ASTPAI - Burden Calls
Mehr über Astpai
- Genre:
- Punkrock
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Asscard Records / Cargo
- Release:
- 15.08.2014
- Single Use
- Dead End Talking
- Out
- Death Everywhere
- After All
- Departure
- Ground Control
- Down By Love
- Resignation
- Careers
- Small Change
- Oxygen
- Emotion In The Way
Wer hätte das gedacht? Punkrock ist erwachsen geworden.
Mehr als dreißig Jahre hat's gedauert, und was hat der Punk in dieser Zeit nicht alles durchgemacht: Zahlreichen Sparten der Rockmusik den Weg bereitet, Generationen mobilisiert, auf die Straße gebracht, zum zivilen Ungehorsam animiert. Punkrock wurde verachtet, ignoriert, später auch geschliffen und kommerzialisiert. Betrachtet man die ursprünglichen Wurzeln des Genres und seine zahlreichen Vertreter, ist diese schlichte musikalische Form des Widerstandes jedoch eines offenbar nie: erwachsen geworden. Heute, im Jahr 2014, liefert uns mit ASTPAI ein Quartett aus Österreich den Beweis des Gegenteils.
Auf "Burden Calls", dem fünften Bandoutput (in fünf Jahren!), hebt sich ASTPAI auf bemerkenswerte Weise von den zahlreichen Wegbegleitern ab. Im Gegensatz zu den Punk-Opas von GREEN DAY oder BAD RELIGION bieten die Jungspunde ihren Hörern deutlich mehr als beiläufiges Hintergrundgedudel. Trotz heiter-melodischer Gitarren und flottem Tempo sind die Songs auf "Burden Calls" deutlich unkonventioneller konstruiert, zerfasern, lösen sich auf, rücken wieder zusammen, fließen ineinander über. Gemeinsam mit der Reibeisen-Gesangsstimme Zocks liefert die Instrumentalfraktion hier dreizehn intelligent komponierte Tracks ab, deren Halbwertszeit deutlich über jener der meisten melodischen Punkrock-Platten liegt. Dadurch ist der Zugang zu "Burden Calls" allerdings auch ungleich schwerer; trotz einzelner hocheingängiger Hooks schälen sich mit den ersten Hördurchgängen keine Ohrwürmer heraus. Erst bei eingängiger Betrachtung werden die Strukturen klarer erkennbar, die Kompositionen nachvollziehbarer. Melodiöse Naivität der 90er-Jahre-Punker einerseits, aber erwachsene, ernsthafte Grundstimmung und Strukturierung andererseits. Und doch kein Post Hardcore - von wehmütigen FUNERAL FOR A FRIEND-Klagesongs ist ASTPAI noch ein gutes Stück entfernt. Das hier ist waschechter Punkrock, flott, fordernd, fröhlich-fatalistisch.
Die textliche Konzeption und das geschlossene Klangbild sorgen für ein homogenes Gesamterlebnis, aus dem hier nur 'Death Everywhere' exemplarisch herausgegriffen werden soll, ein Paradebeispiel für die Vorgehensweise der Österreicher: Melodische Gitarren und groovige Powerchoards, alles im gediegenen Uptempo-Bereich, eröffnen den Drei-Minüter – doch was ist Vers, was ist Refrain? Der Song nimmt mehrere Anläufe, zieht den Spannungsbogen an, gibt wieder Gelegenheit zum Luftholen, um gegen Ende in einem hymnischen Mitsing-Chorus aufgelöst zu werden. Für Chart-Mainstream ist ASTPAI auf dem fünften Output viel zu sperrig unterwegs, daran ändern auch balladeske Nummern wie 'After All' oder knackiger Ami-Rock à FOO FIGHTERS wie bei 'Ground Control' nichts. Die Platte macht Laune, dürfte so manchen Hörer aber auch ernüchtert von Dannen ziehen lassen. Der größte Makel von "Burden Calls" besteht darin, dass aus der Summe der sehr homogenen Kompositionen kein Song merklich hervorsticht. Zum Teil zerfallen die Lieder auch in strukturlose Fragmente ('Ground Control', 'Down By Love') oder lassen den finalen Punch vermissen ('Out'), und so verliert man nach etwa der Hälfte der Spielzeit den Faden und mitunter auch die Lust. Mit dem nachvollziehbareren 'Careers' (starker Refrain!) wird der Hörer wieder abgeholt, und 'Emotion In The Way' beendet das Album auf versöhnliche, nachvollziehbare, nachdenkliche Weise.
Nicht jeder wird mit dieser anspruchsvollen Punk-Ausrichtung warm werden. Ich kann für meinen Teil nur sagen: ASTPAI ist der lebende Beweis dafür, dass Punkrock doch erwachsen und intelligent klingen kann. Ein höheres Maß an Abwechslung, das eine oder andere eindeutige Highlight gehen "Burden Calls" leider ab, nichtsdestotrotz haben die Wiener ihren eigenen, einzigartigen Sound gefunden, der sich noch als prägend für das Genre erweisen könnte. Dagegen sehen die Herrschaften von GREEN DAY, THE OFFSPRING & Co. allmählich wirklich alt aus.
Anspieltipps: Death Everywhere, Careers, Emotion In The Way
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Timon Krause