ANOREXIA NERVOSA - Redemption Process
Mehr über Anorexia Nervosa
- Genre:
- Black Metal
- Label:
- Listenable
- Release:
- 11.10.2004
- The Shining
- Antiferno
- Sister September
- Worship Manifesto
- Codex-Veritas
- An Amen
- The Sacrament
Gäbe es einen Black-Metal-Wettbewerb für die meisten Geräusche pro Sekunde, ANOREXIA NERVOSA dürften sich schon jetzt als ein höllenheißer Titelanwärter fühlen. Die französischen Finsterlinge leiden nämlich noch immer nicht an Magersucht, wie es ihr lateinischer Bandname vermuten lässt. Im Gegenteil: Hier regiert der Bombast, King Musicus Krösus schwingt das musikalisch schwarze Zepter der Opulenz auch auf "Redemption Process". Ja, ihr habt richtig gehört: Die Scheibe heißt übersetzt so viel wie "Erlösungsprozess". Doch was soll erlöst werden? Soll das Erdenrund etwa von all diesen ganzen anderen symphonischen Kasperle-Truppen erlöst werden - solchen Bands wie MYSTIC CIRCLE, die im Fahrtwasser solch übermächtiger Formationen wie eben ANOREXIA NERVOSA herumkrauchen?! Oder sollen wohlmöglich einzelne glückliche Hörer nach diesem Album beschließen: "Jetzt habe ich allem gelauscht, was diese erbärmliche Welt hörmäßig zu bieten hat, da kann sich auch getrost meine Hand vom Lebenslöffel nehmen und bin erlöst ..."
Wie auch immer, "Redemption Process" bietet 45 Minuten und 36 Sekunden lang einen vollautomatischen Beschallungs-Hochgeschwindigkeitszug der Sonderklasse. In Frankreich heißt so etwas, so glaube ich, TGV?! Das "T" darin könnte bei ANOREXIA NERVOSA auch für Terror stehen, musikalischen 'Antiferno'-Terror einer entfesselt agierenden Kapelle im Ausnahmezustand. Lokführer RMS Hreidmarr kreischt kontinuierlich, ohne besondere Kontraste sind seinen gellenden Schreie quer über das gesamte Album verteilt. Das klingt nicht nur extrem, dass ist auch eine der faszinierenden Säulen dieser Band: Sie machen keine halben Sachen, keine Passage klingt weichgespült oder läppisch. Trotzdem fahren ANOREXIA NERVOSA nicht nur monoton mit 666 Drum-Kilometern je Sekunde durch ihre Soundhölle. Denn Stücke wie 'Sister September' funktionieren gleichwohl als brachiale Midtempo-Dampfwalzen wie ein ganzes Bataillon Nacken-Brecher.
Doch halt! Für was steht nun das ANOREXIA NERVOSA-TGV-"G"? Na klar, für Größe im Sinne von Erhabenheit durch maximales Ausreizen vorhandener instrumentaler Möglichkeiten. Leider sind ANOREXIA NERVOSA noch keine solchen Multi-Seller wie etwa CRADLE OF FILTH, zurzeit muss ein Keyboard für die musikalische Vision der Apokalypse herhalten. Doch schon damit gelingt ein gigantisches Inferno, der Bombast schraubt sich in fast schon schwindelerregende Höhen. Gerade ein Song wie 'Worship Manifesto' kann ein Lied davon singen, welche fast schon hypnotisch-bedrohliche Kraft sanfte Keyboard-Teppiche, Chöre und Streicher entfalten können. Dazu kommen noch gesprochene französische Beschwörungen, die solch einem musikalischen Teufelsstück zusätzlichen Drive geben - Satan, ick hör' dir schon lachen ... Eine bange Frage: Was passiert, wenn diese Jungs irgendwann einmal ein Orchester befehligen würden? Bluten dann Ohren wie Stigmata?! Stürzen die Engelchen allesamt vom Himmel herab, wie es das Cover suggeriert? Egal, einen Versuch wäre es wert. Denn dieses letzte Quentchen Unvollkommenheit macht "Redemption Process" zu keiner 110-von-100-Punkten-Platte, sondern lässt sie eben einfach als 100-prozentig geile Scheibe in die letzte Runde einwirbeln - Ziel ist natürlich das TGV-"V" wie Verdammnis. Fazit: Terror, Größe, Verdammnis - ANOREXIA NERVOSA spielen schwärzesten TGV-Metal fürs noch so junge Jahrtausend. Das neue Label Listenable Records wird's freuen ...
Anspieltipps: Antiferno, Worship Manifesto, Sister September
- Redakteur:
- Henri Kramer