AS I LAY DYING - Frail Words Collapse
Mehr über As I Lay Dying
- Genre:
- Melodic Death Metal
- Label:
- Metal Blade
- Release:
- 16.06.2003
- 94 Hours
- Falling Upon Deaf Ears
- Forever
- Collision
- Distance Is Darkness
- Behind Me Lies Another Fallen Soldier
- Undefined
- A Thousand Steps
- The Beginning
- Song 10
- The Pain Of Separation
- Elegy
Was machen AS I LAY DYING richtig, was andere Metalcore-Bands nicht hinkriegen? Fragt man sich, während man das Album "Frail Words Collapse" durchhört. Im Prinzip nichts oder nicht viel. Hier wird weder das Rad neu erfunden, noch irgendeine Grenze neu ausgelotet. Es gab alles schon krasser, schneller, härter oder auch sensibler. Und dennoch ist das Majordebüt der Mannen aus Amerika gute Arbeit in seinem Metier. Um konkret zu werden: Die Band, deren Name eher nach einem Liedtitel statt nach einer Combo klingt, wirft einen Kracher - in doppelter Hinsicht - auf den Markt.
Die Platte ist weit von Perfektion entfernt. Umso interessanter ist dann der Umstand, dass die Kritikpunkte nicht zu sehr das Gesamtbild zerkratzen. Zunächst schaut einem ein Totenschädel vom Cover entgegen, sodass man sich wundert, warum HYPOCRISY’s "Into The Abyss" unter "A" in der CD-Abteilung steht. Im Booklet findet man nichts Interessantes, also keine Bilder. Zwar die Texte, aber wir sprachen ja über interessante Sachen. Auf der Rückseite präsentiert sich eine Playlist, die leider kaum den Eindruck des quantitativ durchschnittlichen Albums erfüllen kann, den sie erweckt.
Man macht von der ersten Sekunde an keine Gefangenen und bekennt mit heftigen Drum-Attacken sofort Flagge. '94 Hours' schießt aus allen Rohren und drückt einem unweigerlich mit schnellen Rhythmen und roher Härte das Hirn an die Kopfrückwand. Frei nach dem Motto: Gleich mal alles zeigen, was man hat!, packt Schlagzeuger Jordan Mancino eine zehnsekündige Doublebass-Attacke in dieses Lied, die schneller ist als die Zunge eines Kolibri. AS I LAY DYING haben jedenfalls definitiv einen aggressiven Drummer und machen dementsprechend häufig von dessen Ausdauer Gebrauch. Dass dieses Album ganz sicher etwas für Drum-Fetischisten ist, steht nun außer Frage, wer aber nun glaubt, dass AS I LAY DYING lediglich der Bezeichnung "Schießbude" neue Ehren verschaffen wollen, der liegt falsch. Zwar ist die glasklare Doublebass von nun an allgegenwärtig, aber durch viel Abwechslungsreichtum keinesfalls verheizt. '94 hours' endet fast etwas verfrüht und hätte besonders zum Ende hin noch mal einen ordentlichen Kick gebraucht. Den holt sich der Hörer aber einfach im nächsten Lied. 'Falling Upon Deaf Ears' ist ein Hardcore-Stück im klassischen Sinne, das zwar von Härte, jedoch auch von Monotonie bestimmt wird. Bis dahin hat man kaum Zeit Luft zu holen.
Doch was folgt, ist sowohl das melodischste als auch eingängigste und kurzum beste Lied des Albums. 'Forever' hat unzählige Tempowechsel, einen ohrwurmigen Refrain und eine überaus verspielte, abwechslungsreiche Doublebass. Und spätestens ab dem Moshpart gegen Ende des Liedes ist es gänzlich um den Hörer geschehen. Zum ersten Mal auf diesem Album kommen auch Backgroundvocals zum Einsatz. Diese sind mehr als wichtig, denn Shouter Tim Lambesis ist sicher eine tolle Screammachine, jedoch ist das leider schon alles. Besonders bei so ruhig beginnenden Stücken wie 'Behind Me Lies Another Fallen Soldier' oder 'Song 10' vermisst man einen ruhigen Gesang. Letzeres erinnert die ersten einundhalb Minuten instrumental ganz und gar mehr an ein PLACEBO-Stück zu "Without You I’m Nothing"-Zeiten als an knüppelharten Metalcore. Zumindest dadurch wird auch ohne Clean-Vocals genug Raum abgedeckt, um dem Album die nötige Abwechslung zu verleihen, an der Metalcore gerne scheitert. Ihre stärksten Momente entwickeln AS I LAY DYING in Stücken, die genug Melodie und Zugkraft haben, sprich: das nötige Tempo. So erreichen sie ihren schöpferischen Zenit in Liedern wie 'Collision', 'Undefined' und 'The Beginning'.
