BORKNAGAR - Winter Thrice
Auch im Soundcheck: Soundcheck 01/2016
Mehr über Borknagar
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Century Media (Sony)
- Release:
- 22.01.2016
- The Rhymes Of The Mountain
- Winter Thrice
- Cold Runs The River
- Panorama
- When Chaos Calls
- Erodent
- Noctilucent
- Terminus
Eine vollendet mit buntem Leben gefüllte Nische progressiver nordischer Tonkunst.
Die längst zur vielseitigen und hochmelodischen Band mit progressiven Songstrukturen und abwechslungsreichem Songwriting gewandelten ex-Schwarzmetaller aus Norwegen legen dieser Tage ihr zehntes Studioalbum vor, knappe vier Jahre nachdem das bärenstarke "Urd" das Stockerl unseres Soundchecks stürmte. Mit dem Nachfolger "Winter Thrice" gelingt das Double zwar nicht ganz, doch das heißt keinesfalls, dass das Album nennenswert hinter seinem Vorgänger zurück stecken muss. Vielmehr schaffen die fünf Nordmänner und ihr schwedischer Leadsänger es erneut, ihren ureigenen und inzwischen weithin ausdefinierten Stilmix aus progressiven, keyboardschwangeren und fragilen Klanggebilden, Rudimenten harscher und kalter Nordlandästhetik, folkloristischen Versatzstücken und gesanglicher Vielseitigkeit vollendet auf Scheibe zu bannen.
Ein großer Trumpf der Band ist hierbei auf jeden Fall die Tatsache, dass sie mit Vintersorg, Vortex und Lazare drei großartige, eigenständige und eindringliche Stimmen aufbietet und somit sowohl in den zerbrechlichen, schwebenden Momenten als auch im epischen Pathos und den harschen Passagen überzeugen kann. Diese drei Ausnahmesänger des skandinavischen Metals ergänzen sich auf "Winter Thirce" perfekt und sorgen für einen sehr hohen Wiedererkennungswert, der sich indes aber nicht nur am Gesang festmachen lässt, sondern auf jeden Fall auch an Lazares spacigen Keyboardteppichen, die beim ansonsten eher sehr harten und schnellen 'When Chaos Calls' auch mal nach Flügel klingen dürfen, und an den vielschichtigen, wie bei 'Erodent' auch mal akustischen Gitarrenarrangements der Herren Brun und Ryland. Wer an dieser Stelle zu viel AYREON und zu wenig schwarzen Stahl wittern mag, der liegt natürlich nicht gänzlich falsch, doch keine Sorge: Der aufgeschlossene Altfan wird immer wieder auch seine BORKNAGAR durchschimmern sehen, wie etwa im Einstieg zu 'Cold Runs The River', in dem auch danach wiederholt das Gaspedal durchgetreten und die kreischende Stimme erhoben wird, das dafür aber in den melodischen, leicht doomigen Parts in Sachen Gesangslinien deutlich gen TÝR ausschlägt, wozu auch das folkige Solo gut passt. Auch 'Panorama' gibt sich leicht doomig und folkig, kommt aber mit einem etwas vertrackten Rhythmus um die Ecke, der auch mal Drummer Baard Kolstad in den Fokus rückt.
Mehrstimmige Gesangsarrangements, schwebende Keyboardteppiche und extrem melodische Leadgitarren sind jedoch die allgegenwärtigen Hauptzutaten, die BORKNAGAR heute bis in die letzte Faser durchziehen. Das ist schwelgerische, anmutige Tonkunst, erhabene Musikalität und blitzsauber, differenziert und doch druckvoll produziert. Auf der anderen Seite mag natürlich manch schwarze Seele ihr Leid klagen und über Zuckerguss, Schwülstigkeit und Weichzeichner lamentieren. Geschenkt, würde ich an dieser Stelle sagen, denn es wird ernsthaft niemand erwarten, dass diese Band nochmals zu ihren Wurzeln zurückkehrt, denn dazu hat sie sich viel zu lange stringent weiter entwickelt und dadurch für sich eine viel zu schöne und stimmige stilistische Nische errichtet, die sie voll und ganz ausfüllt.
Wer sich indes nicht für Schubladendenken interessiert, und wer sich generell auch bei der norwegischen Avantgarde wohlfühlt, der wird hier indes nach wie vor zu Hause sein, denn wie schon gesagt, die harschen Anfänge schimmern immer wieder durch, so dass BORKNAGAR niemals zahnlos wirkt. Doch ebenso sind Leute angesprochen, die sonst eher zu feingeistigem, ätherischem Prog wie DEAD SOUL TRIBE oder neueren AMORPHIS tendieren. Ja, hier und da meine ich auch eine kleine augenzwinkernde Verneigung vor David Bowie oder MARILLION zu hören. Ganz gleich, ob die Stücke wie beim Opener 'The Rhymes Of The Mountain' variantenreich, dramatisch und episch arrangiert sind und stärkere harsche Elemente aufweisen, oder ob sie wie beim folgenden Titelstück zunächst schwelgerischer, zerbrechlicher und nachdenklicher wirken, um am Ende doch noch brachial anzuziehen: BORKNAGAR ist sich auf "Winter Thrice" immer zu hundert Prozent treu, und es werden bei allem kompositorischen Anspruch stets markante, eingängige Songs mit großen Hooklines geschrieben. Auf dieser Weise sollte auch dieses Album die Fans der letzten paar Alben bedingungslos zufrieden stellen.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle