AYREON - 01011001
Mehr über Ayreon
- Genre:
- Progressive Metal
- Label:
- Inside Out / SPV
- Release:
- 25.01.2008
- Age Of Shadows
- Comatose
- Liquid Eternity
- Connect The Dots
- Beneath The Waves
- Newborn Race
- Ride The Comet
- Web Of Lies
- The Fifth Extinction
- Waking Dreams
- The Truth is In Here
- Unnatural Selection
- River Of Time
- E=mc²
- The Sixth Extinction
Er ist der unbestrittene Meister vertonter Science-Fiction-Konzepte, ein musikalisches Genie, ein innovativer Geschichtenerzähler, wie er sprichwörtlich im Buche steht, und nicht zuletzt dank seiner Kollaborationen mit der Elite des Metal-Business vielleicht ganz unbewusst die fortschrittlichste Zugkraft einer ganzen Musikergeneration. Arjen Lucassen ist in den letzten Jahren mit Lob und Superlativen geradezu überhäuft worden. Mit dem Release seines fulminanten "Into The Electric Castle"-Albums stehen ihm die Türen zu Musikern jeglicher Coleur offen, und dies nutzt der niederländische Künstler seitdem auch ständig für noch gewaltigere, umfassende Projekte berechtigt schamlos aus.
Drei Jahre nach seiner letzten Arbeit "The Human Equation" meldet sich AYREON nun mit einer weiteren Space-Oper zurück, vielleicht sogar mit ihrem definitiven Husarenstück, welches der Hauptakteur nunmehr mal wieder gleich auf zwei Silberlinge verteilt hat. Lucassen erzählt auf "01011001" die Geschichte vom Untergang einer Rasse von Wassergeschöpfen, verknüpft das Ganze mit der menschlichen Abhängigkeit von Maschinen und philosophiert in diesem Bereich der Grenzwissenschaften zugleich schwerpunktmäßig über ein aktuell heiß diskutiertes Thema, nämlich die Manipulation der menschlichen Evolution.
Musikalisch sind diese Visionen dabei entsprechend düster verpackt und wirken selbst für die Verhältnisse des Protagonisten äußerst experimentell. Besonders in der ersten Hälfte namens "Planet Y" haben sich zahlreiche feine Details verschanzt, die AYREON über einen vielfältigen Progressiove-Rock-Teppich ausschüttet und mit dezenten Einflüssen aus dem skandinavischen Einzugsgebiet füllt. Longtracks wie 'Age Of Shadows' oder das mehrteilige 'Beneath The Waves' gehören zum ambitioniertesten Werk Lucassens bisher, vermögen darüber hinaus aber auch in sehr lebendiger Form, das inhaltliche Schicksal bzw. dessen rasanten Wandel sehr nuanciert darzustellen. Die Tragik entwickelt sich dabei erst im Schlussdrittel der ersten Scheibe, dies wiederum vorwiegend durch die erstklassigen Keyboard-Themen, die AYREON hier als Leitsatz voranstellt. Derweil weckt das Ganze auch verstärkt Erinnerungen an klassische Dramen-Soundtracks, so zum Beispiel im folkig angehauchten 'Liquid Eternity' oder etwa im ebenfalls recht traditionell strukturierten 'Ride The Comet', deren lebensbejahende Atmosphäre einen wohligen Kontrast zum düsteren Touch der meisten Songs bietet.
Letzterer wird schließlich auf CD Nummer zwei, "Earth", noch präziser ausgearbeitet, reicht in 'Unnatural Selection' sogar schon in Bereiche hinein, die das Projekt in all seiner Schaffenszeit noch nie angeschnitten hat. Songs wie das epische 'The Fifth Extinction' oder das zurückhaltende 'The Truth Is In Here' wirken nachdenklich und bedrückt, vertonen aber dabei auch die zugrunde liegende Skepsis, die Arjen seiner Hintergrundstory zugeordnet hat. Statt noch pompöser und bombastischer auszuholen, leitet der Mann ein unerwartet stilles, wenngleich auch gewohnt facettenreiches Finale ein, in dessen ruhigen Momenten letztendlich aber auch der stärkste Ausdruck lebt.
Trotz des offenkundigen Umfangs - immerhin wirken auch auf "01011001" charismatische Stimmen wie unter anderem Tom Englund, Daniel Gildenlöw(!), Anneke von Giesbergen, Jorn Lande und der leider etwas deplatzierte Hansi Kürsch mit -, ist die neue AYREON-Platte damit das wohl stillste Werk in der nunmehr 13-jährigen Schaffensphase des Komponisten, dennoch vielleicht auch gerade deswegen jenes Album, welches in der gesamten Diskografie als das imposanteste, reifste heraussticht. Vermeintliche Schnellschüsse wie das Debütwerk des STREAM OF PASSION-Projekts verblassen gegenüber "01011001" jedenfalls total, werden indes aber auch schnell wieder von der Kritik befreit, weil sie im direkten Vergleich mit diesem monumentalen Soundkino kaum mehr nennenswert erscheinen. Doch ganz ehrlich: Hat man anderes erwartet?
Es mag sich ein wenig nüchtern anhören, wenn im Resümee steht, dass die neue AYREON-Veröffentlichung lediglich die logische Konsequenz nach dem bereits verhalteneren "The Human Equation" ist, allerdings trifft dies grundsätzlich den Nagel auf den Kopf. Jedoch muss dabei stets das Genie dieses unvergleichlichen Musikers im Vordergrund stehen, welcher hier mit insgesamt 17 Gastmusikern eine Prog-Metal-Platte sondergleichen zur Schau stellt und für alle weiteren Releases im gerade begonnenen Jahr die Messlatte schon nahezu unermesslich hoch angesetzt hat. Und das Schöne daran: Irgendwie weiß man dennoch, dass selbst ein Arjen Lucassen am scheinbaren Zenit seiner Kreativität immer noch dazu in der Lage ist, sich ein weiteres Mal selbst zu übertreffen - wenngleich es beim nachfolgenden Werk enorm schwierig werden sollte ...
Anspieltipps: Age Of Shadows, The Fifth Extinction, The Sixth Extinction, Beneath The Waves, Unnatural Selection
- Redakteur:
- Björn Backes