BIG STEEL SHIT - Shit Happens
Mehr über Big Steel Shit
- Genre:
- Alternative Metal / Post Grunge
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Eigen
- Release:
- 31.10.2012
- Lard
- Godsons
- It Barks Rage
- Stoned By Reality
- Didn't Mean
- Industrial Fever
- Misleading
- News That Confuse
- Brakes Off
- Waiting For The Bus
- Shit Happens
Irrwitzige Brücke zwischen NWoBHM, Grunge und Alternative Metal
Wir schreiben das Jahr 2012; die Erodierung der bestehenden Verhältnisse ist offenbar nicht aufzuhalten. Dabei scheint die Bedrohung sowohl des Einzelnen als auch der Gesellschaft wie im Nebel verborgen, und zugleich ständig präsent zu sein. Einige Wenige schwimmen in Reichtum und Überfluss, während Millionen von Menschen ihre Lebenszeit als moderne Sklaven vergeuden. Doch vielen scheint zu dämmern, dass nicht sie es sind, die über ihr Leben, ihr Sterben, ihre Existenz bestimmen. Den Soundtrack zu diesem diffusen Lebensgefühl und zur Auflehnung gegen die obskure Bedrohung und Fremdbestimmung schreiben BIG STEEL SHIT, fünf aufgedrehte Musiker aus Italien – und mit ihrem zweiten Album "Shit Happens" gelingt ihnen ein ebenso schlichter wie verblüffend einleuchtender Brückenschlag zwischen 80er-Jahre-NWoBHM, 90er-Grunge und alternativem Metal aus dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.
Die Wut der Truppe aus dem unter der Oberfläche gesellschaftlich verfaulenden Italien – so besingen es BIG STEEL SHIT selbst – sucht sich einen äußerst kreativen musikalischen Weg, und lässt dabei interessanterweise die oft bemühte (und bei sozialkritischer Musik naheliegende) Hardcore-Schiene komplett aus. Stattdessen werden klassische Metalriffs aus den 80ern und frühen 90ern bemüht, die immer wieder freudige Erinnerungen an BLACK SABBATH und frühere JUDAS PRIEST wach werden lassen. Auch PEARL JAM, nach eigener Aussage großes Vorbild der Band, klingen immer wieder durch. Soundtechnisch geht man nicht den Weg der Moderne von überproduzierten, fetten Klangwänden, sondern hält sich bewusst an den schlichten Sound besagter Vorbilder. Der Gesang ihres Fronters Giovanni Lopriore wiederum erinnert verblüffend an Daron Malakian, ohne allerdings den Nerv-Faktor des SYSTEM OF A DOWN-Gitarristen zu entwickeln. Dennoch, ein gutes Stichwort: Denn neben dem besagten, klassischen Heavy-Metal-Grundgerüst ihrer Songs verwenden BIG STEEL SHIT auf "Shit Happens" eine ordentliche Ladung alternativer Elemente und kreieren so ihren ganz charakterlichen, individuellen Sound. Man könnte fast schon von einer eigenen Form des Post-Grunge bzw. –Metal sprechen. Der Opener 'Lard' bewegt sich zunächst noch im Rahmen einer modernen NWoBHM-Interpretation: Straightes Drumming, DEEP PURPLE-Powerchords, klassische Gitarren-Soli, leicht näselnder Klargesang. Das folgende 'Godsons', eine Abrechnung mit der devoten, der Mafia untergebenen Bevölkerung Italiens, bindet gleich mal orientalische Harmonien in ihre Melodien ein, so wie man das von SYSTEM OF A DOWN oder beispielsweise auch bei THE OFFSPRING schon gehört hat. Richtig fies wird es erst mit Track Nr.3, 'It Barks Rage', der heftig dreschend über den Hörer hereinbricht, sich jedoch über einen groovenden Vers zu einem absoluten Ohrwurm-Refrain hinarbeitet.
BIG STEEL SHIT bringen alles mit: Klug verwendete Referenzen, ausgefeilte technische Fertigkeiten, starke Melodien, und allem voran erfreulich viel Kreativität. Neben den bislang angesprochenen Trademarks ist es nämlich dieser immer wieder anklingende Irrsinn, dieser Hauch von Anarchie, der die Truppe von der Südseite der Alpen so interessant macht. Der Wahnsinn quillt immer wieder zwischen den Takten hervor, und das metallische Grundgerüst vermag ihn nur unzureichend zu bremsen. Gelegentlich mag einem der teilweise etwas monotone Gesang auf den Keks gehen, doch ansonsten gibt es an "Shit Happens" wenig auszusetzen. Mag man vielleicht die ersten Tracks dieser durchgeknallten Scheibe noch unspektakulär finden - je weiter die Trackliste vorrückt, desto mehr Abwechslung und abgefahrene Überraschungen erwarten den Hörer. Die stärksten Tracks haben sich BIG STEEL SHIT ohnehin für das letzte Albumdrittel aufgehoben: 'Misleading' beginnt leicht psychothisch und steigert sich dramatisch in einen verzweifelten Refrain hinein, während 'News That Confuse' herrlich polternd in MACHINE HEAD’schen Thrash-Gefilden wildert. Das absolute Highlight ist das anschließende 'Brakes Off' mit seinem tragischen Spannungsbogen: Zunächst eine getragene, schmissige Rock-Ballade, mit klagenden, glasklaren Gitarrenleads, steigern sich Wut und Resignation hin zu einem wunderbar melodiösen Interlude, eine umwerfende Tapping-Melodie aus dem Hut zaubernd, ehe der Song wütend und polternd zu Ende gedroschen wird. 'Waiting For The Bus' und 'Shit Happens' lassen das Album schließlich völlig abgedreht und schräg ausklingen.
Ich wage zu behaupten, dass BIG STEEL SHIT eine ganz große Nummer werden können – schließlich sollten mit ihrem ebenso klassisch wie modern ausgerichteten Alternative Metal Hardrocker der alten Schule ebenso wie Anhänger neuerer, ausgefallenerer Klänge glücklich werden. Ihre kritischen Texte, das sympathische Auftreten der jungen Musiker sowie vor allem ihre kreative Mixtur aus Tradition und Moderne zusammen ergeben das Potential für den ganz großen Wurf. Shit Happens? Geiler Scheiss.
Anspieltipps: It Barks Rage, Brakes Off, Misleading, News That Confuse
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Timon Krause