APOCALYPTICA - Inquisition Symphony
Mehr über Apocalyptica
- Genre:
- Cello Metal
- Label:
- Mercury/Universal
- Release:
- 22.09.1998
- Harmageddon
- From Out Of Nowhere
- For Whom The Bell Tolls
- Nothing Else Matters
- Refuse/Resist
- M.B.
- Inquisition Symphony
- Fade To Black
- Domination
- Toreador
- One
"Inquisition Symphony" ist meines Erachtens das beste der vier Alben von APOCALYPTICA in der Originalbesetzung (Eicca Toppinen, Antero Manninen, Paavo Lötjönen, Max Lilja - alle Cello).
Mit dem reinen Cover-Album "... Plays Metallica By Four Cellos" zeigten sie eindrücklich auf, welche Wärme und Musikalität in den Kompositionen von METALLICA steckten, wenn man sie nur behutsam für die Holzinstrumente umschrieb und sie aus dem steril-cleanen Korsett der metallischen Gitarrenhelden befreite; das klang wirklich nach Klassik, wenn auch die Metalbezüge unverkennbar durchschienen; das funktionierte sogar ganz ohne Schlagzeugbegleitung prächtig; und doch: Das meist langsam dahinfließende Album erforderte Geduld mit seinen zahlreichen thematischen Wiederholungen in episch ausgewälzten Melodielinien.
Dieser Hang zu einer gewissen Langatmigkeit wendete sich mit "Inquisition Symphony" vollends zum Guten.
Klar, auch der Nachfolger "Cult" stand diesem Meisterwerk in Hinblick auf die einmal vorgenommene Wandlung in nichts nach, wirkte vielleicht sogar - bei aller Abwechslung - in sich noch geschlossener (kein Wunder, handelte es sich dabei doch das erste Mal einzig und allein um reine Eigenkompositionen der Finnen), und auch die dezente Percussion-Ergänzung war durchaus passend gewählt; doch das alles ändert nun einmal nichts daran, dass "Inquisition Symphonie" einfach die weitaus bewegtere, unbändigere, vielfältigere - und damit in meinen Ohren auch bessere - Scheibe des Quartetts war.
Der Nachzügler "Reflections" konnte dagegen nur noch enttäuschen: Zwar hatte man mit DAVE LOMBARDO (u. a. SLAYER, MELVINS, "Vivaldi: The Meeting") ein wahres Drum-Genie an Bord geholt und auch sonst einige Gastmusiker zur vermeintlichen Aufwertung des Sounds gewinnen können, doch kam dies letztendlich einer Verwässerung des ursprünglichen Apo-Sounds gleich, der sich nun in fast schon überladener Cinemascope-Soundtrack-Musik, beliebigen Romantic-Rock und Pop-Melodien sowie uninspiriert zusammengefügten Classic-Metal-Collagen zu verlieren drohte. Ursprünglich von allen möglichen Seiten in den Medien als gelungener Ausbau der Fähigkeiten abgefeiert, bin ich mir sicher, dass diese Scheibe in etwa zehn Jahren schon mehr oder weniger einheitlich als einmaliger Ausrutscher (hoffentlich!) oder aber als Anfang vom Ende (hoffentlich nicht!) gewertet werden wird.
Welche Richtung APOCALYPTICA aktuell einzuschlagen gedenken, bleibt mir noch zu erkunden: Unlängst erschien das neueste Werk "Apocalyptica" der mittlerweile zum Trio geschrumpften Combo.
"Inquisition Symphony" jedenfalls wird auf ewig Bestand haben und kann geradezu als historische Wasserscheide in puncto gelungener Symbiose und - mehr noch! - Fusion zwischen Metal und Klassik gelten.
Neben dem altbewährten Konzept, Songs von METALLICA für vier Cellos umzuschreiben, finden sich hier nämlich auch zahlreiche andere Cover-Versionen aus dem harten Rock-Bereich (namentlich 'From Out Of Nowhere' von FAITH NO MORE, 'Refuse/Resist' sowie 'Inquisition Symphony' von SEPULTURA und 'Domination' von PANTERA), plus drei Eigenkompositionen aus der Feder von Mastermind Eicca Toppinen.
Elf Stücke, die nicht einträchtig nebeneinander stehen, sondern Reibungspunkte aufweisen und dennoch ein ebenso passendes wie spannungsvolles Ganzes ergeben. Die Abfolge der insgesamt ausgewogen ausgewählten, obgleich mitunter recht extremen Stücke könnte wohl kaum eine bessere sein.
Der melodisch zweistimmige, düster herandräuende Opener 'Harmageddon' stimmt perfekt auf all das ein, was noch kommen wird. Ohne gleich das beste Pulver zu verschießen, wird hier ganz auf Atmosphäre gesetzt: Betörend, kratzend, aufreibend, finster drohend, abgründig krächzend scharren die Bogen über das gespannte Metall, lassen das Holz sprechen und gleiten nur selten harmonisch glatt durch die zerrissene Wolkendecke des morbiden Sounds.
'From out of nowhere' dagegen mutet schon deutlich klassischer an, und erinnert nicht von ungefähr an Opus #1 "... Plays Metallica By Four Cellos"; dennoch ist diese Produktion hier irgendwie dichter, was freilich auch am Stück selbst bzw. am dafür gewählten Tempo liegen mag. Drei Minuten zehn, die einem wie eine ganze Sinfonie vorkommen.
'For Whom The Bell Tolls' ist schon im Original eines der atmosphärisch gelungensten Stücke von METALLICA überhaupt, und APOCALYPTICAs Version steht dem in nichts nach - ganz im Gegenteil. Auch die Umsetzung der Ballade 'Nothing Else Matters' kann nur als gelungen bezeichnet werden - wenn nicht gar als bestmögliche Version; die oberflächlich schwülstige, emotional abgeflachte "S/M"-Version kann da jedenfalls nicht mithalten.
So weit, so tief schürfend besinnlich.
Der absolute Wahnsinn folgt allerdings stante pede mit dem bollernden Überkracher 'Refuse/Resist'.
Besonders live gespielt haut das Teil tierisch rein, da die elektrisch verstärkten Celli hier unterhalb des Stegs gespielt wurden, was einen wahren Höllendonner von tief in die Magengrube fahrenden Bassgrooves zur Folge hat. Darüber zischen und schmirgeln die mittleren Stimmlagen schweflig einher, während im obersten Bereich ein dünnes und fieses Etwas die schräge Melodie absondern darf: Geil!
Sehr gut schließt sich daran die übrigens nur langsam wieder gen Sonnenlicht strebende düsterromantische Grabeshymne 'M.B.' an, deren vampireske Melodieführung mich mit ihren zahlreichen Stimmungswechseln von grabend hart bis betörend sinnlich immer wieder aufs Neue begeistern kann.
Die beiden dusteren Antipoden 'Inquisition Symphony' (Ein beklemmendes Vibrato führt zum frenetischen Finale) und 'Fade To Black' (durchweg ruhig und dann ganz sachte sein Leben aushauchend) brauche ich wohl niemandem mehr vorzustellen; ihre klassische Umsetzung ist schlichtweg atemberaubend.
Als ich das dem Album seinen Titel gebende Stück noch vor Veröffentlichung der Platte das erste Mal (live) hören durfte, hätte ich vor Glück sterben können, noch bevor die letzte Note verklungen war - was auf CD leider einfach nicht ganz so gut rüberkommen will, aber sei's drum. Das war für mich bislang der absolute Höhepunkt aller Apocalyptica-Hörerfahrungen, und als akustisches Fotoalbum tut das Stück auch auf CD seinen Dienst.
Allzubald wird man die Finnen wohl leider nicht mehr in einem kleinen Club zu hören bekommen - die Kehrseite des kommerziellen Erfolgs.
Gegönnt sei der ihnen aber ohne Abstriche - nicht zuletzt, weil er in erster Linie auch auf so schlichtweg schönen Notierungen wie dem hier richtig gehend romantischen 'Domination' fußt, dessen PANTERA entlehnte Umsetzung einen schwermütig-mediterranen Flair mit melodisch-harmonischer Hoffnungsseligkeit vortrefflich zu verbinden weiß - um sodann das metallische der ursprünglichen Riffs wieder voll durchscheinen zu lassen und uns mit einem kurzen Solo zu verwöhnen: Gniedel-Fiedel, yeah!
Mit 'Toreador' folgt noch eine leicht spanisch angehauchte, dennoch vortrefflich moshende Eigenkomposition »about a melancholic bull killer«, wie das Stück auf der zweiten Deutschlandtour zum Album dann auch ebenso knapp wie zutreffend angekündigt wurde.
Und spätestens, wenn das grandiose 'One' verklungen ist, hat die Band jegliche Facetten abgedeckt, die einem Cello wohl überhaupt zu entlocken sind.
Kurzum: Eigentlich hätte der Vierer sich nach diesem Album auf den kreativen Lorbeeren ausruhen und in den wohlverdienten Ruhestand eintreten können. Dass sie es nicht getan haben, kann ihnen nicht hoch genug angerechnet werden.
Anspieltipps: Nothing Else Matters, Refuse/Resist, M.B., Inquisition Symphony
- Redakteur:
- Eike Schmitz