B.S.T. - Unter Deck
Auch im Soundcheck: Soundcheck 12/2017
Mehr über B.S.T.
- Genre:
- Doom
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Voodoo Chamber Records
- Stimmen
- Aufgabe
- Brenne
- Chance
- Ride On
So geht Deutscher Doom!
Doom ist langsam. Von daher ist die Zeitspanne von flauschigen vier Jahren seit "Die Illusion" erschienen ist, nicht überraschend lang. Vielmehr hat sich bei mir in diesen Jahren, in denen ich die Hamburger Band B.S.T. mehrfach livehaftig erleben durfte, eine Vorfreude auf "Unter Deck" angestaut, die fast nicht mehr auszuhalten war. Und nun ist es soweit: Der zweite Longplayer kommt mit seinem fantastischen Coverartwork endlich in den heimischen Hafen geschippert und besorgt mir schon optisch wohlige Schauer. Farbgebung und Motiv sind einfach nicht nur wunderbar passend zum Titel, sondern untermalen sofort die unendliche Tiefe der musikalischen Darbietung.
Gut, letzteres kann ich zum Zeitpunkt des ersten Betrachtens nur erhoffen, aber bereits während der ersten Takte des zehnminütigen Eröffnungstsunamis 'Stimmen' weiß ich, dass die eben heraufbeschworene Tiefe wieder da ist. Unterlegt von einem stoischen Rhythmus, der als Untermalung einer Poe-Vorlesung sicherlich zu Suizid-Gedanken führen würde, lassen gnadenlos finstere Riffs hier alle Hoffnungen des Zuhörers fahren. Ein Licht am Ende des Tunnels? Leider sind die Streichhölzer alle und Sänger Heiko Wenck scheint dies auch zu wissen. Da überrascht es wenig, dass er - und später auch der Zuhörer - Stimmen hört. Viele Stimmen. Im Kopf. Das ist Musik voller Hingabe, die mich sofort in ihren Bann zieht und der ich mich unwillkürlich und gänzlich hingeben will und kann. Ein ganz großer Auftakt zu einem ganz tollen Album. Ist man einmal im Sog, gibt es mit 'Aufgabe' gleich den nächsten Song mit zweistelliger Laufzeit. Wenn man denn auch die Noten so langsam und genüsslich spielt, dann wird Zeit relativ. Hier erschreckt Drummer Jan Galinski die Schlürfgemeinde mal eben mit zackiger Taktvorgabe, was seine Kollegen von der Saitenfraktion aber nicht dazu animiert, ebenfalls das Tempo anzuziehen. Kontrastprogramm. Mein Trancezustand vom ersten Song wird hier wunderbar weitergeführt. 'Brenne' ist dann deutlich kürzer und musikalisch auch etwas luftiger. Herbstlich eingefärbte Süßwassermelodien, hin und wieder ein fein säuselnder Bass und eine Gesangsmelodie, die mich fesselt. Ich hätte nicht gedacht, dass mich mal eine deutschsprachige Nummer so abholen würde. Alter Verwalter!
Ist man gerade so herrlich verzaubert und glaubt, schöner könne es nicht mehr werden, eröffnet 'Chance' mit einer völlig neuen Facette des bunt-grauen Regenbogens. Der Klangwall wird noch breiter, plötzlich scheint auch der Gesang von ganz tief unten zu erklingen und unterm Kopfhörer bekommt man tatsächlich leichte Beklemmungen. Zum Glück gibt es diese kleinen Lichtpunkte der Melodie und das abschließende Wundercover von Christy Moore 'Ride On'. Ein Song, der schon lange zu den livehaftigen Highlights von B.S.T. zählt. Auch wenn es zuerst etwas ungewohnt ist, Heiko in Englisch singen zu hören, ist 'Ride On' eine Hymne, zu der man einfach mit geballter Faust durch die heimischen vier Wände schreiten muss. Eine Nummer, die schon bald von vielen Liebhabern als eine der wichtigsten Coverversionen der Neuzeit betrachtet werden wird. Das behutsame Ende, welches Heiko ganz offenbar allein im einem nebelgeschwängerten Moor aufgenommen hat, ist so herzzerreißend, dass man einfach nicht anders kann als sofort die Wiederholungstaste des Players zu betätigen.
Ihr werdet es gemerkt haben: Ich liebe dieses Album und ich liebe B.S.T.! Selbst bei der extrem starken Doom-Konkurrenz in diesem Jahr (SORCERER, PROCESSION, FORSAKEN, BELOW, PALLBEARER, DOOMOCRAZY etc.) würde ich bei dem Erwerb nur einer dieser Scheiben, immer "Unter Deck" wählen. Origineller und emotionaler wird Doom nicht mehr.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae