BLOOD CEREMONY - Lord Of Misrule
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/2016
Mehr über Blood Ceremony
- Genre:
- Hard Rock / Psychedelic Rock / Folk Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Rise Above Records
- Release:
- 25.03.2016
- The Devil's Widow
- Loreley
- The Rogue's Lot
- Lord Of Misrule
- Half Moon Street
- The Weird Of Finistere
- Flower Phantoms
- Old Fires
- Things Present, Things Past
Das Maß aller Dinge im Retro Rock
Die Retrowelle rollt nun ja schon seit einigen Jahren und macht keine Anstallten, abzuebben. Doch für mich, der ich lange Zeit voller Enthusiasmus im Meer der psychedelisch-okkulten Proto-Doom-Veröffentlichungen mit Sängerin badete, trennt sich so langsam die Spreu vom Weizen, um einmal einen radikalen Metaphernbruch zu wagen.
Eine Band, die klar zur zweiten Kategorie gehört, ist BLOOD CEREMONY, nicht von ungefähr auch eine der Bands, die bereits von Beginn bei der Retrowelle dabei war. Das selbstbetitelte Debüt bot noch schwer zugängigen Doom mit Querflöte und ordentlich Psychedelik, der bereits auf "Living With The Ancients" leichtfüßiger wurde. Ein Trend, den "The Eldritch Dark" mit einer ganzen Reihe waschechter Hits fortsetzte.
Wo die KanadierInnen auf jenem Album noch die ganze Bandbreite ihres Sounds ausloteten, von leichten Alternative-Einschlägen in 'Goodbye Gemini' über melancholische Balladen wie 'Lord Summerisle' bis zu folkigen Nummern á la 'Ballad Of The Weird Sisters', herrscht auf dem neusten Werk "Lord Of Misrule" nun eine deutlich fokussiertere, in sich geschlossene Atmosphäre.
Die Band bezeichnet das Album als ein sehr "englisches", eine Einschätzung, die ich nach zahlreichen Hördurchgängen bestätigen möchte. Denn "Lord Of Misrule" hat viel von der Stimmung britischen Folk und Psychedelic Rocks der 60er und 70er, verbunden mit einer analogen Produktion, die zum authentischsten gehört, was ich in diesem Bereich in den letzten Jahren gehört habe.
Bereits beim Opener 'The Devil's Widow' wird klar, dass sich BLOOD CEREMONY, einem Chamäleon gleich, einmal mehr in einen neuen Sound gehüllt hat. Zerbrechlicher, reduzierter und zugleich roher klingt die Band, dabei auch schroffer als auf "The Eldritch Dark". Doch die warmen Momente lassen nicht lange auf sich warten, "Lord Of Misrule", das sich thematisch auch mit alten Mythen einer Misherrschaft und der rituellen Ermordung des Herrschers während dieser Zeit befasst, ist in gewisser Weise ein Herbstalbum geworden, sonnendurchflutet, doch mit einer Frostigkeit, die unter der Oberfläche lauert und nur darauf wartet, den Hörer zu vereinnahmen. Das ist Folklore in ihrer wahren, ambivalenten Natur, düster, ungebändigt und wehmütig, von einer seltsamen Schönheit, wie sie nur wenige Bands einzufangen vermögen.
BLOOD CEREMONY gelingt dies auf besondere Weise und auf jedem Stück von "Lord Of Misrule". Dabei herrscht erneut Abwechslung im Kosmos der Band, folkig-ruhige Balladen einerseits, doomige Momente andererseits und dazwischen Psychedelik und energischer Rock, alle Facetten werden zur Schau gestellt und sorgen mit ihrem Funkeln dafür, dass ich als Hörer von diesem Album hypnotisiert und in seinen Bann gezogen werde, in einen Strudel aus Geschichten, Mythen und Riten, bei denen die Grenzen zwischen Realität und Einbildung zunehmend verschwimmen, bis schließlich nur eines übrig bleibt: Verdammt gute Musik.
Wer auch nur im Ansatz etwas mit Folk, Psychedelik, Doom und Retro Rock anfangen kann, kommt an BLOOD CEREMONY nicht vorbei und sollte neben dem Erwerb von "Lord Of Misrule" auch die anstehende Tour im April rot im Kalender anstreichen.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Raphael Päbst