ARCHSPIRE - Bleed The Future
Mehr über Archspire
- Genre:
- Extreme Technical Death Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Season Of Mist
- Release:
- 29.10.2021
- Drone Corpse Aviator
- Golden Mouth Of Ruin
- Abandon The Linear
- Bleed The Future
- Drain Of Incarnation
- Acrid Canon
- Reverie On The Onyx
- A.U.M.
Selten so gelacht. Vor Ehrfurcht.
ARCHSPIRE ist eine fünfköpfige Band, 2009 gegründet, die aus dem kanadischen Vancouver kommt und mit "Bleed The Future" das vierte Album veröffentlicht - das wahrscheinlich wahnwitzigste Album im Extreme Technical Death Metal des Jahres. Ich kann total verstehen, wenn man nach oberflächlichem Hören zum Schluss kommt, dass alles einfach viel zu viel ist: technisch unterkühlte Raserei, ein bloßes Zur-Schau-Stellen von waghalsigen Kabinettstücken, das live ohnehin nicht rekapituliert werden kann. Nach eingehender Studie mit "Bleed The Future" komme ich zum Schluss, dass den Kanadiern hier ein extremer Ausnahmefall geglückt ist.
Ja, "Bleed The Future" stellt mit Songs bis zu 400Bpm wohl einige Geschwindigkeitsrekorde auf und es ist sinnvoll, einen Song mehrmals nacheinander zu hören, damit das Gehirn alles verarbeiten kann. Dennoch ist es ein Album geworden, das zeigt, wie man Musik am Limit schreibt, die dennoch eingängig ist, zugleich aber auch dynamisch und facettenreich. Erst einmal hat das Album einen Spielwitz inne, der nicht mehr normal ist und enorm ansteckt beim Zuhören. Wenn alleine die ersten Sekunden des Openers 'Drone Corpse Aviator' (starkes Video!) einen laut lachen lassen, weil man einfach überrollt wird, und nach dem Song einfach weiß, dass man sich auf einiges gefasst machen muss... - hier wird offenbar die Messlatte beängstigend hoch verschoben.
Wir haben es bei Dean Lamb und Tobi Morelli mit zwei Gitarristen zu tun, die nicht nur brutales Riffing aus den Händen schütteln, das stets dezent melodisch ist, sondern zudem mit tollen Soli und neoklassischen akustischen Zwischenspielen für die nötigen Farbtupfer sorgen. Das Coole an diesen akustischen Breaks innerhalb ('Drone Corpse Aviator'. 'Golden Mouth Of Ruin', 'Bleed The Future') oder zu Beginn eines Songs ('Drain Of Incarnation') ist, dass sie nicht nur an THE HUMAN ABSTRACT erinnern, sondern den nächsten Part im Track vorstellen, nur eben in akustischem Gewand und mit ein paar Anschlägen weniger. Solche kleinen, aber feinen Gimmicks findet man immer wieder auf "Bleed The Future", so auch im Bassspiel von Jared Smith, der auch gerne mal ein Solo übernimmt und generell sehr präsent ist. Als Schlagzeuger muss ich natürlich auch ein paar Worte zu Spencer Prewett verlieren. Sein Drumming ist wirklich einzigartig, denn er schafft es nicht nur Gravity Blasts sinnvoll einzubauen - was ich so tatsächlich noch nie gehört habe -, sondern auch immer den Groove im Blick zu haben, sodass man zumindest die Chance bekommt, ab und zu mal mitzunicken. Dazwischen machen etliche Rolls und Breaks das Schlagzeugspiel zu etwas wirklich Besonderem.
Die Geheimwaffe der Platte ist aber Sänger Oliver Rae Aleron. Es ist wie ein gutturales Scatten, denn wie ein Maschinengewehr shoutet er, passend zum Grundbeat seiner Kollegen, die schnellsten Textpassagen raus, dass man beim Mithören und mitlesen der Texte kaum mitkommt.
Songbeispiele? Da könnte man eigentlich jeden Track nehmen, denn alle acht Songs stehen für sich und lassen sich gut auseinanderhalten, was nicht jede Band schafft, die jenseits normaler Hör- oder Spielgewohnheiten agiert. Die drei Singles 'Drone Corpse Aviator', 'Golden Mouth Of Ruin' und 'Bleed The Future' geben schon mal ein guten Eindruck, am prägnantesten finde ich aber 'Drain Of Incarnation', da dieses Stück mit seinen Industrial-Anleihen nochmal besonders heraussticht. Abgerundet wird das Album von einem Konzept, dass sich damit befasst, was passieren würde, wenn Menschen begännen, nicht-menschliche Wesen zu gebären.
Es ist nicht nur das versierte Können jedes Einzelnen an den Instrumenten, sondern ebenfalls die Fähigkeit, schlüssige Songs zu schreiben, die man immer wieder anhören möchte, um noch weitere Details zu entdecken. Achja, und tatsächlich ist die Band imstande, ihren Extremsport auch live umzusetzen, wie viele Videos beweisen.
"Bleed Future" macht einen fix und fertig. Und dabei verdammt viel Spaß.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Jakob Ehmke