BOWIE, DAVID - David Bowie (1969/2009 40th Anniversary Edition)
Mehr über Bowie, David
- Genre:
- Progressive Rock / Psychedelic Folk
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- EMI
- Release:
- 09.10.2009
- Space Oddity
- Unwashed And Somewhat Slightly Dazed
- Letter To Hermione
- Cygnet Committee
- Janine
- An Occasional Dream
- Wild Eyed Boy From Freecloud
- God Knows I'm Good
- Memory Of A Free Festival
- Space Oddity (Demo)
- An Occasional Dream (Demo)
- Wild Eyed Boy From Freecloud (Single B-Side)
- Let Me Sleep Beside You (BBC Radio Session D.L.T. Show)
- Unwashed And Somewhat Slightly Dazed (BBC Radio Session D.L.T. Show)
- Janine (BBC Radio Session D.L.T. Show)
- London, Bye, Ta-Ta (Stereo Version)
- Prettiest Star (Stereo Version)
- Conversation Piece (Stereo Version)
- Memory Of A Free Festival (Part 1) (Single A-Side)
- Memory Of A Free Festival (Part 2) (Single B-Side)
- Wild Eyed Boy From Freecloud (Alternate Album Mix)
- Memory Of A Free Festival (Alternate Album Mix)
- London, Bye, Ta-Ta (Alternate Stereo Mix)
- Ragazzo Solo, Ragazza Sola (Full Length Stereo Version)
Die 40th Anniversary Edition des bereits 1972 erstmals unter dem Titel "Space Oddity" wieder aufgelegten, zweiten selbstbetitelten Albums von DAVID BOWIE ist mit allerlei Boni ausgestattet.
1969 erschien das zweite selbstbetitelte DAVID BOWIE-Album. Darauf befand sich ein Kaleidoskop aus bluesinspiriertem Rock ('Unwashed And Somewhat Slightly Dazed' & 'Janine'), folkinspirierten Songwriterstücken ('Letter To Hermione' & 'God Knows I'm Good'), progressiven Folk- ('An Occasional Dream') und Rock-Stücken ('Cygnet Committee'), hippieskem Kopfkino ('Wild Eyed Boy From Freecloud' & 'Memory Of A Free Festival'), sowie die - nicht zuletzt aufgrund eines anderen Produzenten - aus dem Rahmen fallende Spacepop-Single 'Space Oddity', nach welcher der Re-Release des Albums im Jahre 1972 benannt wurde.
Manch einer, der mit der Musik DAVID BOWIES weniger vertraut ist, kennt heute aus dem gesamten Album nur diese Single und könnte sich daher einen falschen Eindruck vom Schaffen des Künstlers zu dieser Zeit machen. Zwar ist die Trennlinie zwischen dem ersten Major-Tom-Song Bowies und den übrigen Stücken des Albums kein stilistisch unüberbrückbarer Graben, doch Bowies Produzent Tony Visconti weigerte sich damals, diesen Song zu produzieren, sodass sich David (mit dem Einverständnis und der Vermittlung seines wohl bekanntesten Studiopartners) dafür Gus Dudgeon an Land zog, der unter anderem für THE ZOMBIES produziert hatte und schon länger an Bowies Wirken interessiert war. Sein Beitrag zu "David Bowie" zeichnet sich durch einen entrückten, etwas glatteren Klang aus, von dem sich die übrigen, von Tony Visconti produzierten, erdiger klingenden Stücke abheben.
Interessanterweise entstanden die Arrangements für die brillant aufspielenden Sessionmusiker in 'Space Oddity' zunächst ohne formelle Notation, da weder Bowie noch Dudgeon selbige beherrschten. Eine besondere Ehre wurde dem Stück schließlich zuteil, als die BBC in ihrer Berichterstattung über die live übertragene erste Mondlandung der Menschheitsgeschichte einen Fernsehbeitrag mit dieser Musik unterlegte. Dass auch das Album an (Charts-)Höhe gewann, dürfte jedoch nicht nur an der erfolgreichen und zugkräftigen Single und der von Philips (unter Untschlagung des ersten Bowie-Albums) als Debut-Sensation geführten Werbekampagne gelegen haben, sondern schlicht und einfach auch an der Tatsache, dass DAVID BOWIE hier ausschließlich Songs ablieferte, die den Test der Zeit bis heute bestehen können.
Die Special Edition des 2009er Re-Release kommt als Doppel-CD in einem schön aufgemachten Digipack daher, welches im Booklet zahlreiche Informationshäppchen zu den einzelnen Aufnahmen sowie eine Zeittafel zum Produktions- und Veröffentlichungsprozess enthält. Auch einige kleine Reproduktionen von Fotos, Anzeigen, Produktionsnotizen und Skizzen zum Artwork aus dieser Zeit finden sich darin. Die zweite CD enthält, in Ergänzung zum eigentlichen Album, mehrere B-Seiten, alternative Versionen (u. a. 'Space Oddity' auf Italienisch mit völlig anderem Text) und weitere Stücke aus der beat-, folk-, hippie- und space-inspirierten Ära DAVID BOWIEs. Wer sich mit dem Künstler eingehender beschäftigen möchte und nicht einfach nur die reinen Songs des zweiten Albums abgreifen, kann hiermit also nichts falsch machen, denn die Neuauflage liefert einen informativen Einblick in Bowies Werk zu dieser Zeit.
Bleibt also die Frage, ob sich das Bonusmaterial lohnt. Nun das wird wohl jeder wieder etwas anders sehen. Also gibt es hier nun einen Überblick zur Herkunft und den Abweichungen einzelner Tracks von CD2 der "40th Anniversary Edition": Die Demoversion von 'Space Oddity' ist stärker auf Gesang und Akustikgitarre abgestimmt, wobei beides hin und wieder geclippt herüberkommt. Doch die wesentlichen Eigenschaften des Songs sind auch hier bereits vorhanden, sodass sich beim Hören der Demo - abgesehen von einem eindeutigen SOS-Morsecode am Ende des Stückes - keine neuen Aspekte auftun. Ähnlich verhält es sich beim ohnehin hippiesk wirkenden 'An Occasional Dream', welches in der früheren Version im Spiel noch nicht so geglättet wirkt und auch die folkloristische Blockflötenstimme vermissen lässt - oder eben auch nicht vermissen, denn das Stück klingt auch ohne sie gut. Doch wer sich nicht gerade selbst in der Begleitung üben mag oder Blockflöten grundsätzlich hasst, wird diese Demoversion schlicht und einfach nicht brauchen.
'Space Oddity's Single-Rückseite 'Wild Eyed Boy From Freecloud' hingegen bringt erstmals eine grundlegend andere Wirkung hervor als die Albumversion. Reduzierter, ohne orchestrale Arrangements, mit dunkleren Streichertönen (Paul Buckmaster am Cello) unterlegt, liegt auch hier der Fokus auf Gesang und Akustikgitarre. Das Stück wirkt dadurch sogar noch eindringlicher und auch etwas melancholischer als die von Tony Visconti aufgehübschte Version.
Drei Stücke des Bonusmaterials auf der zweiten CD stammen aus einer BBC-Session für die Radiosendung "D.L.T. Show" vom Oktober 1969. Mit den auf CD1 vorliegenden Albumversionen lassen sich davon 'Janine' und 'Unwashed And Somewhat Slightly Dazed' vergleichen; allerdings bieten sie Besitzern der Kollektion "Bowie At The Beeb" aus dem Jahre 2000 keinen Mehrwert. Erstmals offiziell veröffentlicht wird mit diesem Re-Release jedoch der 1969 tatsächlich auch in Dave Lee Travis' Sendung ausgestrahlte Track 'Let Me Sleep Beside You', und vorweg gibt es noch einige Worte aus einem im Rahmen der Sendung geführten Interview zum Album zu hören. 'Let Me Sleep Beside You' stammt aus dem Jahre 1965 und ging während der D.L.T. Show vom 26.10.1969 erstmals über den Äther. Ein schöner, grooviger bis psychedelischer Bluesrocksong ist das, voller Sehnsucht und großartiger Harmonie - typisches BOWIE-Material eben, nur leider beendet durch ein arg abruptes fade-out.
Was 'Unwashed And Somewhat Slightly Dazed' angeht, so macht die BBC-Version dem ersten Teil des Titels Ehre, kommt sie doch gitarrenlastiger und insgesamt bodenständig-rockiger herüber, erinnert stellenweise gar an BOB DYLAN; eher dazed klingt hingegen die Albumversion. Bei 'Janine' dagegen nehmen sich die beiden Versionen weniger Unterschiede heraus. Wie üblich fällt aber auch hier die Radioversion auch etwas kürzer aus.
Aus dem Jahre 1968 stammt 'London, Bye, Ta-Ta', das insgesamt dreimal aufgenommen wurde. Die hier vertretene dritte Version entstand 1970 im Trident Studio als potentielle Nachfolgesingle zu 'Space Oddity', erschien in der hier zu hörenden Stereoabmischung jedoch erstmals im Jahr 2003 ("Sound + Vision" [4CD-Box]), und auch die erste Veröffentlichung der Komposition überhaupt erfolgte spät, nämlich erst 1989. Dieses refrainorientierte, quirlig-beschwingte, äußerst eingängige Londonstück liegt hier auch noch einmal in einer bislang unveröffentlichten Stereoabmischung vor, die etwas zahmer daherkommt und somit auch heute noch radiofähig wäre, irgendwo zwischen THE BEATLES und einem BOWIE-Stück wie 'Pablo Picasso' vom "Reality"-Album, oder sonst auch irgendeinem Track einer gerade angesagten Retro/Indie-Rockband. Eher Pop als Rock, also.
Auch die ebenfalls aus der Trident Studio Session stammende Single 'The Prettiest Star' liegt hier in der Stereoversion vor (Originalveröffentlichung: "David Bowie - The Best Of 1969/1974"). 'The Prettiest Star' ist schwelgerischer Pop, der in Ansätzen bereits die späteren Großtaten BOWIEs bei den Balladen seines Glamrockmeisterwerks "The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars" sowie die entspanntere Melodieseligkeit des rund drei Dekaden später erschienenen "Heathen"-Albums andeutet.
'Conversation Piece' ist ebenfalls feinster Pop, genauer gesagt Britpop wie ihn anscheinend nur Engländer hinbekommen. Spätsommerregen fällt mir da spontan zu ein, begleitet von einer gelinden Form der Melancholie oder Nachsinnen über Zeit, die langsam aber sicher verrinnt. Ursprünglich in Mono als B-Seite von 'The Prettiest Star' erschienen, liegt der Track nun auch in einer bislang unveröffentlichten Stereoversion vor.
Komplett vom Single-Original übernommen wurde 'Memory Of A Free Festival', naturgemäß zerlegt in zwei Tracks für deren A- und B-Seite, sowie mit geringfügig längerer Gesamtspielzeit, um die Sache dann wieder rund zu machen. Doch die Single-Version kommt außerdem auch etwas straighter und eindringlicher daher, dadurch aber für meine Begriffe nicht ganz so charmant wie die Einspielung für's Album. Dieser, obschon zeitnah entstanden, gewissermaßen nostalgische Abgesang auf die Hippie-Ära, bezieht sich auf das von David Bowie mit auf die Bühne gebrachte "Beckenham Free Festival", nimmt durch seinen epischen Aufbau jedoch einen darüber hinausweisenden Charakter an. Zusätzlich zu den Single-Tracks hat dieses Stück es noch einmal in einem fast neuneinhalbminütigem Mix, wenn schon nicht auf das Originalalbum, so doch unter die nun erstmals veröffentlichten Bonustracks geschafft. Diese klingt durchweg noch intensiver, vom geisterhaften, beschwörenden Beginn bis hin zum psychedelischen Finale der ausgelassen und doch zeremoniell in Szene gesetzten Feierlichkeit.
Ebenfalls als Alternative zur letztlichen Albumversion entstand der hier erstmals erschienene Mix von 'Wild Eyed Boy From Freecloud', der noch etwas melodramatischer/musicalhafter daherkommt; meines Erachtens kann er dem etwas cineastischeren Album-Mix nicht ganz das Wasser reichen.
Eine Kuriosität ist 'Ragazza Solo, Ragazza Sola', eine italienische Adaption von 'Space Oddity' mit völlig anderem Text aus der Feder von Ivan Mogul. Konzipiert für eine Single der italienischen Gruppe COMPUTERS, wurde der Titel Ende 1969 dann auch von DAVID BOWIE selbst eingesungen und erschien im Januar 1970 als Single. Bowie erfuhr erst nach dem Einsingen, dass der Text mit dem ursprünglichen Thema des Songs nichts zu tun hatte. Das somit unwissentlich, bzw. in falschem Bewusstsein, eingesungene Lied über zwei einsame Menschen erschien in der Single-Version bereits im Jahre 1983 noch einmal auf der LP "Bowie Rare". Hier jedoch gibt es einen bislang unveröffentlichen Stereomix zu hören, der im Vergleich mit den englischen Album- und Demo-Versionen nicht nur italienischer, sondern auch glatter klingt.
Kurzum:
Das Album selbst ist auch heute noch allen am Frühwerk BOWIEs Interessierten zu empfehlen, das Booklet ist hübsch und informativ aufgemacht, der ein oder andere Bonustrack charmant oder zumindest aufschlussreich darüber, wieviel doch Abmischung und Produktionsdetails ausmachen können; manches aber auch entbehrlich, vor allem für Leute, die von Anfang an fleißig jeden Schnippsel des Künstlers gesammelt haben. Da noch einige bislang unveröffentlichte Mixe dabei sind, werden Komplettisten allerdings nicht um diese Bonuscompilation herumkommen.
Anspieltipps:
CD1:
And Somewhat Slightly Dazed, An Occasional Dream, God Knows I'm Good, Memory Of A Free Festival.
CD2:
Wild Eyed Boy From Free Cloud (Single B-Side), The Prettiest Star (Stereo Version), Conversation Piece (Stereo Version), Memory Of A Free Festival (Alternate Album Mix).
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Eike Schmitz