck die Ohren frei – 'Over The Fence', verdammte Axt, welch prächtiger Tritt ins Gemächt!
Und doch: Hier wurden die Regler am Mischpult ganz eindeutig zu weit in den roten Bereich gedreht, ebenso wie der Ansatz, wirklich alles an modernen Rock/Metal-Elementen zu verquicken, was Airplay auf großen Sendern nicht automatisch ausschließt, dermaßen unverfroren ausgereizt wurde, dass man sich aus Kritikerperspektive (aus Traditionalistensicht sowieso) als ernstzunehmende Band komplett disqualifiziert. Plumpe Sozialkritik per Vorschlaghammer (Donald Trump bekommt mit der Zitate-Collage 'Sapere Aude' gleich den Titeltrack) passt da leider ins unerfreuliche Gesamtbild – damit liegt man schließlich nie daneben, oder? Nee, das hier ist nix für mich. Für die Kurzweil der einzelnen Songs und die tatsächlich schlüssigen Kompositionen gibt es hier trotzdem eine ordentliche Bewertung; beim "Rock am Ring" oder "Southside" dürfte die Truppe sicherlich großen Zuspruch finden.
Anspieltipps: Over The Fence, Carry On
- Note:
- 6.00
- Redakteur:
- Timon Krause