BLIND GUARDIAN - Somewhere Far Beyond (Revisited)
Mehr über Blind Guardian
- Genre:
- Power Metal
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 02.08.2024
- Time What Is Time
- Journey Through The Dark
- Black Chamber
- Theater Of Pain
- The Quest For Tanelorn
- Ashes To Ashes
- The Bard's Song - In The Forest
- The Bard's Song - The Hobbit
- The Piper's Calling
- Somewhere Far Beyond
Kann die Neueinspielung des Klassikers überzeugen?
Ich habe schon nicht schlecht gestaunt, als BLIND GUARDIAN vor einigen Monaten eine frisch aufgenommene Version von "Somewhere Far Beyond" ankündigte, die entsprechend im Titel auch mit dem Zusatz "Revisited" versehen wird. Klar, die Krefelder schauen gerne einmal mit besonderen Veröffentlichungen und auch mit umfangreichen Remasterings in die Vergangenheit, dass sich die ansonsten musikalisch immer eher in die Zukunft blickenden Urgesteine der deutschen Metalszene dem Neuaufnahme-Wahn der vergangenen Jahre anschließen, hätte ich allerdings nicht gedacht. Nachdem aber gerade die Experimente in diese Richtung von Kollegen wie den Cavalera-Brüdern recht erfolgreich waren und ich seit Jahren eingefleischter BLIND GUARDIAN-Anhänger bin, muss ich natürlich auch "Somewhere Far Beyond (Revisited)" ein Ohr schenken.
Über das Songmaterial selbst möchte ich dabei nicht viele Worte verlieren, immerhin sollte es ein allgemein anerkannter Fakt sein, dass "Somewhere Far Beyond" nicht nur wegen des alles überstrahlenden 'The Bard's Song - In The Forest' ein Meilenstein der deutschen und auch internationalen Metalszene ist, der in keiner Sammlung fehlen sollte. Die schiere Anzahl von Volltreffern und Songs mit Klassiker-Potential spricht da einfach Bände. Mir geht es in den folgenden Zeilen also primär um die Frage, ob die Neueinspielung mit dem Charme des Originals mithalten kann und ob selbige denn überhaupt nötig war. Die Überraschung ist in dieser Hinsicht erst einmal, dass ich mich ab den ersten Tönen von 'Time What Is Time' direkt im Klangbild des Albums heimisch fühle, was ich nach unzähligen Durchläufen des Originals eigentlich nicht erwartet hätte. Zumindest bei anderen Neuaufnahmen ist da der erste Schock doch größer.
Doch woher kommt diese Vertrautheit? Nun, zum einen spielt BLIND GUARDIAN diverse Tracks der Scheibe regelmäßig auf Konzerten und hat passend zum 30. Geburtstag den gesamten Silberling zuletzt ja auch auf Tour aufgeführt, weshalb ich als großer Freund der diversen Livealben mit der zeitgemäßeren Interpretation der Tracks bereits vertraut bin. Ebenfalls tappen die Krefelder nicht in die gleiche Falle wie etwa die Schweden IN FLAMES, die an einer Neuinterpretation von 'Only For The Weak' krachend gescheitert sind, sondern bleiben den Arrangements der ursprünglichen Tracks treu. Um die Unterschiede zu finden, muss man daher auch wirklich beide Versionen des Albums konzentriert gegeneinander halten. Primär sei dabei natürlich die Gitarrenarbeit erwähnt, die auf dem Original durchaus teils noch etwas holprig und ungestüm aus den Boxen schallt, heute dagegen mit hörbar mehr Präzision und Esprit von André Olbricht und Marcus Siepen an den Sechsaitern präsentiert wird. Auch Frederik Ehmke bringt am Schlagzeug eine frische Note mit ein, die für meine Ohren die Songs etwas besser nach vorne peitscht, auch wenn hier ebenfalls die Abweichungen von den ursprünglichen Arrangements gering ausfallen. Schlussendlich hört man Hansis Gesangspassagen massiv die Erfahrungen der letzten Dekaden an, klingen diese doch in meinen Ohren insgesamt einfach runder, ohne den Charakter der ursprünglichen Parts aus den Augen verlieren.
Auch abseits der handwerklichen Darbietung gibt es in Sachen Produktion große Schritte zu vermelden, die "Somewhere Far Beyond (Revisitited)" besser machen. Im Original hat mich primär immer der etwas zu dominante und rasselnde Bass gestört, während auch die Drums nicht immer restlos überzeugend aus den Boxen schallten. All das ändert sich mit der Neuaufnahme, die klanglich ganz dicht am noch immer aktuellen Album "The God Machine" dran ist und schlicht und ergreifend aufgeräumter und druckvoller klingt, ohne in moderne Breitwand-Gefilde zu geraten. Rund gemacht wird die Neuauflage übrigens in der Special-Edition noch von einer zweiten CD, die den kompletten Live-Mitschnitt des Albums enthält, der beim Rock Hard Festival 2022 aufgenommen wurde. Eine Blu-ray gibt es dazu noch oben drauf, die mit diversen Live-Aufnahmen aus den letzten Jahren aufwartet und insgesamt ebenfalls für hervorragende Unterhaltung sorgt.
Nun aber zurück zur eingangs gestellten Frage: Braucht man diese Neuaufnahme wirklich? Nun, es wird mit Sicherheit Puristen geben, die das Original wegen seines jugendlich-ungestümen Charmes bevorzugen werden, doch überraschenderweise lautet die Antwort für mich persönlich: Ja, ich brauche "Somewhere Far Beyond (Revisited)" definitv in der Sammlung. Einerseits liegt das daran, dass die Band dank eines respektvollen Umgangs mit den Arrangements den Songs jederzeit gerecht wird, andererseits liebe ich schlicht und ergreifend den "modernen" BLIND GUARDIAN-Sound, der für mich zum Besten gehört, was man heute in der Metalszene geboten bekommt. Die Klassiker in diesem Klanggewand und mit runderer Darbietung hören zu können, hat für mich entsprechend auch definitiv einen Mehrwert, womit ich bei Ankündigung der Scheibe nicht gerechnet habe. Also Chapeau, die Mission Neuaufnahme ist hier, ähnlich wie bei den Cavalera-Brüdern, vollends geglückt!
- Redakteur:
- Tobias Dahs