Leider macht das Album aber auch genug Platz für "erzwungene Härte". Manche Songs sind schlicht nur hirnloser Krach. Obwohl man bei dieser Band verspürt, dass sie es gar nicht nötig hat Härte zu erzwingen, wie bei Schlachter-Einlagen à la 'A Tousand Steps' und 'Distance Is Darkness'. Wobei Letzteres sich, nach einem völlig unkoordinierten Schweinehälften-Anfang, urplötzlich fängt und sogar mit klarem Gesang aufwartet. Diese Art von Liedern ist nicht grade eine erstrebenswerte Art, einem Album Dynamik zu injizieren, aber immerhin ist es eine Art.
AS I LAY DYING sind gut beraten, ihrem Schlagzeuger die Becken zu klauen. Die Überdosis an diesem Geräuschteppich, die sich durch das ganze Album zieht, ist nämlich nerviger als ein Schwarm Moskitos. Statt des permanenten Summens wäre etwas mehr Fokus auf tiefe Töne angebracht gewesen. Blechfreie Knüppel-Angriffe wirken da schon sehr erholsam.
Ein weiteres wirklich derbes Manko ist die Länge des Albums. Wie jede Band ihres Genres schaffen auch sie es nicht, sechzig Minuten zu füllen. Im Fall AS I LAY DYING ist sogar nach knappen neununddreißig Minuten schon alles vorbei. Besonders ärgerlich ist das, wenn man daran denkt, dass die Löcher zwischen den schönen Liedern des Albums mit den Krachkorken gestopft wurden, um überhaupt über EP-Laufzeit hinauszukommen. Zum Glück passiert das fast jeder Band aus dieser Schublade.
Weiteres Manko sind die Lyrics, bei denen man sich nicht gerade einen Zacken aus der Krone gebrochen hat. Wobei man hierbei vielleicht nicht zu offensichtlich das Beil schwingen sollte. Denn auch wenn die Texte weder einfallsreich noch reich gesät sind, so sind sie doch recht auslegungsreich wiedergegeben. Somit hat man auch weniger ein Problem damit, dass die Herren mit der Mähdrescher-Attitüde in heiligem Auftrag handeln. Will man sich die Freude an der Musik nicht verderben, so sollte man das Booklet einfach beiseite lassen. Die Lieder, welche mit nur drei Zeilen abgespeist werden, sind ohnehin nicht die besten des Albums.
Dass man es dann teilweise vorzieht, lieber Gott statt seiner Familie in erster Instanz zu danken, ist zwar nervig, aber auch überlesbar und hat ohnehin nichts mit der Musik zu tun. Und durch den Sound als Hauptstützpfeiler ist auch die Gefahr einer musikalischen Eingeschränktheit durch konfessionsbedingte Scheuklappen weitestgehend gebannt. Es entsteht also keine zwangsläufige religiöse Langeweile, wie beispielsweise bei P.O.D oder IIL NINO.
Durch ihre Präzision und Konsequenz hätte dieses Album durchaus ein Hammer werden können. Durch einige Fehler im Sound und die lyrische Sparsamkeit fällt das Album leider wieder in den Einheitsbrei zurück. Man sollte versuchen, den Ideenreichtum, den man mit dem Überhit 'Forever' an den Tag legte, weiter auszubauen. Ansonsten kann man das Album immerhin noch abfeiern, und live muss diese Band zwangläufig eines der krassesten Erlebnisse sein, die man sich vorstellen kann.
- Redakteur:
- Michael Langlotz