BLIND ILLUSION - The Sane Asylum
Mehr über Blind Illusion
- Genre:
- Bay Area Thrash
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- World In Sound/ Rough Trade
- Release:
- 11.09.2015
- The Sane Asylum
- Blood Shower
- Vengeance Is Mine
- Death Noise
- Kamakazi
- Smash The Crystal
- Vicious Visions
- Metamorphosis Of A Monster
- Cry Of The Banshee
- Destroyer
- Glass Guillotine
Bay Area Klassiker!
Eigentlich ist es beschämend, dass ich über dieses Album blumige Worte verfassen muss, denn eigentlich sollte "The Sane Asylum" längst in jedem gut sortierten Haushalt stehen. Da dies leider nicht der Fall ist, nehme ich die gerade erschienene Neuveröffentlichung dieses gern übersehenen Wunderalbums als Anlass, hier ein bisschen Werbung für BLIND ILLUSION zu betreiben.
Eigentlich müsste man den Bay-Area-Vierer heute in einem Atemzug mit HEATHEN, DEATH ANGEL und FORBIDDEN nennen, denn die Band um Sänger/Gitarrist Mark Biedermann zählt zu den Wegbereitern dieser wunderbaren Szene. Bereits in den späten 70ern wird die Band von Biedermann ins Leben gerufen und spielt in unterschiedlichen Besetzungen etliche Shows in San Francisco und Umgebung. Dadurch wird man schnell zur lokalen Szenegröße. Als dann einige Jahre später der Knusper-Thrash in der Bay Area aus jeder Kelloggs-Packung zu springen schien, kann man diesen Rückenwind kurzzeitig ausnutzen und spielt alle Nase lang mit solchen Newcomern wie EXODUS oder LEGACY. Das Problem ist lediglich: Aus bis heute unerfindlichen Gründen erscheint kein Album. An der Qualität der Musik kann es nicht gelegen haben, denn die Songs auf den offiziellen Demos zählen bis heute zu den Glanzwerken dieser kleinen Szenerie. Während beinahe alle Nachfahren bereits ihre Blutsbrüderschaften auf Vinyl veröffentlichen konnten und sogar in der alten Welt livehaftig bejubelt werden konnten, verdaddelte sich die Band, getreu des eigenen Bandnamens, im Nirgendwo. Erst 1989 erscheint das erste Album namens "The Sane Asylum". Das darauf enthaltene Material ist teilweise 10 Jahre alt. Ist das schlimm? Schmecken Himbeeren nach Apfelmus? Aha.
Genug der langen Vorrede, es soll ja hier in erster Linie um die Musik gehen und nicht um faktisches Musikanten-Mikado. Auf dem Album hören wir neben Mainman Biedermann seinen langjährigen Sidekick Mike Miner am Schlagzeug, sowie das immer wieder ein- und ausgestiegenen Bassmonster namens Les Claypool (PRIMUS). Der vierte Mann im Bunde ist der frühere POSSESSED-Schrubber Larry Lalonde, der ja bekanntlich ebenfalls bei den Käseseglern am Ruder steht. Er hat einfach das Glück gehabt ausgerechnet in dem einen Jahr Mitglied der Ausnahmeband BLIND ILLUSION gewesen zu sein, in der diese ihr einziges Album einspielt. Seine illustren Vorgänger – unter anderem John Marshall (Metal Church) –, die teilweise jahrelang in der Band spielten, sind auf dem Album (leider) nicht zu hören. Oh, Mikado-Time again.
Die Musik auf "The Sane Asylum" ist schwer in Worte zu kleiden, denn auf der einen Seite ist es ganz eindeutig Thrash, dessen Herkunft man sofort erkennen kann, auf der anderen Seite werden einige Songs Freunden von gradlinigen Abrissbirnen sicherlich nicht sofort gefallen. Zum Warmhören empfehle ich daher die grantigen Riffmonster 'Smash The Crystal' und 'Blood Shower', die am ehesten an frühe HEATHEN erinnern. Allerdings sind die Arrangements bei BLIND ILLUSION selbst in diesen relativ straighten Geschossen deutlich verschachtelter und obendrein bedient Les natürlich auch hier bereits einen Lead-Bass. Allerdings fetzen Dir die Herren Lalonde und Biedermann bei diesen Nummern trotz aller Verspieltheit und trotz aller kleinen Schnörkel die Ohren blutig. Der aggressiv-schnodderige Gesang von Marc setzt dann zähnefletschend das I-Tüpfelchen auf diese saftigen Thrashgourmethappen.
Etwas vertrackter geht es da schon in 'Vegeance Is Mine' und dem fiesen Nackenknacker 'Vicious Visions' zu. Taktwechsel bis die Primzahl stolpert, geniale Stereo-Effekte auf den Klampfen und der allseits präsente Blubberbass vom Tiefton Gott. 'Kamakazi' beschreibt dann wundervoll, was den Hörer erwartet. Ein eher akustisch-verträumter Nackenhaarausreißer, der immer kurz vor dem Ausbrechen eine ganz besondere Dynamik entwickelt. Bombe!
Die beiden Parade-Nummern in Sachen psychedelischer Prog-Thrash sind dann die 'Death Noise' und 'Metamorphosis Of A Monster'. Diese beiden über sechs Minuten langen Nummern muss man sich wohl tatsächlich erarbeiten, denn gradlinige Strukturen sucht man hier vergeblich. Neben etlichen Temposteigerungen gibt es während der Metamorphose sogar Tasteninstrumente zu hören, wie auch einen Kinderchor. Dass ausgerechnet dieser Song das Album ursprünglich beschließt und dass 90 Sekunden vor Schluss nochmal ein komplett anderes Thema gespielt wird, habe ich damals als Andeutung für das nächste Album verstanden. Dieses erschien aber leider nie.
Auf der hier nun vorliegenden Neufassung gibt es neben leicht verbessertem Sound, noch die drei Songs des 1985er Demos "Trilogy Of Terror". Verglich ich die Band in ihren gradlinigen Momenten mit HEATHEN, muss ich diese Parallele hier sogar noch vertiefen, denn es singt kein Geringerer als David Godfrey. Gerade Freunden des alten Cerealien-Riffs werden diese drei Nummern besonders gut gefallen, denn die Kombination aus melodischen Soli und mega-aggressivem Riffing erinnert an die Kollegen aus der Bay. Da muss irgendwas im Wasser sein, ein Thrash-Vitamin, das es sonst weltweit nirgends gibt. Anders kann ich mir diese Qualitätsdichte aus diesem Gebiet nicht erklären.
Ich muss nicht extra erwähnen, dass es nun gar keine Entschuldigung mehr gibt, dieses Album nicht zu besitzen. Für Vinylfreunde gibt es sogar eine feine Version mit Bonus 7". Pflichtkauf!
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Holger Andrae