BECOMING THE ARCHETYPE - The Physics Of Fire
Mehr über Becoming The Archetype
- Genre:
- Avantgarde/Progressive Death Metal
- Label:
- Solid State Records / Century Media
- Release:
- 18.06.2007
- Epoch Of War
- Immolation
- Autopsy
- The Great Fall
- Nocturne
- The Monolith
- Construct And Collapse
- Endure
- Fire Made Flesh
- Second Death
- The Balance Of Eternity
Auch in den Teilen der Metal-Szene, die sich gerne selbst als "modern" bezeichnen, findet man wirklich Besonderes und Aufregendes eher selten. Immer wieder neue Musikstile durcheinander zu schmeißen und das Ganze dann als Innovation anzupreisen, ist halt nur sehr bedingt cool und bahnbrechend. Eine ebenso verstörende wie faszinierende und alle Sinne anregende Ausnahme dieser Tristesse-Regel sind die US-Extrem-Metaller BECOMING THE ARCHETYPE. Deren Debüt-Album "Terminate Damnation" wurde 2005 als "Progressive Metalcore" tituliert. So falsch war dieses Etikett damals nicht, hatte aber trotzdem wohl eher marketingtechnische Gründe. Mit dem nun vorliegenden zweiten Album "The Physics Of Fire" entzieht sich die Truppe aus Atlanta jedenfalls konsequent und endgültig jeglicher eindeutigen Kategorisierung. Dabei hatten BECOMING THE ARCHETYPE einen massiven Aderlass zu verkraften, die beiden Gitarristen Jon Star und Sean Cunningham kehrten der Band den Rücken. Neu hinzu gekommen ist Alex Kenis, Axeman der Edel-Melodic-Deather ALETHEINAN, der sich nun mit dem etatmäßigen Keyboarder Seth Hecox die Gitarrenarbeit teilt. Dabei erweist sich Alex als wahrer Glücksgriff für BECOMING THE ARCHETYPE, da er mit seinem enorm variablen Spiel deren eh schon breiten musikalischen Horizont noch einmal erweitert.
"The Physcis Of Fire" ist ein von der ersten bis zur letzten Minuten fesselndes, mitreißendes und beeindruckendes Schauspiel. Hier trifft der Begriff von der natürlichen Weiterentwicklung tatsächlich mal zu. BECOMING THE ARCHETYPE gelingt tatsächlich das wahrlich atemberaubende Kunststück, aus verschiedensten Elementen und Einflüssen eine mächtige Legierung herzustellen, die visionäre, elegante Kreativität, nihilistischen Wahnsinn und viehische Brutalität zu etwa gleichen Teilen enthält. Da trifft die Intensität und Dichte von NILE auf die chirurgische Präzision von KATAKLYSM, die todesbleierne Melancholie von OPETH, den NWoAHM-Groove von SHADOWS FALL und den apokalyptischen Krach diverser Relapse-Records-Bands. Die Parallelen zu angesagten Metalcore-Acts wie THE AGONY SCENE liegen wohl eher im Sound-Bereich und bei den extrem aggressiven Vocals von Jason Wisdom. Und immer wenn die Schmerzgrenze fast erreicht ist, erkaltet der akustische Lavastrom plötzlich in einem ruhigen, kühlenden Flussbett, nur um wenig später aus einem eben noch friedlichen kleinen Tümpel einen vernichtend kochenden Geysir empor schießen zu lassen. Und mitten hindurch schickt dann oftmals Gitarren-Magier Alex eines seiner wunderbaren, höchst melodischen Metal-Soli auf die Reise. Anbetungswürdig!
BECOMING THE ARCHETYPE sind ebenso innovativ wie schwer verdaulich und verlangen dem Hörer einiges ab. Wenn man sich allerdings erst mal in den Kosmos dieser freundlichen jungen Herren hinein gedacht, gefühlt, gelitten hat, beginnt man sehr schnell süchtig zu werden nach diesem Grenzen negierenden Extrem-Metal. Diese Band versteht es wie kaum eine andere, mächtige Klanggebilde aufzubauen, nur um sie dann genussvoll wieder in sich zusammen stürzen zu lassen. Bedrohlich und futuristisch, ekstatisch und selbstzerstörerisch, eine Art musikalischer Dekonstruktivismus - da kommt es schon etwas überraschend, dass die Texte sich überwiegend mit christlichen Themen beschäftigen. Andrerseits passt es auch schon fast wieder ins Bild, denn bei dieser Truppe gelten herkömmliche Gesetzmäßigkeiten und Regeln einfach nicht. Für mich sind BECOMING THE ARCHETYPE eine der besten und wichtigsten Bands unserer Zeit. Liebhaber anspruchsvoller, extremer Musik werden "The Physics Of Fire" ins Herz schließen und sollten hier unbedingt zuschlagen.
Anspieltipps: Epoch Of War, The Great Fall, The Monolith, The Balance Of Eternity
- Redakteur:
- Martin van der Laan