BLUES PILLS - Birthday
Auch im Soundcheck: Soundcheck 08/24
Mehr über Blues Pills
- Genre:
- Blues Rock / Soul
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Throwdown Entertainment/BMG
- Release:
- 02.08.2024
- Birthday
- Don't You Love It
- Bad Choices
- Top Of The Sky
- Like A Drug
- Piggyback Ride
- Holding Me Back
- Somebody Better
- Shadows
- I Don't Wanna Get Back On That Horse Again
- What Has This Life Done To You
Alte Schweden! Herzlichen Glückwunsch zum "Geburtstag"!
Nach den ersten Single- und EP-Veröffentlichungen in den Jahren 2012 und 2013 starteten die BLUES PILLS um den amerikanischen Gitarristen Zack Anderson und die schwedische Sängerin Elin Larsson neben ihren energiegeladenen Liveshows vor allem mit dem selbstbetitelten, phänomenalen, vielfach mit Höchstnoten geadelten Debütalbum in der Retrorock-, Rock- und Metalszene durch. In den Folgejahren wuchs man durch stetiges Touren und große Festivalshows zur namhaften Liveband. Die Nachfolgealben "Lady in Gold" aus dem Jahr 2016 und das mit Corona-Verzögerung erst im Sommer 2020 erschienene "Holy Moly!" versuchten jeweils, teils mehr und teils weniger erfolgreich, den Sound der Band griffiger, rockiger und eingängiger zu gestalten, von mir rückblickend mit acht, beziehungsweise 8,5 Punkten bedacht.
Auf dem neuen, vierten Album "Birthday" wird für die Fans der Band einiges radikal anders, manches nicht! Es bleibt die tolle, verzaubernde Soulröhre von Elin Larsson, es bleiben die treibenden, rockigen Gitarrenriffs, manchmal etwas in der Härte zurückgenommen. Neu sind bei den elf Liedern jedoch großflächige, poppig ins Gesicht klatschende Hooklines, die sich wie Ahornsirup auf dem Brötchen im Gehör festkleben. Vom Start des Albums weg mit dem Mega-Ohrwurm 'Birthday' reihen die Schweden Hit an Hit, dass einem ungläubig der Atem stockt! Die BlUES PILLS haben sozusagen ausgemistet und Ballast abgeworfen. Reduziert um allzu staubige Retrorock-Klänge und leider auch in Ermangelung opulenter Leadgitarrenparts ist dieses Album dennoch ein überaus großes! Diese Scheibe wird die Band in kommerzieller Hinsicht sicher ein gutes Stück nach vorne bringen, ob das den alten, eingefleischten Retrorock-Fans nun gefallen wird, oder nicht.
'Don't You Love It ' kickt den Ball energiegeladen weiter voran und bringt sich als radiotaugliche Groove-Bombe ein, die in einschlägigen Tanztempeln die Gebeine im Überschwang zum Zappeln bringen wird, nicht zuletzt, wie jeder Song der Scheibe, getragen von Elin Larssons Wahnsinnsstimme! Ja, da darf schon mal ein Superlativ benutzt werden. Etwas althergebrachter, wenn auch dennoch weiterhin so poppig wie nie zuvor, fräst sich dem verblüfften Ersthörer des Albums das bluesrockige 'Bad Choices' in die Hirnrinde. Danach stimmt Elin die Ballade 'Top Of The Sky' an, die man in dieser Qualität, wenn auch in Tempo und Instrumentierung etwas anders aufgestellt, genauso von ADELE hätte erwarten können.
Man hat in Sachen Songwriting ausgemistet, wie gesagt, man hat aber auch neues Personal angestellt. Damit spiele ich etwas schelmisch auf den Grammy-nominierten Produzenten Freddy Alexander an, der bereits für RIHANNA, THE CHAINSMOKERS und SHY MARTIN tätig war, und der für meine Begriffe deutlich vernehmbar in die Soundproduktion eingegriffen hat, wie beispielsweise beim bassdominierten, eher langsamen Pop-Groover 'Like A Drug'. Was übrigens den Albumtitel und die hörbar durchproduziertere, neue Kursausrichtung der Musik von BLUES PILLS angeht, lag natürlich der im Raum stehende Begriff "Birthday" nahe, nicht zuletzt weil Elin Larsson während der Songwriting-Phase des Albums schwanger war. Da ist das Coverfoto, auf dem sie Umstandskleidung trägt, nur die logische Konsequenz.
Die im Livestream übertragene Release-Show auf der Party-Stage beim Wacken-Open Air am 1. August bewies, dass die neuen Songs live bereits gut funktionieren, so auch das als Single vorab veröffentlichte, vertrackt und dennoch einprägsam vorantreibende 'Piggyback Ride'. Überhaupt zeigte bei jener Show die Mischung aus sechs Songs vom neuen Album mit fünf Songs vom Debüt und nur einem von "Holy Moly!" auf, wohin die Reise in Sachen zukünftiger Zusammenstellung von Live-Sets für die Band gehen könnte. Wie erwähnt muss ich beim Hören des neuen Materials des Öfteren an ADELE denken, so auch beim kraftvollen, dramatischen 'Holding Me Back'. Souliger und etwas oldschooliger im älteren BLUES PILLS-Fahrwasser ist dann wieder 'Somebody Better' geraten.
Eine weitere der großen Überraschungen kommt nun mit 'Shadows': Soul, souliger, Elin!!! Das ist eine Nummer, die man so auch diversen anderen Soul- und Pop-Superstars anbieten könnte. Kommerzieller Titel, aber ohne Frage gut komponierte und umgesetzte moderne Tanzmusik! Etwas weniger kontrovers werden Fankreise wohl die nachfolgende, von sanften Backing-Chören getragene Ballade 'I Don't Wanna Get Back On That Horse Again' aufnehmen. Beendet wird das neue Werk der Schweden mit 'What Has This Life Done To You', das einen modernen Motown-Soulpop-Style atmet. AMY WINEHOUSE kam mir hierzu während meiner ersten Durchläufe auch ab und an in den Sinn.
Von der silberhaarigen, plattensammelnden Breitscheitelfraktion entdeckt, die BLUE(S) PILLS wohl schon vor dem Jahr 2014 in anderer Form zu sich nahm, hat diese offiziell im schwedischen Örebro beheimatete Band einen beeindruckenden Weg genommen. Mir persönlich blieb beim Hören des neuen, knapp neununddreißig Minuten dauernden Albums zunächst bei manchen Liedern erschrocken der Mund offen stehen. Spätestens beim dritten Durchgang war die Verwunderung dann jedoch einer großen Begeisterung ob der neuen, anders klingenden, aber fantastischen Songs der BLUES PILLS 2.0 gewichen. Daher zücke ich nach langer Zeit endlich wieder einmal die Höchstnote. Herzlichen Glückwunsch zum "Geburtstag", liebe BLUES PILLS!
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Timo Reiser