BLIND ILLUSION - Wrath Of The Gods
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2022
Mehr über Blind Illusion
- Genre:
- Bay Area Thrash
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Hammerheart Records
- Release:
- 07.10.2022
- Straight As The Crowbar Flies
- Slow Death
- Protomolecule
- Wrath Of The Gods
- Behemoth
- Lucifer's Awakening
- amazing Maniacal Monolith
- No Rest ‘til Budapest
Mit Biberfell und Karate-Kid zum Thrash-Thron!
Endlich hat das lange Warten ein Ende! Der sehnsüchtig erwartete Longplayer von BLIND ILLUSION ist fertig! Bereits im Jahr 2014 kam Mastermind Mark Biedermann mit einer reinkarnierten Version der Bay-Area-Urviecher um die Ecke. Die Festival-Erlebnisse der Band zählten danach jeweils zu meinen Jahresfavoriten und die 2018 eingereichte und schlicht "2018" betitelte EP ist bei mir ein gern gehörter Gast. Nun hat die Band, deren Besetzung sich wie ein Bay-Area-All-Star-Projekt liest, einen Deal mit Hammerheart Records an Land gezogen und startet in dieses neue Kapitel mit dem nun vorliegenden Album "Wrath Of The Gods". Neben Vorturner Mark Biedermann, der für Worterzeugung und Klampfe zuständig ist, hören wir mit Doug Piercy ein weiteres Szene-Urgestein an der anderen Sechssaitigen. Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, weiß, dass Doug bei CONTROL, ANVIL CHORUS und HEATHEN aktiv war. Hinter der Schießbude sitzt seit relativ kurzer Zeit mit Andy Galeon der außergewöhnliche Schlagzeuger aus den Reihen der Todesengel. Lediglich Bassist Tom Gears ist bisher nur als Tieftöner in MAIDEN-Coverbands in Erscheinung getreten. Wer sich aber so achtbar in Steve Harris' Schuhen austoben kann, ohne dabei zu stolpern, kann auch kein schlechter sein. Die livehaftigen Darbietungen mit ihm haben dies im Übrigen auch klar bewiesen.
Lange Vorrede, die Nerven liegen blank, denn gerade die silbrig berückten Leser werden nun wissen wollen, ob das neue Material die Erwartungen erfüllen kann. Eine Frage, die ich nicht jedem Einzelnen beantworten kann, da ich natürlich nicht weiß, was genau ihr denn erwartet habt. Ich selbst war mir im Vorfeld auch nicht ganz sicher, was da auf uns zukommen würde, denn die Musik von Meister Biedermann hat manchmal sehr außergewöhnliche Richtungen eingeschlagen. Ich habe Stimmen gehört, denen schon die neuen Sachen auf der oben erwähnten EP nicht gefielen. Ich für meinen Teil finde die Nummern ganz ausgezeichnet, gelingt es der Band nämlich wunderbar den Spirit der alten Zeit mit neuen Ideen zu verschmelzen. Irgendwo war zu lesen, mal wolle mit der neuen Ausrichtung auf einen Retro-Hype-Zug aufspringen. Selten so gelacht. Nur weil eine Band gern einen organischen Klang erzeugen möchte und sich dabei abseits der von Sneakern platt getretenen Thrash-Pfaden bewegt, ist das doch nicht automatisch eine Anbiederung an einen Trend. Das hat ein Biedermann nämlich gar nicht nötig. Denn schon mit dem 89er Album "The Sane Asylum" war er es doch, der beinahe Trends gesetzt hätte. Ich verwende hier den Konjunktiv, da das Album ungefähr zwei Lichtjahre zu spät erschienen ist. Das darauf enthaltene Songmaterial war ja teilweise schon etliche Jahre alt. Aber darauf jetzt detaillierter einzugehen, sprengt den Rahmen hier.
