ATLANTEAN KODEX - The White Goddess
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2013
Mehr über Atlantean Kodex
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Cruz Del Sur (Alive)
- Release:
- 04.10.2013
- Trumpets Of Doggerland
- Sol Invictus
- Bilwis
- Heresiarch
- Twelve Stars And An Azure Gown
- Der Untergang der Stadt Passau
- Enthroned In Clouds And Fire
- White Goddess Unveiled
Besser geht epischer Heavy Metal nicht.
Das lange erwartete Nachfolgealbum zum Überallabräumer "The Golden Bough" aus dem Jahre 2010 hört auf den Namen "The White Goddess". Es steht die Frage im Raum, wie die Jungs mit dem Druck umgehen konnten, der nach dem überraschenden Erfolg des Erstlings auf ihnen lastete. Aus vielen Ecken wurde und wird das unschöne Wort "Hype!" formuliert, denn der KODEX ist von der großen Presse über den grünen Klee gelobt worden und hatte die Gelegenheit, auf einem passenden Festival vor großer Kulisse zu spielen. Obendrein wird die Band im Internet von so genannten Szenesprachrohren angepriesen als die beste Epik-Metal-Band der letzten Jahre und ihr Gitarrist Manuel Trummer schreibt Kolumnen für eines der großen Printmagazine. Da wird man skeptisch ob der Jubelarien. Aber, betrachtet man es realistisch, dann wird man schnell merken, dass sich die Band diesen Ruf in langjähriger Arbeit im Underground, dem sie ja noch gar nicht entwachsen ist, hart erarbeitet hat. Schon ihre frühen Gehversuche wie "The Pnakotic Demos" weisen einen extrem hohen Standard auf und während andere Bands an jeder Steckdose auftreten, hatte ich bei der Band stets den Eindruck, jeder Schritt wäre wohl durchdacht. Insofern darf man einer Band den wohlverdienten Erfolg auch ganz einfach einmal gönnen. Wenn es nämlich so einfach wäre, von allen Seiten so gebauchpinselt zu werden, darf ich die Frage stellen, warum es denn nicht bei jeder Band so funktioniert. Vielleicht, weil man eben nicht schon etliche Jahre zuvor an der Basis hart gearbeitet hat und durch Qualität auf sich aufmerksam machen konnte. Vielleicht.
Kommen wir nun endlich zur weißen Göttin. Ummantelt von einem erneut erhabenen Covergemälde, bekommen wir acht Kompositionen geboten, die dort ansetzen, wo "The Golden Bough" geendet hat. Das kurze, bombastische Intro 'The Trumpets Of Doggerland' stimmt den Hörer sofort richtig auf das anschließende 'Sol Invictus' ein. Eingeleitet von einem kurzen Chorgesang, der mit seiner Klarheit schon durch Mark und Bein geht, marschiert dieser Epikhammer überraschend flott aus den Lautsprechern. Sänger Markus Becker verzaubert den Zuhörer mit seiner glasklaren, kraftvollen Stimme und spätestens beim Pre-Chorus ist man völlig eingefangen. Dem Quintett gelingt es in Windeseile, eine unbeschreibliche Atmosphäre zu erzeugen, eine Energie auf den Zuhörer zu entladen, die mitreißend, beschwingend und einfach nur fesselnd ist. Bilder von wundervoll klaren Winterlandschaften ziehen vor dem geistigen Auge auf, während man Luftgitarre spielend dem KODEXschen Rausch verfällt. Ich bin kein Freund von MANOWAR und schon gar nicht von BATHORY, aber diese Kollegen hier überrollen mich mit ihrer wunderbaren Musik. So stelle ich mir epischen Heavy Metal vor. Hier stimmt alles. Wer jetzt denkt, es würde sich bei 'Sol Invictus' um einen gut platzierten Opener handeln, dem nur noch laue Lüftchen folgen, der wird sich nach der gefühlvollen Einleitung 'Bilwis' im ebenso majestätischen 'Heresiarch' verlieren. Deutlich getragener als der beinahe rasante Opener, walzt diese Nummer mit einer Eleganz (und einer Hammondorgel!) über den Hörer hinweg, dass man nur mit offenem Munde da stehen kann. Und wenn man denkt, es könne kaum noch schöner klingen, überrascht uns die Band mit einer herrlich schleppenden Passage, über die ein mehrstimmiger Gesang gelegt wird. Gänsehaut. Genau die richtige Stimmung für 'Twelve Stars And An Azure Gown', denn diese Nummer zeichnet sich durch eine sehr gefühlvolle Melodie aus. Wenn die Gitarren nicht behutsame Akustikklänge erzeugen, scheinen sie zu "flirren". Leichte Parallelen zu tollen WHILE HEAVEN WEPT-Songs schimmern durch. Auf halber Strecke schippert der Song dann in etwas rauere Gewässer und schwere Riffs erklingen. Ganz großes Kino, welches aber erst zum Monumentalfilm wird, wenn in den letzten zwei Minuten dieses Songs ein mehrstimmiger Chorus angestimmt wird, bei dessen Melodieführung und Gesangsklangfarbe ich unweigerlich an einen gewissen Mister Arch erinnert werde. Chapeau.
'Der Untergang der Stadt Passau' dient hiernach als Einleitung zur nächsten Epik-Keule namens 'Enthroned In Clouds And Fire'. Hart, wuchtig, (er-)schlagend und grimmig stampft dieser Song angetrieben von einer unnachgiebigen Rhythmusmaschine, die alles daran setzt, vorwärts zu kommen. Gnadenlos. Ohne den gefühlvollen Gesang von Markus, wäre dieser Song melancholisch. So ergibt sich aus diesem Kontrast eine großartige Dynamik. Erhaben. Damit man nicht mit so einem schweren Brocken im Magen zurück gelassen wird, gibt es abschließend mit 'White Goddess Unveiled' einen hoffnungsfrohen, schnellen Titel, dessen Melodie zackig auf des Zuhörers Lippen landet. Eingerahmt wird dieser musikalische Gourmethappen von einem Textkonzept, welches man nicht mal eben so erklären kann. Es geht um anthropologische Gedankenspiele zur gemeinsamen Herkunft religiöser Symboliken und Traditionen, basierend unter anderem auf einem Buch von Robert Graves, welches "The White Goddess" heißt. So sind gesprochene Zitate zum Beispiel aus der berühmten Europa-Rede Churchills oder von Matthias Lang, dem "Seher" aus Apoig, das spannende Tüpfelchen auf diesem detailverliebten Album. Ich komme nicht umhin, in die allgemeine Euphorie mit einzustimmen. Das beste Album dieses sehr starken Monates. Eventuell sogar des Jahres. Man wird sehen.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae