BLUTENGEL - Omen
Mehr über Blutengel
- Genre:
- Ambient / Gothic / Elektro
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Out Of Line Music
- Release:
- 13.02.2015
- Prologue Omen
- Sing
- The Siren
- Wir sind was wir sind
- Give Me
- The War Between Us
- Fire In The Distance
- Dein Gott
- Guilty
- Save Us
- Der Regen fällt
- Ich bin das Feuer
- Holy Blood
- Asche zu Asche
- Bow Down
- Elegy
- Inside Of Me
- Save Your Tears
- Am Abgrund
- Starkeeper (Album Version)
- Fire In The Distance (Blutengel Vs. Terminal Choice)
- Stay (With Me)
- Lovesong
- Asche zu Asche (Static Violence Remix)
Weniger ist mehr
Endlich! Ja, endlich darf ich ein Wort schreiben, dass ich und meine fleißigen Kolleginnen und Kollegen sehr selten schreiben dürfen: "Sexy" Nach nun etwas mehr als 15 Jahren bei BLUTENGEL und mehreren Nebenprojekten unterschiedlicher elektronischer Härte, hat Chris Pohl sich äußerlich und stimmlich kaum verändert. Er sieht immer noch aus wie ein Gothic-Mädchen-Traum in Schwarzweiß mit einer sexy, gefühlvollen und raumfüllenden Stimme, die manchmal etwas an FALCO erinnert, manchmal eher an Thilo Wolf (LACRIMOSA). Das Timbre der Songs ist noch genauso wie bei der "Seelenschmerz"; ruhig, veträumt, melancholisch und fast ohne Höhepunkte.
Die sanften elektronischen Klänge sind sehr harmonisch an die Stimmlagen der Protagonisten angepasst und lassen sowohl den männlichen als auch den weiblichen Gesangparts genug Raum sich zu entfalten. Dieser Umstand ist auch bei "Omen" nicht anders. Nach einem kurzen, geheimnisvollen Intro geht es direkt mit der vormaligen Singleauskopplung 'Sing' los, dem wohl prägnantesten Lied des Albums. Allerdings wartet man die ersten 20 Sekunden irgendwie auf das Wort "Child", so sehr gleichen die ersten Takte dem sehr bekannten 'Sing Child' von ASP. Dann gibt es ein paar wenige Sekunden, wo Chris Pohl sich wohl seiner eigenen musikalischen Kindheit bewusst wird und ein paar Takte à FALCO einfließen lässt. Das ist alles gar nicht schlimm, aber doch etwas verwunderlich, aufgrund der großen Bekanntheit der übernommen Sequenzen. Aber da drücke ich mal beide Augen zu. BLUTENGEL ist ja immer ein Garant für solide produzierte, kreativ interpretierte Gothic-Klänge. Und da lässt das Lied auch nicht lange drauf warten. 'Sing' ist ein wunderschönes, nachdenklich stimmendes Kunstwerk, welches den gewohnt sentimentalen und sehnsüchtigen Text mit Hilfe der Pohl'schen Gesangskünste perfekt vermittelt. Leise und sinnlich geht das Lied dem Ende entgegen, nur um dann in 'The Siren' von einer dynamischen und härteren Struktur abgelöst zu werden. Und hier sind wir stiltechnisch wirklich wieder im Jahre 2001. Nur ein bisschen flotter und etwas besser eingespielt.
Mit 'Wir sind was wir sind' ist auch mal wieder ein deutscher Text vertreten. Hoch philosophisch wird sich ethisch-moralischen Dilemmata angenähert und zu leichtfüßigen Melodien werden schwermütige Fragen gestellt. In vier Minuten ist das jetzt zwar thematisch nicht zu klären, aber das Lied endet trotzdem und lässt ein nachdenkliches Gehirn auf der Tanzfläche zurück. Give me hope, love und so weiter... Sozusagen die Parade-Disziplin des schwarz-romantischen Musikgenres: Eine zärtliche Frauenstimme möchte von ihrem Angebeteten Liebe, Hoffnung und das ganze Paket haben. Was die weibliche Zuhörerschaft, welche schon in den 90ern zu Anne Nurmi (LACRIMOSA), Liv Kristin (ehm. THEATRE OF TRAGEDY) und Anneke van Giersbergen (ehm. THE GATHERING) ihren Beziehungsschmerz verarbeitet hat, auch jetzt noch anspricht und zu stundenlangem auf-dem-Bett-liegen, die-Decke-anstarren und über-Romantik-nachsinnen führt. Allerdings wird das musikalische Konzept unsere gestandenen, Moshpit erprobten Kuttenträger schneller aus der Wohnung vertreiben, als ein Homeshopping Event der Tupperware-Marke. Selten habe ich eine Musik Spielart gehört, bei der das Publikum so gespalten ist. Einen Mittelweg scheint es nicht zu geben, entweder man fühlt sich bei dieser Musik wie in einem NOVALIS-Gedicht oder man möchte MICHAEL DOUGLAS in "Falling Down" nachahmen. Nachdem ich meinen leicht zu kritischen Mann aus dem Zimmer hinaus komplimentiert habe, geht es weiter mit 'Dein Gott'. Während die Hauptworte des Refrains in fast NDH-Manier gebrüllt werden, fällt danach die Nachdrücklichkeit und die Attitüde auf ein seichtes Geplätscher zurück und lässt die Zuhörerin bis zum nächsten Refrain sanft dahindümpeln. Über 'Guilty' kann ich leider gar nichts sagen, da es auch nach zwanzig Mal hören nicht in meinem Gedächtnis bleiben mag.