Wer die Band wegen ihrer unbekümmerten Spritzigkeit, der technischen Raffinesse und dem Spielwitz schätzt, wird mit "Wrath Of The Gods" wunderbar leben können. Das eröffnende 'Straight As The Crowbar Flies', welches seit einiger Zeit bereist als digitale Vorab-Single im Netz zu bewundern war, bietet schon mal alles, was man sich von einem BILND-ILLUSION-Song wünscht: Mark näselt sich durch feiste Riffs, Zwischendurch soliert jeder mal ein bisschen, die Rhythmik bleibt die ganze Zeit überraschend (geradlinig) und sogar der Bass blubbert lautstark dazwischen. Über allem aber: Riffs!
In eine ähnliche Kerbe schlägt der granatenscharfe Titelsong, dessen unwiderstehlicher Groove jeden Betonfuß zum Wippen bringt. Wenn dann nach circa vier Minuten diese Dampframme plötzlich nochmal an Fahrt aufnimmt und dabei auch noch im Zick-Zack-Kurs voran rattert, ist es auch mit meiner Entspanntheit vorbei. Ganz, ganz toll!
Von ganz anderer Durchschlagkraft ist das unprogrammatisch betitelte 'Slow Death', welches wohl am ehesten aus alten Tagen stammen könnte. Das messerscharfe Riffing ist voller Bay-Cerealien und Marks' Gesang klingt hier so herrlich giftig, dass man in am liebsten in den Arm nehmen möchte. Dazu fette Gang-Shouts. Im noch rasanteren Solopart spielen sich Doug und Mark erneut in Trance und schaffen es erneut, den Hörer unterm Kopfhörer völlig abdrehen zu lassen. Ein Zustand, der eigentlich während des gesamten Albums nicht nachlässt. So auch beim ebenso feisten 'Behemoth', in welchem ich einen exzellenten 'Achilles Last Stand'-Gedenk-Part finde. Let's Zep! Aber die Jungs können natürlich auch die Finger von den richtig abgedrehten Sachen nicht lassen. So kommt 'Spaced' überraschend spacig, luftig groovend und Thrash-beinschwingend aus den Boxen. Ein verflixter Ohrwurm, der mit sensationellen Gitarrenharmonien begeistert.
Ähnlich anregend ist das herzerwärmende 'Lucifer's Awakening', welches gleich vom Start weg mit etlichen Rhythmuswechseln aus der Hüfte gehuft kommt. Auch hier wieder diese Widerhaken, diese Hooks, die kaum noch eine Thrash-Truppe in ihre Songs einfließen lässt. Hier leuchtet der 70ies Spirit an allen Ecken sehr hell durch, ohne dass man dabei den rabiaten Grundsound des Thrash verlässt. Völlig abgefahren sind hier die Gitarrensounds, die ich so noch bei keiner Band dieses Genres gehört habe. Rory Gallagher anyone?
Die beiden CD-Bonusnummern muss man leider auch kennen, werte Vinyl-Junkies. Während 'Amazing Manicial Monolith' einer dieser typisch-untypischen Nummern ist, überrascht der Rausschmeiße 'No Sleep Til Budapest' in der ersten Hälfte mit grandios abgestopptem Mitsing-Thrash der unterhaltsamen Sorte, bis man im zweiten Teil dann nochmal so richtig die Sau raus lässt. Sicherlich ein grandioser Zugabensong für Konzerte.
Jetzt habe ich Arschi-Schlumpf mein momentanes Highlight außen vor gelassen. 'Protomolecule' wird von Beginn an von einer Gitarrenmelodie in die Ohren gepustet, die man tagelang vor sich hin pfeift. Dann kommt ein Jahrhundert-Riff, welches ich wahrscheinlich, ähnlich dem 'Bonded By Blood'-Ohrwurm-Massaker, auch in 20 Jahren noch rückwärts aufsagen kann. Dazu hackende Beats, bei denen man Andy vor dem geistigen Auge wie einen Wirbelwind über sein außergewöhnlich aufgebautes Drumkit zwirbeln sieht. Wer sich dazu das geniale Video anschaut, versteht vielleicht ein bisschen, wie durchgeknallt die Band ist. Spielwitz in einer völlig eigenen Dimension! Nach dieser Tapete sollte klar geworden sein, dass ich dieses Album liebe!
Highly entertaining!
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae