BLUTHARSCH, DER - The Philosopher's Stone
Mehr über Blutharsch, Der
- Genre:
- Neo Folk/Ambient
- Label:
- WKN/Tesco
- Track 1
- Track 2
- Track 3
- Track 4
- Track 5
- Track 6
- Track 7
- Track 8
Kontroverser Industrial-Rock mit Gespür für den finsteren Groove und Faible für eine Ästhetik, die mancher ablehnen wird.
Auf dünnes Eis begebe ich mich wohl, wenn ich über die Vertreter einer Szene schreibe, mit der ich nur selten Kontakt habe und über die ich daher auch nur bedingt Bescheid weiß. Das ist in diesem Fall deshalb kritisch, weil erste Online-Recherchen zum Thema DER BLUTHARSCH zwangsläufig zu Vorwürfen führen, dass es sich um eine Naziband handle, und dahin, dass sie erfolglos versucht habe, ihren linksgerichteten Kritikern diesen Vorwurf gerichtlich verbieten zu lassen. Befasst man sich näher mit der Materie, so stellt man fest, dass die Band sich zwar selbst nicht als rechtsextremistisch einordnet, aber auch nicht davor zurückscheut, sich mit der Ästhetik totalitärer Regime und Weltkriegsuniformen zu schmücken, und unter anderem auch mit relativ offen rechtslastigen Künstlern zu kooperieren. Die Frage ist, ob sie das muss, und darauf gibt es vermutlich so viele Antworten wie Menschen, die sich die Frage stellen.
Mastermind Albin Julius lässt die Interpretation seines Schaffens auch gerne offen. Er verweist, mit dem Vorwurf konfrontiert, auf Lemmys Vorliebe für ähnliche Ästhetik und sagt: "Kunst darf alles! Basta!". Ob er es sich hiermit zu einfach macht, lässt sich an dieser Stelle nicht abschließend beantworten, doch die Folgerung liegt nahe. Besonders der Selbstvergleich mit Lemmy hinkt gewaltig. Lemmy ist ein Mensch, der sich in Interviews immer völlig eindeutig gegen Rassismus und Totalitarismus ausgesprochen hat und noch dazu mit dem Song '1916' auf drastische Weise klar gemacht hat, wie sehr er den Krieg ablehnt. Eine solche klare Positionierung kommt aus der BLUTHARSCH-Ecke nicht, vielmehr gab es wiederholt Statements, die weitere Zweifel nähren. Andererseits ist die Neo-Folk-Szene jedoch in weiten Teilen dafür bekannt, sich ausgiebig totalitärer Ästhetik, historischer Uniformen und Kriegsthematiken zu widmen, ohne damit zwangsläufig ein politisches Statement abzugeben. Dass DER BLUTHARSCH mit den noch deutlich umstritteneren DEATH IN JUNE zusammenarbeitet, passt da ins Bild und rechtfertigt mannigfaltige Arten des Umgangs mit der Thematik.
Daher will ich es jedem selbst überlassen, die vermeintliche politische Seite der Band für sich zu würdigen und mich von nun an der Musik widmen, die - wie bereits angedeutet - dem Neo-Folk-Bereich entstammt und von den Musikern selbst als Military Pop bezeichnet wird. Das bedeutet für den Außenstehenden, dass er sich auf eine Mischung aus düster-kaltem, aber nicht völlig lebensfeindlichem Ambient, dynamisch marschierendem Dark Wave, tanzbarem Elektro-Pop, ein wenig industriellen Loops und Samples, stoisch groovendem Rhythmus und simplen aber effektiven Heavy-Riffs gefasst machen kann, der stets unvorhersehbar und kreativ bleibt.
Durch acht unbetitelte Stücke hindurch widmet sich das erweiterte Quartett diesem stimmigen Stilmix mit wechselnden Schwerpunkten, schafft es jedoch immer wieder, den Hörer in Bewegung zu versetzen und durch eingängige aber keineswegs flache Strukturen zu fesseln. Dabei gelingt durch die rhythmische Struktur, die variable und vielseitige Instrumentierung und den stets vorhandenen massiven Groove der Brückenschlag zwischen den Sphären elektronischer und rockiger Musik, so dass die Band nicht nur für Industrielle und Ambient-Schwelger interessant ist, sondern auch für Fans des düstren Rocks und Metaller ohne Fetisch für das Reinheitsgebot. Dennoch bleibt die wichtige Feststellung, dass ihr euch unbedingt selbst ein Bild von der kontroversen Position der Band im politischen Spektrum machen solltet, wenn ihr vermeiden wollt, die aus eurer Sicht Falschen zu unterstützen.
Anspieltipps: Track 4, Track 5, Track 7
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle