ANDLAT - Mors Longa
Mehr über Andlat
- Genre:
- Islandic Deathsludge
- Label:
- Hopewell Records
- Release:
- 01.04.2004
- Painless
- Ambition But Always Failure
- Decades Of Bloodshed
- Turn Left To Die
- Don't Bet The Devil Your Hed
- Feeble Minded Fools
- What Was Intended
- Locked Away
- You Bleed The Same Blood As I
- Bliss
- The Tide
- Mors Longa, Vita Brevis
Daran erinnere ich mich gern: Ein ranziger kleiner feiner Club in einem Leipziger Hinterhof, die rostigen Rohre durchziehen das Geräum, es ist dunkel und die eng beieinander stehenden jungen Musiker sprechen eine seltsame Sprache. Auf der Bühne, nur leicht abgesetzt von dem Rest des kleinen dreieckigen Raumes, kloppen sich fünf unauffällige Typen durch ein gesund gepfeffertes Set. Der körperlich Kleinste dieser Ansammlung von Isländern ist Sigurdur und der Sänger. Aber im Bereich stimmlicher Vielfalt zwischen Kreischen, Krähen und Grunzen bewegt er sich gekonnt in der Bundesliga. Genau wie die auch auf POWERMETAL.de zu findenden CHANGER scheinen die Metal-Brigaden aus Geysirnähe die Besetzung mit zwei Gitarristen zu bevorzugen. Einer der beiden besetzt den Part des tragenden Säge-Riffs, wobei parallel dazu der zweite diverse hochstimmige oder hintergrundaufwühlende Kurzsoli einbringt. Synchronisieren sich diese beiden, so baut sich automatisch ein druckvolles Gebilde auf. Dieses wird unterstützt vom Schlagzeug, das sich dezent zurückhält und trotzdem maßgeblich strukturgebend ist. Ich weiß noch, dass das Zustandekommen der Tour damals einen Einblick in die Vielfältigkeit und Vernetzung der europäischen Metalszene verdeutlicht hatte: Isländische Band tourt durch Deutschland und das Ganze von einem tschechischen Label organisiert.
Die kleine isländische Szene liebt die Details. Das Drumkit, virtuos beherrscht von einem gewissen Magnus, fällt abwechselnd in Hall, klart auf, treibt, zischt, beißt den Keifling in den dürren Arsch oder pufft die jungen Gitarrenhacker an, noch mal einen Zahn zuzulegen. Die nämlich stimmen sich gegenseitig ab, füllen sich jeweils die befürchteten Lücken auf. Sitzend bange ich. Das kraftvolle Zusammenspiel der Klampfer gepaart mit der Vielfalt des Schreilurchs veranlasst mich zu dieser ungewöhnlichen Tat. Die Schuppen rieseln in die Tastatur. Egal. Denn ich freue mich auf den Einminüter 'Don't Bet The Devil Your Head'. Nicht Fuchur, sondern Sigurdur heißt hier der Drache, der bemerkt, dass sein Schwanz brennt und er genau 53 Sekunden Zeit hat, sein Ablied zu kreischen, bevor er heulend und schreiend gegen einen Felsen knallt. Für mich so eine Art Hit – You will end up dead. Sehr richtig.
Mittleren Tempos geht es weiter, und wie eine fette Oma walzt das folgende 'Feeble Minded Fools' über den Hörer hinweg. Ich habe dabei ungefähr fünf unterscheidbare stimmliche Beigaben Sigudurs festgestellt. Schuppe ab dafür! Sowieso ein schön epischer Song, mit schleifendem Ausgang. Als würde jemand schlussendlich seine Sachen packen, vorher gibt's einen bösen Streit und kurz vorm Gehen eskaliert das Ganze und gerät außer Kontrolle. Man einigt sich, aber nicht, ohne sich vorher wehgetan zu haben. Muss sein – wer kennt das nicht.
'You Bleed The Same Blood As I'. Aha. Da haben wir es wieder. Dunkler Thrash, verpackt in Teile und blutigen Tüten. Der Doubleblast in 'Bliss' kommt laut gehört so dermaßen eingefettet daher, dass es dem Song nicht schwer fällt, zu einem Monster sondergleichen zu werden. Alles drin für'n Wutanfall.
Das Ende naht in Form des formidablen flächendeckenden 'Mors Longa, Vita Brevis'. Ein Sechs-Minuten-Instrumental, mit dem man getrost einen Dokumentarfilm über abstürzende Gletscher hinterlegen könnte.
Eigentlich kann ich's ja nicht leiden, aber es lohnt sich, den Hiddentrack zu konsumieren. Als würden Lee Dorian seine Ration Hochprozentigen durch die Nase gurgeln und sämtliche Instrumente neu eingeschliffen werden.
Also wieder eine dieser Bands voller Ideen, deren wundergute Alben ein eher unerhörtes Dasein fristen. Unerhört ist das in der Tat. Der geneigte Hörer erhält einen Einblick in durchaus unterhaltsame Metallurgie. Ich rufe ihm zu: Erwarte nichts Neues, aber genieße die Erfrischung. Ist ja auch kalt in Island.
Anpieltipps: Don't Bet The Devil Your Head, Decades Of Bloodshed, Bliss
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben