BLOTTED SCIENCE - The Machinations Of Demetia
Mehr über Blotted Science
- Genre:
- Prog
- Synaptic Plasticity
- Laser Lobotomy
- Brain Fingerprinting
- Oscillation Cycles
- Activation Synthesis Theory
- R.E.M.
- Night Terror
- Bleeding In The Brain
- Vegetation
- Narcolepsy
- EEG Tracings
- Sleep Deprivation
- The Insomniac
- Amnesia
- Adenosine Breakdown
- Adenosine Building
Fakt eins: Ron Jarzombek ist ein Gitarrengott. Fakt zwei: Alex Webster ist ein Tieftonmonster. Fakt drei: Charlie Zeleny rockt sich mit der Leistung auf diesem Wunderwerk in die erste Liga der achtarmigen Klöppelschwinger. Fakt vier: "The Machinations Of Dementia" hört man nicht mal ebenso nebenher.
Diese Tatsachen waren euch bislang nicht bekannt? Das bedeutet, dass euch folgende Details nicht bekannt sind: Ron Jarzombek war (ich verweigere die Verwendung des Präsens hier, da die Band eigentlich nicht mehr existiert – der Verf.) langjähriger Klampfer bei DEN Techno-Thrashern Deluxe: WATCH TOWER. Parallel dazu hat er diverse solistische Fingerverrenkungen veröffentlicht und bei GORDIAN KNOT und MARTY FRIEDMAN ein paar Gastauftritte absolviert. Er ist ein Querdenker vor dem Herrn, der sich einen feuchten Schlangenschiss um musikalische Barrieren schert. Die einzigen Barrieren, die er zu kennen scheint, befinden sich in seinem Kopf. Und dieser ist offensichtlich von einem frei denkenden Geist beseelt.
Alex Webster wummert sonst amtliche Zementblöcke zu CANNIBAL-CORPSE-Häppchen in die Saiten. Auch wenn CC nicht zwingend zu meinen favorisierten Bands zählen, bin ich mir der Tatsache bewusst, mit welcher technischen Qualität sie ihre Wutklumpen einspielen.
Charlie Zeleny spielt hauptamtlich bei BEHOLD...THE ARCTOPUS, einer Band, die ich nur sehr sporadisch kenne. Ein Umstand, den ich demnächst ändern muss, denn der gute Mann klöppelt hier derart abgefahrene Beats aufs Parkett, dass man bei den ersten Durchläufen etwas schwindelig zurück gelassen wird.
So viel zu den Personen. Es sei noch angemerkt, dass Webster und Jarzombek bereits seit knappen drei Jahren an dieser gemeinsamen Vision schrauben und ursprünglich Chris Adler (LAMB OF GOD) und danach Derek Roddy (HATE ETERNAL, NILE) hinter der Schießbude saßen.
Wenden wir uns der Musik zu. Sechzehn instrumentale Abrissäpfel werden dem mehr oder weniger vorbereiteten Hörer serviert. Warum es keine Abrissbirnen sind? Nun, dies würde ja bedeuten, wir hätten es mit konventioneller Rübenabriss-Mucke zu tun. Bei den beteiligten Akteuren ist aber natürlich keinesfalls konventionelle Musik zu erwarten.
Ich werde nun einen Teufel tun und mich an jedem einzelnen Ton verbal ergötzen, aber einige besonders delikat angerichtete Finesshäppchen möchte ich euch dann doch nicht vorenthalten:
So hechtet uns ein Jarzombek-typisches Fingertipping in 'Laser Lobotomy' entgegen bevor herrliche Off-Beats das Geschehen übernehmen und ein tiefer gelegtes Groove-Inferno ausbricht. Die Frage nach der Anzahl der Gitarrenspuren vermag man nur zu erahnen, aber der erfahrene WATCH-TOWER-Kenner weiß, dass Ron auch live gern mal mit seinen Fußpedals auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig rockt. In diesem Fall überschreitet er allerdings bereits bekannte Grenzen.
Weitaus ohrenfreundlicher wummert 'Brain Fingerprinting' aus den Boxen. Ein nachvollziehbarer Grundrhythmus, – okay, ein paar Ausbrecher gibt es natürlich zu vermelden und auch der urplötzliche Tempoanzug wird ungeübte Rübewackler aus dem Konzept bringen – beinahe leichte Melodien sowie ein leichtfüßiger Bass, lassen diese Nummer in Richtung "massenkompatibel" rücken. Not.
Völlig entgleist scheint dann allerdings das acht Minuten lange 'Activation Syntheses Theory' zu sein. In sechs kleine Appetithappen zerlegt, segeln uns hier die Stilistik-Fragmente nur so um die Ohren. Und als wäre dies nicht alles schon schräg genug, schreddert uns Part IV – 'Spiderchase'- im Nähmaschinen-Tempo kleine Nadelstiche ins Trommelfell. Nur um danach mit tiefen Grooverhythmen ungewohnte Gefilde zu beharken. Diese letzte Passage stammt definitiv aus Websters kranken Hirnwindungen und passt wie die berühmte Faust auf Rons Auge.
'EEG Tracings' verfügt (erneut) über einen sehr (!) markanten Tiefhölzer, der mit einer affenartigen Geschwindigkeit den Kapriolen des Maestros am Dünnbrettbohrer folgt. Es gibt einige Parallelen zu SPASTIC INK-Kompositionen, da Ron-Boy hier ein paar sehr melodische Nummern schiebt. Nicht, dass an anderen Stellen dieser Wundertüte nicht auch Melodien erklingen würden – vor allem in den sehr kurzen Gitarrenintermezzi – aber während dieses Tracks stechen sie (für mich) besonders hervor.
Auch die anderen Titel entpuppen sich nach etlichen Umdrehungen in meiner Abspielbude zu absoluten Frickelleckerlis, stehen für mich aber erst in Reihe 1b nach den genannten Überkrachern.
Und als wäre die Musik an sich nicht schon anstrengend genug, so haben sich die Erschaffer auch noch ein Konzept zu ihren akustischen Angriffen ausgedacht: Wie die Titel teils schon vermuten lassen, dreht es sich um Gehirnaktivitäten, deren Fehlfunktionen und die daraus resultierenden medizinischen Eingriffe. Herrlich umgesetzt im Booklet durch entsprechendes Artwork und textliche Erklärungen. Ein Medizinstudent würde sicherlich begeistert sein.
Anspieltipps, dieses warm produzierten Ausnahmegerätes, gebe ich ausnahmsweise mal nicht mit auf den Weg, das hier wohl eh nur Musiker, Mediziner oder Frickelverrückte hinein hören werden. Diese werden allerdings von einem Suchtgefühl befallen werden.
- Redakteur:
- Holger Andrae