ANGUR - Ego
Mehr über Angur
- Genre:
- Black Metal / Pagan Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Eigenpressung
- Release:
- 30.08.2015
- Eifergott
- Eitles Schicksal
- Sine Capite Regnabant
- Trümmer
Intensiver Brückenschlag zwischen ernsthaftem Pagan Metal und nihilistischem Black Metal.
Stattliche vier Jahre nach ihrem Debütalbum "Hôrt Mîn Sagen" haben die Pfälzer Recken von ANGUR endlich einen Nachfolger am Start. Dieser hört auf den Namen "Ego" und präsentiert sich als EP mit der stattlichen Spielzeit von einer halben Stunde, verteilt auf vier neue Stücke. Diese haben es in sich, und musikalisch erklärt sich vielleicht auch, warum es eine ganze Weile gedauert hat, bis die EP soweit war, auf die gottgeplagte Menschheit losgelassen zu werden. Es hat sich nämlich durchaus einiges geändert bei ANGUR: War das Debüt noch relativ tief im Genre verwurzelter Heidenstahl, der allerdings durchaus gehobenen und eigenständigen Art - verspielt, melodisch und hier und da mit folkigen Melodien, aber dennoch ernsthaft und mit Tiefgang -, hat sich die Band auf "Ego" nun doch zu etwas noch Eigenständigerem gemausert.
Zwar begegnet uns nach wie vor die Drehleier als prägendes, melodietragendes Element, und hier und da gibt es auch noch ein paar zaghafte weibliche Backing Vocals von Leierspielerin Fee, doch im Großen und Ganzen präsentiert sich die Band viel schwärzer, wuchtiger und nihilistischer als auf dem Debüt. Der klassischen germanischen Mythologie des Debüts folgt ein pessimistischer, religionskritisch wirkender, zynischer Ansatz des Umgangs mit klassischen Mythen und biblischen Überlieferungen. Über weite Strecken speit Frontmann Oliver garstig Gift und Galle, anklagend, eifernd, ketzerisch, doch wird diese feindselige Aura immer wieder schönen Kontrapunkten gegenüber gestellt, wie etwa im melodischen, klar gesungenen Finale zu 'Eitles Schicksal'. Der verstörende Dualismus zwischen Himmel und Ärd erzeugt auf der ganzen EP eine packende, verzehrende Spannung, die bisweilen droht, Musik und Konzept, sowie des Hörers Fantasie zum Bersten zu bringen. Doch durch das kompositorische Geschick der Band, durch die den Hörer immer wieder an die Hand nehmenden Hooklines gelingt es den Frankenthalern stets, den roten Faden der Scheibe aufzuzeigen.
Trotz der Drehleier und des gelegentlichen weiblichen Gesangs vermeidet die Band auf "Ego" jeden Kitsch und jedes pagane Klischee, denn die besagten Stilelemente werden bedacht und effektiv eingesetzt. Sie schaffen eine individuelle Aura und heben die Band aus der grauen Masse zweier Szenen. So bereichern sie ANGUR ungemein und schlagen letztlich eine Brücke vom misanthropisch-atmosphärischen Black Metal der neueren deutschen Schule zum ernsthaften, zynischen Pagan Metal, wie es in dieser Form keiner mir bekannten Band bisher gelungen ist. All das präsentiert die Band in einem fantastischen Soundgewand, das bei aller brachialer Härte sehr differenziert und organisch wirkt. Die Songs können bei aller Grimmigkeit atmen, was bei heutigen Produktionen leider keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Daher gibt es von mir eine ganz dicke Empfehlung für all jene, die unter Pagan Metal etwas anderes verstehen als metseliges Schunkeln, wie auch für alle, die von nihilistischem Black Metal mehr erwarten als stoische Riffmantren und heiseres Keifen, denn ihr werdet "Ego" als einen sehr individuellen und intensiven Brocken erleben, der euch nicht so schnell wieder los lässt.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle