ARBOR IRA - ... und krankt mein Selbst vor Leidenschaft
Mehr über Arbor Ira
- Genre:
- Doom/ Death Metal
- Label:
- Eigenproduktion
- Release:
- 18.03.2006
- Der Wald wartet
- Der Waldmeister
- The Bridge
- Bodyjail
- Historia
- Late At Night
- Planet der Ringe
- Val Sans Retour
- Mirror Of The Fairy
- Glaubst du?
- Anything Goes
- Ich bin die kleine Schnecke
- Off Sun Through Walls
- Illusion Leben
- Why We Do Not Fly
- I Am On The Way
Unfreiwillig-unglücklicher lässt sich ein Beginn kaum wählen, als ihn sich ARBOR IRA für ihr Debüt "... und krankt mein Selbst vor Leidenschaft" ausgesucht haben. Denn im Intro lassen die Sachsen eine Frau verzweifelt rufen: "Hör auf! Es sind schon so viele tot..." Meint sie einen bestimmten Musiker der Band, den Sänger mit dem drolligen Pseudonym Herr Blum etwa? Eigentlich kaum vorstellbar, denn er wie die restliche Band sind durchaus bemüht, ihren deathigen Doom Metal möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Und sich mit möglichst abgefahrenen Ideen als die ostdeutsche Antwort auf die kultigen BETHLEHEM oder die außergewöhnlichen DORNENREICH zu etablieren. Gleichwohl, dieses Streben gelingt nicht ganz, noch nicht. Aber zumindest haben es ARBOR IRA mit "... und krankt mein Selbst vor Leidenschaft" geschafft, auf reichlich 70 Minuten Spielzeit eine möglichst eigenständige Identität zu kreieren, die schon jetzt faszinieren kann.
Der Vergleich zu BETHLEHEM drängt sich dabei vor allem so deutlich auf, weil Herr Blum eine durchaus wandelbare wie auch kranke Stimmenführung pflegt. Mal schreit und keift er als gare er langsam am Röst-Spieß, dann aber pendelt sein Organ wieder hin zu den Pfaden klarer Wikinger-Sangeskunst. Das Ergebnis klingt recht abgedreht, die klaren Stellen manchmal ein wenig ungewollt schief, deswegen aber nicht weniger sympathisch. Und die Parts, in denen er seine Stimmbänder richtig malträtiert? Da scheint es, als ob er dabei Schmerzen durchlebt, das Geschrei in solchen Momenten erinnert wiederum ein wenig an BETHLEHEM zu ihren besten "Dictius Te Necare"-Zeiten.
Dazu versuchen er und die restlichen Musiker sich an möglichst griffigen Riffs, die bei Klassekompositionen wie 'Late At Night' durchaus an alte DORNENREICH herankommen, weil sie abwechslungsreiche Stimmungen erzeugen und den doomigen Sound deswegen nicht langweilig vor sich hin schleppen lassen. Das gelingt freilich nicht bei jedem Song in der gleichen Qualität. Doch das ist bei dieser Band nicht weiter schlimm - sie wirken einfach zu sympathisch, zu ehrlich. Und eben witzig. Wer einem Song wie dem recht melancholisch-druckvollen Anfangsstück den durchaus ernst gemeinten Namen 'Der Waldmeister' verleiht, der zeigt einen gehörigen Sinn für Selbstironie. Diese Fähigkeit haben trotz ihrer langen Geschichte BETHLEHEM auch heute noch. Und ARBOR IRA scheinen auf dem besten Weg in diese Richtung, obwohl sie noch nicht über in Zellophan eingelegte Fischstückchen singen. Doch alles deutet darauf hin, dass ihnen solche Hirnverquerungen noch einfallen könnten, denn ihre zum Teil deutschen Texte sind schon jetzt eigenwillig genug. Zudem setzen sie auf "... und krankt mein Selbst vor Leidenschaft" ganz gezielt auf die Wirkung von schrägen hörspielartigen Zwischenstücken. Im Falle von 'Glaubst Du?' ist dieses Ansinnen beispielsweise wunderbar gelungen, geht die Frage doch sofort in das nervös-aufpeitschende Metal-Rock-Doomer-Stück 'Anything Goes' über - ein treibender Höhepunkt des sauber prodzierten Albums.
Dazu gibt es noch zwei Endlosstücke: 'Mirror Of The Fairy' mit satten zwölf Minuten und das knapp 14 Minuten lange 'Why We Do Not Fly'. Solchen überlangen Songs haftet ja allgemein die ambitionierte Gefahr an, schnell in Tristesse und Beliebigkeit umzuschlagen. 'Mirror Of The Fairy' schafft es gleichwohl den Spannungsbogen zu halten, besonders gegen Ende hin legt der Song in punkto Härte und Intensität zu, ohne dass sein fast hypnotisches Grundriff nennenswert an Reiz verliert. Dazu kommt die in dem Stück oft elektronisch verzerrte Stimme von Herr Blum, die dem Sound noch einen ganz neuen und überraschenden Aspekt verleiht. Auch 'Why We Do Not Fly' lebt von Kontrasten, wie es bei solchen Monsterstücke idealerweise auch sein sollte. So wechseln ARBOR IRA zwischen bitterbösen Death-Black-Klängen in Doomgeschwindigkeit hin zu eher getragenen Teilen, ziehen aber auch streckenweise das Tempo an. Das Ergebnis ist eine riesige Collage der guten und bösen Gefühle, die die Zwickauer mit ihrer Musik zum akustischen Leben erwecken - zwar ist dieses tonale Bild an manchen Stellen noch etwas grob gezeichnet, fehlen die perfekten Übergänge. Doch das Talent, dass in dieses Musikern steckt, ist schon jetzt überdeutlich erkennbar. So endet die CD folgerichtig mit dem morbiden Sprech-Singsang 'I Am On The Way', der eindringlich ins Ohr flüstert, dass mit "... und krankt mein Selbst vor Leidenschaft" eine ganz besondere Band namens ARBOR IRA auf dem richtigen Weg in Richtung düstere Glanztaten ist.
Anspieltipps: Why We Do Not Fly, Mirror Of The Fairy, Anything Goes, Late At Night
PS: Die Releaseparty zur Scheibe wird am 25. März im Lutherkeller zu Zwickau stattfinden.
- Redakteur:
- Henri Kramer