BLACKBRIAR - A Dark Euphony
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/23
Mehr über Blackbriar
- Genre:
- Symphonic Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Nuclear Blast Records
- Release:
- 29.09.2023
- An Unwelcome Guest
- Far Distant Land
- Spirit Of Forgetfulness
- Bloody Footprints In The Snow
- The Evergreen And Weeping Tree
- Cicada
- My Soul's Demise
- We Make Mist
- Thumbelina
- Forever And A Day
Dunkle Märchen in wohligem Klang.
Was kann denn auf ein in allen Belangen perfektes Album folgen? Ein solches stellt für mich nämlich "The Cause Of Shipwreck" dar. Es ist für mich immer noch kaum zu glauben, welche Gefühle dieses Album in Pandemie-Zeiten (2021) bei mir auslöste. Damals war die Band noch völlig unabhängig und machte alles selber, und ich habe immer daran geglaubt, dass sie einmal ganz groß werden könnte, die oranje Antwort auf BEYOND THE BLACK als das Mindeste.
Nun, neun Jahre nach der ersten Single 'Ready To Kill' ist es endlich soweit, denn nach unzähligen weiteren Singles, drei EPs und dem ersten, oben beschwärmten Longplayer, steht das Debüt für Nuclear Blast an. Ist das jetzt der Anfang einer steilen Karriere?
Leider ist es schwer, solche Zukunftsprognosen anzustellen, aber ich kann euch sagen, dass es für mich noch schwieriger ist, diesen Nachfolger eines innig geliebten Albmus zu beurteilen. Es geht mir oft so, dass ich eine Band nach einem persönlichen Albumriesen irgendwie "verliere". Und ich hoffe, dass dies mit BLACKBRIAR nicht passiert. Aber bis jetzt spüre noch nicht diese alte Euphorie beim Anhören der immer noch wunderbaren Musik - getragen von Zoras verzaubernder Elfenstimme. Warum?
Es mag eine leichte Verwirrung meinerseits sein, doch mehr als nur einmal denke ich mir: "Nanu, kenne ich diese Melodie nicht schon? Klingt diese Passage nicht sehr ähnlich wie bei Song XYZ auf der "Shipwreck"?" Habe ich vielleicht eine Überdosis BLACKBRIAR bekommen und reagiere nun ein wenig abgestumpft?
Für denjenigen, der "The Cause Of Shipwreck" nicht kennt, sind diese ersten Gedanken natürlich nicht brauchbar, von daher zurück zu den harten Fakten. Auf "A Dark Euphony" hören wir eine, wie ich finde, immer noch sehr einzigartige Version des "Female Fronted Symphonic Metal" niederländischer Herkunft, die man grob als ausgewogene Mischung zwischen alten THE GATHERING, STEAM OF PASSION und jüngeren Acts wie DELAIN und BEYOND THE BLACK beschreiben kann. Dreh- und Angelpunkt ist Sängern Zora, auf deren sehr weibliche, klare und elfengleiche Stimme alles zugeschnitten ist. Zora verleiht BLACKBRIARs Musik damit auch eine etwas märchenhaftere, lyrischere, in Passagen aber auch ein wenig düsterere Stimmung, als dies bei den Vergleichsbands wahrzunehmen ist. Wie bereits erwähnt, mich konnte die Band mit ihrer Art, Musik, Lyrics und Stimme miteinander zu verweben, bislang immer völlig mitreißen und auf "The Cause Of Shipwreck" hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass die Dynamik der Instrumente wie durch Geisterhand von der Stimme gelenkt wird. Völlig irre, ich weiß.
Auf "A Dark Euphony" ist alles, also Klang, Stimme und Stimmung sowie Songwriting, ähnlich wie auf "The Cause Of Shipwreck". Und deshalb sollte ich eigentlich frohlocken. Als Patron von Zora habe ich sogar Einblicke in die tiefere Bedeutung der Lyrics bekommen. In einigen Liedern thematisiert sie Ängste und Phobien, zum Beispiel das ohnmächtige Gefühl bei einer Schlafparalyse (wenn man beim Schlafen das Bewusstsein wieder erlangt, die Muskeln aber noch erschlafft sind). Eine andere düstere Geschichte ist von dem "Sündenfresser" inspiriert ('My Souls Demise'), das ist eine Person, die eine rituelle Mahlzeit zu sich nimmt, um die Sünden einer verstorbenen Person spirituell auf sich zu nehmen. Oder ein Tribut an den Wendigo, den "Menschenfresser", ein mythologisches Wesen, das für Gier, Mord und Kannibalismus steht. 'Bloody Footprints in the Snow' ist damit wohl der härteste Song, den ich bislang von BLACKBRIAR gehört habe.
Wer nun den Eindruck bekommt, es handele sich hier um eine Düster-Metal-Band, der liegt sicherlich falsch, denn die Musik ist keinesfalls harsch, kantig oder gar depressiv. Zora interpretiert ihre Faszination für solche Themen immer mit ihrer, auf manche gar etwas naiv wirkenden, Elfenhaftigkeit, sie ist die Zauberfee, deren Stimme auch das böseste Monster innehalten lässt und verzückt. "Dunkle Eufonie" trifft die Beschreibung der Musik also perfekt. So sind ihr Stücke wie 'The Evergreen and Weeping Tree', das von einem Zypressenbaum handelt, der zwei Liebhabern als geheimer Treffpunkt dient, auf dem Leib geschneidert. Oder 'Cicada', beim dem Zora ihre Musen bittet, sie nach ihrem Tod in eine Zikade zu verwandeln, so dass sie für immer für die singen kann, die sie liebt. Hach!
Es ist also mal wieder sehr sehr schön geworden, das neue BLACKBRIAR-Album, das einmal mehr von einem selbstgezeichneten, comicartigen Cover geziert wird. BLACKBRIAR hat also durchaus wieder genau das geliefert, wofür die Band steht. Und trotzdem hat sich ein kleiner Schatten zwischen die Musik und mich geschlichen. Nicht alle Songs gehen mehr so gut ins Ohr und erreichen mein Herz wie noch beim Vorgänger. Tch stelle erste Anflüge songwriterischer Routine fest, es wirkt auf mich das erste Mal so, dass der Inspiration ein Konzept aufgebunden wird, dass Dinge so sein müssen, wie man sie von Außen erwartet. Das ist natürlich nur ein subjektives Gefühl, das ich eventuell nur habe, weil "A Dark Euphony" das Debüt für ein Major-Label ist. Doch wenn 'The Cause Of Shipwreck' heute läuft, merke ich, dass vielen neuen Songs so ein ganz kleines bisschen Strahlkraft fehlt. Aber wirklich nur eine kleines My. Denn so ganz langsam setzt nach vielen Spins auch heuer wieder der Suchtfaktor ein, und wer weiß, wie sich das in den nächsten Wochen entwickeln wird. Ich freue mich nun sehr auf das erste Mal live!
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Thomas Becker