Aber dafür finde ich beim nächsten Track mal etwas wirklich Negatives: 'Save Us' ist mir denn doch zu fröhlich. Wenn jemand fleht, vom Bösen erlöst zu werden und von seinen Sünden, dann möchte ich da kein "nana hey" hören. Das muss nun wirklich mal etwas mehr Wumms haben und düsterer klingen. Selbst ABBA würde bei derartigen Muscial würdigen Einlagen leicht beschämt zur Seite schauen. Im nächsten Song geht es dafür wieder sehr sachlich und ruhig zu. Ein Klavier bestimmt die Grundstimmung in 'Der Regen fällt' und sphärische Keyboard Töne lassen die 80er wieder aufleben. Bei 'Asche Zu Asche' dachte ich erst, dass mich nun ein RAMMSTEIN-Cover erwartet, aber dem ist nicht so. Düster, mit verzerrter Stimme, aber durchaus im BLUTENGEL-Stil komponiert, ist 'Asche zu Asche' der perfekte Tanz Hit dieser CD. Da kann man sich gemütlich in der Disco zu bewegen, und die kleinen markanten Stellen des Songs erlauben sogar ganz hübsche Tanzfiguren. 'Elegy' kommt sogar ganz ohne Gesang aus, und in 'Save Your Tears' gibt es denn endlich ein paar härtere Elektro-Beats, die den recht gleichförmigen Stil etwas aufpeppen. Auch bei 'Stay With Me' dachte ich, dass mich nun ein Cover (SHAKESPEARE SISTERS) erwartet. Weit gefehlt. Trotz der berühmten Anlehnung ist das Lied 100% Chris Pohl, es hört sich aber so modern und radiotauglich an, dass es bei der Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest kein bisschen aufgefallen wäre.
Zu guter Letzt habe ich mir 'Fire In The Distance. Blutengel vs. Terminal Choice' aufgehoben. Ja, Herr Pohl, ich bin mir da jetzt nicht so sicher. Generell finde ich die Idee super, zwei verschiedene Bands ein Lied gemeinsam singen zu lassen. Die verschiedenen Stile sind in der Lage, ein und das selbe Kunstwerk auf verschiedene Arten zu interpretieren. Ich hätte mir sehr gut FADERHEAD oder vielleicht sogar EISBRECHER als zweiten Part vorstellen können. Dass die Wahl auf TERMINAL CHOICE fiel ist mir ziemlich unbegreiflich. Es mag ja im wahrsten Sinne des Wortes das Naheliegendste gewesen sein, aber eine kleine Anfrage an die anderen Vertreter benachbarter Musikstile hätte doch sicher auch irgendwann zum Erfolg geführt. Für die generelle Idee geb ich da 10 Punkte, für die Umsetzung leider nur 3. Man hört die TERMINAL CHOICE-Parts schon raus, aber das ist ein bisschen so wie TANZWUT als Vorband von CORVUS CORAX.
Jetzt hab ich aber genug gemeckert. Kommen wir zum gemütlichen Teil meines Reviews: Wie immer eine kleine Einschätzung der Tanzbarkeit. Bei mehr als 20 Liedern können gar nicht alle ein Disco-Hit sein. Im Großen und Ganzen gibt es Lieder, bei denen man gemütlich auf einer Gothic-Party über die Tanzfläche schlendern kann, inklusive romantischer Gesten unter einer Leuchtkugel. Dann gibt es zwei Songs, die ohne Probleme auch auf gemischten Elektro- und Industrial-Parties vom DJ aufgelegt werden können. Der Rest, bis auf die ABBA-Nummer und den Eurovision-Song-Contest-Beitrag, sind eher für ruhige Stunden zu Hause. Aber das ist sowieso der Ort, wo ich mir BLUTENGEL-CDs schon immer angehört habe und auch anhören werde. In der Tanzlocation bevorzuge ich dann eher TERMINAL CHOICE.
Alles in allem ist die CD sehr BLUTENGEL. Ich wurde also nicht enttäuscht. Bei der Größe gestehe ich dem Projekt auch gerne zwei bis vier Ausrutscher zu. Die werden von so großartigen 10-Punkte-Liedern wie 'Sing' mehr als ausgeglichen.
Und der Umfang, in welchem ich auch nach meinem Review diese CD hören werde zeigt, dass ich insgesamt wohl viel Freude gehabt habe. Sowohl beim Hören als auch beim Tanzen (Ja, auch das teste ich in meinem Zimmer extra für euch!!!). Die Berliner haben mich mal wieder überzeugt und ich freue mich schon auf das nächste Album.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Yvonne Heines